Bad Soden (aks) – Das anspruchsvolle und sehr unterhaltsame Musikprogramm der Mendelssohn Tage mit einem Event im Kino, mit Konzerten in der evangelischen und der katholischen Kirche sowie im H+ Hotel, dazu ein eigenes Kinderkonzert und eine Stadtführung forderte von allen Beteiligten Höchstleistung. Nicht nur die Künstler vollbrachten echte Meisterleistungen, sondern auch Jürgen Frei und Sabine Schaan von der Bad Sodener Musikstiftung und Claudia Neumann von der Stadt Bad Soden mit ihren Helferinnen und Helfern.
Über Monate waren sie gefordert mit der Organisation und Realisierung der vielfältigen Konzerte an verschiedenen Orten. Heraus kam ein Musik-Festival der Extra-Klasse mit beliebten und international renommierten Musiktalenten und einem anspruchsvollen facettenreichen Programm, das viele zu einem Konzertbesuch verführte. Sogar an die ganz Kleinen hat man gedacht – beim Kinderkonzert im evangelischen Gemeindesaal an diesem Donnerstag mit Christoph Gotthardt am Klavier, der ganz besonders spannende Geschichten erzählen und musikalisch untermalen kann.
Das Kammerkonzert
In bewegten Zeiten einen Raum der Stille zu betreten tat gut. Innehalten, vielleicht auch für sich ein Gebet zu sprechen, abseits der tösenden Nachrichten und schrillen Diskurse. Die evangelische Kirche am Quellenpark schien für das Kammerkonzert am Sonntag, 29. Oktober, der perfekte Ort zu sein. Das Bläser-Quintett „Ensemble Fantastique“ überraschte die Zuhörer mit einem spannenden Konzertformat der Extra-Klasse mit manch unbekannten Kompositionen, mit der die Bläser ihre Virtuosität und vor allem einen langen Atem bewiesen. Bürgermeister Frank Blasch bedankte sich in seiner Ansprache bei Pfarrer Andreas Heidrich für das Zurverfügungstellen des „schönen Gotteshauses“ und freute sich auf ein Konzert, das „eher keine klassische Musik“ darbot.
Der erste Teil beinhaltete ein Divertimento von Joseph Haydn, widmete sich aber auch den Komponisten des 20. Jahrhunderts wie Jacques Ibert, Alexander von Zemlinsky und Paul Hindemith. Erst ab 1818 emanzipierten sich die Bläser, so erklärte es die Fagottistin Ursula Kramer: Nach dem Ersten Weltkrieg wollten viele Künstler weg vom „romantischen Schnulz“ und zu etwas Neuem aufbrechen. Eigene Farben als Zeichen des Aufbruchs, das brachten die Bläser wunderbar zum Ausdruck. Paul Hindemith galt nach dem Krieg als „Bilderstürmer“ und (musikalischer) „Bürgerschreck“. Seine „Kleine Kammermusik für Bläser“, in der er die Sätze „ironisch“ umbenannte in „lustig“, „schnelle Viertel“ und „sehr lebhaft“, klang eindringlich, beschwörend und betörend unter Einsatz der Piccolo-Flöte im Wechsel mit der Querflöte: Flötenklänge mit intensiver Strahlkraft bis in die letzten voll besetzten Kirchenbänke.
Nach der Pause mit Glühwein und Tee wurden das 18. Jahrhundert mit Mozart und das 19. Jahrhundert mit Jacques Ibert, Edvard Grieg, Georges Bizet, Johann Strauss zu einem Rundum-Ohrenschmaus. Besonders fordernd Gioachino Rossinis blitzschnelle Staccato-Ouvertüre des „Barbier von Sevilla“ sowie die Carmen-Suite in diversen Tempi und Stimmungen. Als passende Zugabe im Rahmen der Mendelssohn Tage endete das Konzert mit einem Scherzo aus „Ein Sommernachtstraum“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Das Publikum geriet immer stärker in den Sog der fünf Ausnahme-Musiker, die diese Tour de Force mit einem Lächeln bewältigten.
Das Kirchenkonzert
Trotz düsteren Novemberwetters füllte sich die hell erleuchtete Katharinenkirche in der Bad Sodener Salinenstraße am Abend des 5. November schnell. Viele Besucherinnen und Besucher des Kirchenkonzerts in der katholischen Kirche waren dankbar für Glühwein und Tee, die Sabine Schaan von der Bad Sodener Musikstiftung mit ihren Helferinnen gleich am Eingang austeilte.
