Bad Soden (aks) – Der ausverkaufte Konzert-Saal des Augustinums sprühte spürbar vor Vorfreude auf Annabel Hauk, die 25-jährige, in Bad Soden aufgewachsene und heute weltweit gefragte Cellistin, die sich seit Kindesbeinen auch der „Familie“ der Kronberg Academy zugehörig fühlt – die ihren Bachelor in Boston abschloss und am Mozarteum in Salzburg ihren Master macht. Für sie sei der Zauber des Konzerts einmalig, „eine mit Menschen direkt geteilte Spannung“ seien ihr lieber als die Klick-Erfolge im Internet, wie sie in einem Interview erzählte, auch wenn sie mit fast einer Million Klicks für ihre Cellosuite Nr. 6 in D-Dur von Bach zu den Shooting-Stars gehört.
Im Saal fliegen der sympathischen Künstlerin an diesem Sonntagnachmittag nicht Klicks, sondern die Herzen zu. Für sie sei es wie „nach Hause kommen“, und ihrem früheren Lehrer Erik Richter im Publikum winkt sie fröhlich zu: „Er hat mir so gute Tipps gegeben“. Die Geigenlehrerin ihrer Schwester ist die Konzertmeisterin an diesem Abend, beide freuen sich herzlich über die Chance, gemeinsam zu musizieren.
Das Konzert für Violoncello und Orchester von Anton Fils, ein Komponist der ganz frühen Klassik (1750) und Cellist der Mannheimer Hofkapelle, der zu den besten Musikern seiner Zeit gehörte, ist eine Entdeckung und Offenbarung. Hauks Spiel erhöht die Strahlkraft dieses musikalischen Juwels. Ihre innige Hingabe an die Musik, ihre ergriffene Mimik und der Klang ihres Cellos verführen zum Träumen und Sinnieren über den schnellen Lauf der Zeit, wehmütige Erinnerungen werden wach, und eben – die verlorenen Paradiese. Beim Hören der Musik fühlt man sich allerdings eher wie im Garten Eden, heiter gestimmt und froh.
Annabel Hauk wird mit tosendem Applaus bedacht, der gar nicht enden will. Sie bedankt sich mit einer besonderen Zugabe: Bachs Cellosuite Nr. 1. „Das habe ich mit sieben Jahren zum ersten Mal gespielt“, sagt’s und nimmt die Zuschauer mit auf eine herrliche Reise in ihre Vergangenheit. Dabei lauschen einige Orchestermitglieder ihrem schönen Spiel mit geschlossenen Augen.
Verlorene Paradiese als Mysterium werden in den „Nachklängen von Ossian“ spukhaft lebendig, vertont von Niels Wilhelm Gade 1840, Nachfolger Mendelssohns als Gewandhauskapellmeister in Leipzig. Dieses Stück machte ihn über Nacht berühmt. Der junge Dirigent Alexander Ebert, seit 2023 Künstlerischer Leiter der Gesellschaft der Musikfreunde, liest aus den ursprünglich alt-gälischen Heldenepen des „vermeintlichen Dichters“ Ossian und zieht das Publikum in einen Spannungsbogen aus Wort und Musik. Das Orchester ist auf Zack und folgt ihm mit unterschiedlichen Tonkreationen und Klangwechseln.
Beethovens Siebte Symphonie nach der Pause ist ein Ohrenschmaus mit berühmten, mitreißend schönen Sätzen, in denen getanzt und marschiert wird und ein stürmischer Drang nach vorne nicht zu überhören ist. Ebert, der am Abend zuvor mit dem Neuen musikalischen Forum Dresden noch im Casals Forum in Kronberg Schostakowitsch dirigierte, motiviert seine Musikerinnen und Musiker mit energischer Körpersprache und ausdrucksstarker Mimik zu Höchstleistungen. Das Laienorchester spielt in einem Schwung und mit präziser Harmonie. Die Pauken sorgen für triumphale Klänge, die Bläser für majestätisch-prunkvolle Stimmung, die Euphorie wirkt ansteckend.
Diese Symphonie entstand 1812 zu Zeiten der Befreiungskriege gegen Napoleon und zeitgleich mit „Wellingtons Sieg“. Beim Allegro con brio ist gefühlt kein Halten mehr, da prescht die Musik vorwärts mit Feuer, von Melancholie oder Trauer über vergangene Zeiten keine Spur – eher Vorfreude auf zukünftige Paradiese – ohne Unterdrücker und ohne Krieg!
Dr. Jürgen Frei verzichtete diesmal auf seine Rolle als Conférencier der 19. Mendelssohn Tage, die Zuschauer entdeckten ihn als Bratschisten unter den Streichern des Orchesters der Gesellschaft der Musikfreunde Bad Soden.
Das diesjährige Weihnachtskonzert mit Chor findet am 15. Dezember um 17 Uhr im H+Hotel statt.
Annabel Hauk ist das nächste Mal am 6. November in der Englischen Kirche in Bad Homburg zu erleben.