Wenn die Hexe lacht, gruseln sich die Kinder

Nachdem sich Hänsel (r.) und Gretel (l.) im Wald verlaufen haben, finden sie Trost beim Sandmännchen. Foto: Semeras

Bad Homburg (hw). „Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald…“ Das berühmte Märchen der Brüder Grimm ist sicherlich jedem bekannt. Anders sieht es mit der darauf basierenden Oper von Engelbert Humperdinck aus. Diese wird in der evangelischen Gedächtniskirche in Kirdorf kindgerecht − basierend auf der Fassung von Jörg Fuhrmann − aufgeführt.

„Da kann ich aber nix seh’n“, moniert ein kleiner Junge bei der Sitzplatzsuche. Seine ältere Schwester meint lakonisch: „Dann setzen wir uns vorne einfach auf den Boden.“ Die beiden sind nicht die einzigen, die nah am Geschehen sein wollen. „Wir freuen uns, dass die Kirche voll ist“, meint Erzählerin Mareike Kipper während der kurzen Begrüßung. Gebannt lauschen die Kinder der nun folgenden Erzählung. Die Intonation Kippers lädt zum Zuhören ein, erinnert sie doch an klassische Märchenhörbücher. Schon zu Beginn gibt es in der Geschichte einige Abwandlungen. Hänsel und Gretel sind die Kinder eines Besenbinders, der gegenwärtig keinen beruflichen Erfolg verzeichnen kann. Doch die Not trübt die Lebensfreude der Kinder nicht. An dieser Stelle betreten Lotte Fiebig als Hänsel sowie Caroline Jacob als Gretel die Bühne, um das erste Lied anzustimmen. Die (Mezzo-)Sopranistinnen bestechen durch ihre stimmliche Harmonie. Klar erklingt C. Jacob, während Fiebigs Stimme voller erscheint. Doch dadurch ist sie schwerer zu verstehen. Der Text leidet unter der Akustik, dies ist auch der Lautstärke der Orgel geschuldet.

Voluminöse Stimme

Dieses Problem hat Oliver Hartstack, der den Vater spielt, nicht. Voluminös und sympathisch tönt das „Ra-la-la-la, ra-la-la-la, heißa Mutter, ich bin da! Bringe Glück und Gloria!“ des Bariton durch die Kirche. Während der Vater im Originalstück auf Grund eines erfolgreichen Arbeitstages angetrunken ist, begnügt man sich bei dieser Vorführung selbstverständlich mit der Darstellung seiner Freude. Diese wird jedoch getrübt, als er entdeckt, dass die Kinder nicht zu Hause sind. Anders als im Märchen wurden Hänsel und Gretel von der Mutter zum Beerensammeln geschickt. Da die Geschwister noch nicht zurück sind, machen sich die Eltern voller Angst auf die Suche. Denn es ist bekannt, dass am Ilsenstein die böse Hexe lebt, die Kinder anlockt, um sie in Lebkuchen zu verwandeln und zu verzehren. Tatsächlich haben sich die Kinder verirrt.

Ausdrucksstarke Hexe

Als es Nacht wird, erscheint ihnen das Sandmännchen, das ihnen Mut zuspricht. In dieser Rolle ist Antonia Jacob zu sehen, deren Stärke mit ihrem kraftvollen Sopran vor allem die hohen Töne sind. Ebenso spielt sie die Hexe. Vor diesem Auftritt herrscht erwartungsvolle Spannung im Raum. Einige Kinder drängt es weiter nach vorne. Doch obwohl sich Antonia Jacob als böse Hexe ausdrucksstark gibt und sogar von einem hohen Ton mühelos in ein hexenhaftes Lachen übergeht, kann dies die minimalistische Inszenierung nur etwas aufwerten.

Denn die schlichten schwarzen Kostüme der Darstellerinnen bieten für Kinder kaum einen optischen Anreiz. Vor allem Fiebig, in einem figurbetontem Longsleeve, erscheint wenig jungenhaft. Zudem leidet der schauspielerische Aspekt stark darunter, dass alle Beteiligten mit ihrer Notenmappe auftreten. So auch beim Begutachten des Lebkuchenhauses. Hänsel und Gretel stehen vor der Kanzel, an der ein künstliches Lebkuchenherz mit der Aufschrift „Süßes Heim − Glück allein“ hängt. Abgesehen von der sicherlich unbeabsichtigten Symbolik, reicht dies als Kulisse nicht aus, um das Publikum zu fesseln. Zwar hören viele Kinder aufmerksam zu, aber es entsteht eine latente Unruhe, die immer wieder ab- und zunimmt.

Außer beim großen Finale, als alle Darsteller zusammen mit dem Kinderchor der Gedächtniskirche das letzte Lied anstimmen. Laut ertönt die Orgel im Kirchenraum, festlich erscheint dieser Abschluss. Nicht zuletzt durch die durchweg professionelle Leistung von Organistin Karin Giel, die beim Schlussapplaus besonders gewürdigt wird.

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