Gabriel Faurés Requiem, das der französische Komponist als „von sanftem Charakter so wie ich selbst“ beschrieben hat, erfüllte die Kirche mit eher leisen, innigen Tönen. Bewusst hat der französische Komponist auf Schreckensszenarien und Endzeitstimmung verzichtet, wie das beispielsweise in Mozarts Requiem der Fall ist. Fauré sah den Tod nicht als Lebensende, sondern als Aufbruch in ein neues Paradies. Am Ende wird die Seele im Paradies – „in paradisum“ – den Engeln übergeben, was für eine wunderbare Vorstellung!
Und so lag die Kunst des Orchesters und des Chors der Johanniskirche Kronberg in den kleinen, eleganten Gesten und Tönen, die Dekanatskantor Bernhard Zosel allen Künstlern meisterhaft entlockte. Konzertmeisterin Laura Zarina erweckte mit ihrem Geigensolo im „Sanctus“, Zosels „Lieblingsstück“, das er am Ende als Zugabe spielen ließ, stille Wehmut.
Der Bariton Sebastian Geyer, langjähriges Ensemblemitglied der Oper Frankfurt, und Caroline Melzer mit ihrem klaren, alles überstrahlenden Sopran meisterten ihre Einsätze. Melzer beherrschte die Koloraturen in Händels prunkvollem Psalm 112 „Laudate pueri“ mit Leichtigkeit und Grazie – und mit einem bezaubernden Lächeln im Gesicht.
Brahms „Geistliches Lied op. 30“ von 1864 in der Orchesterfassung von Bernhard Zosel war ein weiterer musikalischer Höhepunkt an diesem Sonntagabend, der die vielen Facetten des Chors der Johanniskirche zum Klingen brachte. Als krönender Abschluss jubelte der Chor Edward Elgars „Great is the Lord“, 1912 in der Westminster Abbey uraufgeführt, mit dem vollen Klang des Orchesters. Spätestens dann waren die Zuschauer angesteckt von einem Feuer, das die Kraft des Glaubens hervorbringt, und von herrlicher Musik, die diese Novembernacht magisch aufhellte. Das „Amen“, das hebräische Wort für „So sei es“, setzte einen würdigen Schlusspunkt.
Das Kirchenkonzert war ein Höhepunkt der 18. Mendelssohn Tage, der die Katharina-Kirche in besonderen Glanz hüllte, der versammelten Gemeinde Trost spendete in der dunklen Jahreszeit sowie einen kleinen Vorgeschmack und viel Vorfreude auf Weihnachten schenkte.
Auf Mendelssohns Spuren
Am Nachmittag vor dem Kirchenkonzert konnte man mit Stadtführer Richard Sippl auf Mendelssohns Spuren wandeln, der sich 1844 und 1845 für mehrere Wochen als Kurgast in Soden aufgehalten hat. Bei beiden Aufenthalten wohnte er mit seiner Frau, den Kindern sowie den mitgebrachten Hausangestellten in der Kurpension Nassovia an der Königsteiner Straße, in der heute das Restaurant Casa Mendelssohn italienisches Essen bietet. Die ganze Familie erholte sich schnell in Soden, abseits von anstrengenden Konzerten. Der Komponist bekam neue Kraft für sein musikalisches Schaffen. Er schrieb: „Alsdann lege ich mich wieder unter die Äpfelbäume… Ach, wenn es doch immer so bliebe!“ Aus dieser glücklichen Zeit gibt es viele Zeichnungen von Mendelssohn. Sippl erwanderte die Entstehungsorte der Zeichnungen in der Gruppe bis hoch nach Neuenhain.
„Bekenntnisse“ zum Abschluss
Den Abschluss finden die Mendelssohn Tage am Samstag, 11. November, um 19.30 Uhr mit einem besonderen Konzert im H+ Hotel. Dargeboten werden „Bekenntnisse der Frau Schnaps – Beethovens Haushälterin packt aus“. Frau Schnaps bietet überraschende Einblicke in Beethovens Leben, bereichert durch die Musik ihres „Chefs“, dargeboten vom Haydn-Ensemble Wiesbaden.
Mehr Infos: www.musikstiftung.de