„Becher-Schule“ und Naturgeschichte in der Stadtgalerie

In der Ausstellung präsentieren sieben Fotografen aus der sogenannten „Becher-Schule“ ihre Arbeiten, in denen sie die Idee der Naturgeschichte und die Ankunft der Menschen im Anthropozän problematisieren. Foto: Scholl

Bad Soden (bs/Sc) – In der aktuellen Fotokunst-Ausstellung der Stadtgalerie im Badehaus Bad Soden präsentieren sieben Fotografen aus der sogenannten „Becher-Schule“ von Hilla und Bernd Becher ihre Arbeiten, in denen sie die Idee der Naturgeschichte und die Ankunft des Menschen im Anthropozän problematisieren. Die Künstlergruppe verdankt ihren Namen dem Ehepaar Becher, das die bekannte Düsseldorfer Fotoschule in den späten 70er Jahren gründete. Sie erwarben mit ihren Schwarz-Weiß-Fotografien von Industriebauten wie Fördertürmen, Hochöfen, Kohlebunkern und Fabrikhallen internationale Anerkennung.

Die Ausstellung zeigt aktuell die Arbeiten von sieben Fotografen aus dem Umfeld eben jener berühmten Fotokunst-Schule und wagt sich an eine Deutung ihrer fotografischen Werke. Die Fotografien stehen unter dem Titel „Ankunft im Anthropozän“ und beschreiben den Einfluss des Menschen auf die Natur und ihre Landschaften. Damit gemeint ist, dass wir gegenwärtig in ein Zeitalter eintreten, in dem der Mensch zum wichtigsten Einflussfaktor auf die Erde geworden ist. Ob im Ruhrgebiet, in Island, in unserer Nachbarschaft, im Indianerreservat oder in Sibirien: Auch die zweite Generation der „Becher-Schule“ bleibt der dokumentarischen Tradition treu und zeigt die Spuren, die wir Menschen durch unsere Zivilisation und Lebensweise hinterlassen.

Die in der Ausstellung vertretenen Künstler Marianne Kapfer, Susanne Brodhage, Laurenz Berges, Götz Diergarten, Matthias Koch, Max Becher und Andrea Robins befassen sich auf sehr unterschiedliche Weise mit dem Grundthema, was die Ausstellung sehr abwechslungsreich und interessant macht. Susanne Brodhage beispielsweise nähert sich dem Thema, indem sie Landschaften in Island betrachtet. Die Kargheit der Umgebung, die raue Natur, schmelzende Eisberge und die Bildgewalt großer Felsformationen lassen den Betrachter mit einem seltsamen Gefühl der Vergänglichkeit zurück. Die vegetationslosen, zerklüfteten Landschaften eröffnen ihm einen Einblick in die Erdgeschichte, die nur an wenigen Orten dieser Erde möglich ist. Wo die Natur den Menschen ausschließt, versucht dieser trotzdem, Teil derselben zu werden und erschließt sie oft touristisch, wobei er unvermeidbar Spuren hinterlässt. Das Hauptthema der Werke von Matthias Koch dagegen sind „Orte der Geschichte“, die er aus der Vogelperspektive betrachtet und dabei einen Blickwinkel einnimmt, der dem „normalen“ Betrachter verborgen bleibt. Er zeigt hauptsächlich Arbeiten, die sich mit der Demontage von Industrieanlagen befassen.

In seinen Fotografien dokumentiert er den Industrieabbruch alter Zechen und Bergbauunternehmen im Ruhrgebiet. Dass es sich dabei um zeitgeschichtlich relevante Kunstwerke handelt, erschließt sich mit dem Wissen, dass an den von ihm fotografierten Orten heute nichts mehr von den demontierten Industrieanlagen sichtbar ist. Sie sind verschwunden und haben neuen Bauten Platz gemacht. Götz Diergarten dagegen beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Form und der Farbe einzelner Bildsujets (beispielsweise Strandhäuser) und erarbeitet eine Typologie, die dem Betrachter auf ganz eigene Weise eine Auseinandersetzung mit Form und Farbe ermöglicht. Jeder Uniformität in der Bauweise wohnt auch eine individuelle Note der Farbgebung inne, sodass eine Reihe kleiner blau-weißer Strandhäuser vor der Kulisse alter, großer Stadthäuser wie ein Gesamtkunstwerk wirken. Kuratiert wurde die Ausstellung von Marianne Kapfer, die selbst mit einer Typologie vertreten ist. Ihre dokumentarischen Fotografien des Lebens in einer sibirischen Uran-Bergbausiedlung eröffnen einen Blick auf die Lebensweise der Menschen und ihren Kampf um das tägliche Dasein in einer unwirtlichen Umgebung.

Die Ausstellung gibt einen schönen und umfassenden Einblick in das Wirken der beteiligten Foto-Künstler. Dabei offenbart sie deren einzigartige Ansätze, ohne den Faden des Gesamtthemas zu verlieren. So unterschiedlich ihre Betrachtungsweisen auch sind, alle Künstler zeigen mit ihren Werken relativ schonungslos und sachlich, welchen Einfluss wir Menschen auf die Natur und unsere Lebensräume haben. Eine Ausstellung, die die Augen öffnen und durchaus nachdenklich stimmen kann.

Die Öffnungszeiten der Ausstellung sind mittwochs und samstags von 15 von 18 Uhr sowie sonntags von 14 von 18 Uhr. Besucher werden gebeten, die bekannten Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten und einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.



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