Wild Gardening und der Kick des freien Blicks

Schlossgärtner Peter Vorholt vor dem noch nicht ganz fertiggestellten Teehäuschen, das für seinen Geschmack ein wenig zu sehr in Weiß erstrahlt. Foto: nl

Bad Homburg (nl). Eigentlich ist der Sommer schon fast zu Ende. Umso ungewöhnlicher, dass es die erste Führung durch den Schlosspark in diesem Jahr ist, die am Samstagnachmittag Mitte August mit Peter Vornholt, dem Schlossgärtner, stattfindet. Dieser sonst beliebte und begehrte Termin kam offenbar für die Bad Homburger so überraschend zustande, dass sich unter den beiden Zedern am Königsflügel nur wenige Gäste zusammenfanden, um in zweieinhalb Stunden jeden Winkel des Parks zu erkunden.

Wie sehr das „Refugium der Naherholung“, so Peter Vornholts Bezeichnung für das kleine Reich unter freiem Himmel, in Coronazeiten gerade von jungen Familien genutzt worden sei, das habe ihn erfreut. Offenbar hatten viele ihre Urlaubstage oder die Sommerwochenenden, die wohl oder übel zu Hause verbracht werden mussten, genutzt, um hierher zu kommen. So bekam der Park eine ganz neue Bedeutung.

Und dann wurde es historisch und ein bisschen theorielastig. Denn der Schlossgärtner erläutert ausführlich das Konzept der Anpflanzungen und gestalterischen Überlegungen, die dem Areal aus gepflegten Rasenstücken und Blumenrabatten eine neue Optik verleihen sollen. Dahinter steckt mehr Konzept, als man auf den ersten schweifenden Blick vermutet. Allen voran ist es Elizabeth, die englische Königstochter, die 1818 den Landgrafen Friedrich VI. heiratete und damit fernab des strengen englischen Hofprotokolls ihre neue Heimat im Hessischen eigenhändig und in Eigenregie gestalten konnte. Allerdings war da zuvor noch die kreative Karoline von Hessen-Homburg, Elisabeths Schwiegermutter, die drei Jahre später, 1821, zwar starb, aber zuvor, in der „vorelisabethanischen Zeit“, wie Vornholt diese Phase der Landschaftsgartengestaltung titulierte, der barocken Form huldigte. Einer strengen, geordneten Naturbegradigung, in der kein Grashalm wachsen sollte, wie er wollte, sondern alles der menschlichen Kontrolle unterzogen wurde.

Die unkonventionellere Elizabeth jedoch liebte das „wild gardening“. Alles durfte wachsen, sah so natürlich wie möglich aus und wurde höchstens sanft in Form gebracht. So drängte sich niemals der Eindruck auf, man sei umgeben von einer Landschaft, die von Wegen durchzogen oder gar von Gärtnerhand gebändigt werde. Dort, wo nun auch Goethes Ruh‘ zu finden ist, wird dies deutlich. Von dort aus fällt der Blick nämlich auf üppige Hortensienbüsche und direkt in die scheinbar wilden Pflanzungen hinein. Nicht die Weite, sondern das Gefühl, mitten im Grünen zu sein, in einer Welt der Pflanzen aufzugehen, soll sich einstellen. Und an anderer Stelle am Schlossteich ergeben sich Blickachsen, kleine optische Schneisen zwischen den Bäumen, die das Schloss oder den Weißen Turm freilegen. Die Vielfalt der Eindrücke, die verdeckten Wegen und das üppige Grün galten dem Rausch der Sinne. Es ging darum, einen Lusthain zu erschaffen.

Der enthusiastisch die Gegebenheiten beschreibende Vornholt schaffte es auf sehr anschauliche Art und Weise, die Philosophie der Schlossgärtnerei selbst dem unerfahrensten Städter nahezubringen. Und sein kleiner Zuhörerkreis hörte noch von den über 800 Zitruspflanzen, die einmal auf dem Schlossplatz in Kübeln verteilt herumstanden. Die Bestelllisten dafür und die vielen weiteren Großeinkäufe Elizabeths in Kew Garden seien erst vor Kurzem unter den alten Aufzeichnungen entdeckt worden, so Vornholt. Überhaupt ist für ihn das Hineindenken in die Ideen einzelner Epochen von großer Bedeutung: „Es gab keine so klare Struktur. Doch je mehr wir uns nun nach den alten Vorlagen richten, merken wir, dass alles hier einer organischen Struktur unterliegt und durchdacht ist. Dem wollen wir nachspüren und uns danach richten.“ Und wo hält er sich am liebsten auf im Park? Vornholt lacht kurz auf, denkt nach und gerät ins Schwärmen: „Wenn wir einen Weg neu nach alten Plänen anlegen und sich mir dadurch ein überraschender Blick in die Taunusberge eröffnet, versetzt mir das schon einen ganz schönen Kick.“

!Die nächste Führung durch den Park findet am Samstag, 5. September, um 14.30 Uhr statt. Kosten: zwölf Euro. Eine Anmeldung ist erforderlich, Telefon 06172-9262148 oder E-Mail an info[at]schloesser.hessen[dot]de.



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