Sie wollen dem Jahrhunderthochwasser trotzen – Ortstermin am Rückhaltebecken in Neuenhain

Das Rückhaltebecken in Bad Soden-Neuenhain wird ausgebaut: Christian Seitz (re.), der Vorsteher des Abwasserverbandes Main-Taunus, und Christian Hielscher, der stellvertretende technische Geschäftsführer des Verbandes. Das niedergedrückte Gras zeigt den Wasserstand im Becken nach dem letzten Starkregen an. Foto: Tocha

Bad Soden (wto) – Dieses Ereignis gehört zu den dramatischen in der Bad Sodener Geschichte: Es war am 14. August 2020, als in den Stadtteilen Altenhain und Neuenhain ein heftiger Starkregen niederging. Die Kanalisation konnte dem nicht standhalten, es kam zu Überflutungen, Keller und Liegenschaften liefen voll. Die Wassermassen strömten talabwärts durch das Stadtzentrum und richteten in der Kernstadt, obwohl es dort nicht gleichermaßen stark geregnet hatte, große Schäden an.

Spätestens diese Naturkatastrophe, die in den Köpfen bis heute präsent ist, hat die Notwendigkeit unterstrichen, stärker vorzubeugen. „Hochwasserschutz ist ein Thema von höchster Priorität. Die Auswirkungen des Klimawandels und die häufiger werdenden Starkregen- und Hochwasserereignisse zeigen, dass wir mit Blick in die Zukunft kontinuierlich planen und handeln müssen“, sagt der Bad Sodener Bürgermeister Frank Blasch.

Dabei ist klar: Diese Aufgabe kann eine Kommune nicht allein bewältigen. Und klar ist auch: Das Sankt-Florians-Prinzip löst keine Probleme. „Hochwasserschutz ist eine solidarische Aufgabe“, sagt Kriftels Bürgermeister Christian Seitz. „Wenn eine Gemeinde hohe Mauern an Bäche und Fließgewässer bauen würde, bekämen die Unterlieger die Wassermassen dann um so heftiger ab. Wir können Starkregen nicht verhindern, aber wir können uns besser vor Hochwasserereignissen schützen, wenn wir das gemeinsam tun. Die Probleme müssen im Verbund gelöst werden.“

Seitz weiß, wovon er spricht: Er ist Vorsteher des Abwasserverbandes Main-Taunus, eines kommunalen Zweckverbandes mit 13 Mitgliedskommunen und mit Sitz in Hofheim. Der vorbeugende Hochwasserschutz gewinnt als Verbandsauftrag immer mehr an Bedeutung. Das Verbandsgebiet reicht dabei über die Grenzen des Main-Taunus-Kreises hinaus, genauso wie Fließgewässer über die Grenzen des Kreises hinausgehen.

Was der Verband plant

Bei einem Ortstermin am Hochwasser-Rückhaltebecken am Niederdorfsbach, einem Zufluss des Sulzbachs in Bad Soden-Neuenhain, sind die Planungen des Verbandes unlängst genauer erläutert worden. Der Verband will in den kommenden Jahren an acht Standorten im Verbandsgebiet Hochwasserrückhaltebecken anlegen oder auszubauen, und zwar in den Einzugsgebieten des Sulzbachs, des Liederbachs und des Schwarzbachs. Für die Maßnahmen sind rund 23 Millionen Euro veranschlagt, die vom Abwasserverband getragen werden.

Die Hochwasser-Rückhaltemaßnahmen im Einzugsgebiet des Sulzbachs betreffen Bad Soden unmittelbar. Dabei soll das Becken am Niederdorfsbach ausgebaut werden. Die Vergrößerung des Beckens, das im Jahr 1990 gebaut worden ist, sich aber als zu klein erwiesen hat, gehört zu den prioritären Maßnahmen des Verbandes und zu den vier Projekten, die in der ersten Ausbauphase in den Jahren 2024/2025 umgesetzt werden sollen. Sie haben eine Größenordnung von 12 Millionen Euro. In einer zweiten Ausbauphase folgen dann weitere vier Maßnahmen, und dazu soll dann auch der Neubau eines Rückhaltebeckens im Altenhainer Tal gehören.

Bei dem Ortstermin in Neuenhain sind unlängst Einzelheiten genannt worden; neben den Bürgermeistern Frank Blasch und Christian Seitz sowie den Fachleuten vom Abwasserverband ist auch der Landrat des Main-Taunus-Kreises, Michael Cyriax, mit dabei. Auch er unterstreicht, wie wichtig es angesichts der Zunahme von Starkregenereignissen ist, dass der Verband handelt. „Wir müssen resilienter, widerstandsfähiger werden.“

Höherer Schutzstandard

Der stellvertretende technische Geschäftsführer des Abwasserbandes Main Taunus, der Ingenieur Christian Hielscher, erläutert vor Ort, dass das Volumen des Beckens am Niederdorfsbach durch den Ausbau mehr als verdoppelt wird: von jetzt 8.100 auf 19.100 Kubikmeter. „Dadurch“, so Hielscher, „wird der Schutzstandard deutlich erhöht. Wir können im Bereich des Sulzbachs HQ 100 realisieren.“ Das Kürzel HQ 100 steht dabei für ein Jahrhunderthochwasser, also für ein Ereignis, das im statistischen Mittel alle hundert Jahre einmal vorkommt.

„Das Rückhaltebecken verfügt über einen Drosselbetrieb“, erklärt Hielscher, „damit es im Unterlauf des Niederdorfsbachs nicht zur Überflutung kommt.“ Bis zu 750 Liter Wasser pro Sekunde ist die Menge, die die Röhre am Beckenabfluss aufnehmen kann. Steigt die Menge durch starken Regen an, wird gedrosselt, und der Wasserstand im Becken steigt. Hielscher: „Am Volumen der Drosselung wird durch den Ausbau nichts geändert.“ Denn die abwärts abfließende Wassermenge kann nicht einfach vergrößert werden. „Das würde die Abflusskapazitäten des Niederdorfsbaches und dann des Sulzbachs überfordern.“ Was vergrößert wird und wodurch der Schutz besser wird, ist das Volumen des Beckens.

Vollständige Sicherheit gibt es nicht

Die Hochwasser-Schutzmaßnahme am Niederdorfsbach betrifft Bad Soden unmittelbar, aber mittelbar auch andere Kommunen – sie ist ein Beispiel dafür, dass beim Hochwasserschutz immer über die Ortsgrenzen hinaus gedacht werden muss. Hielscher: „Durch die Schutzmaßnahmen in Bad Soden profitieren auch die unterhalb liegenden Orte, also Sulzbach und in geringerem Maß auch Frankfurt. Das Rückhaltebecken am Niederdorfsbach gehört zu den kleineren. Die Kosten für den Ausbau sind mit 2,5 Millionen Euro veranschlagt. Die Baukosten für das im Altenhainer Tal vorgesehene Hochwasserrückhaltebecken liegen bei 1,7 Millionen Euro.

Insgesamt plant der Verband bei seinen Maßnahmen ein Rückhaltevolumen von 400.000 m3. Das größte Becken wird die gewaltige Menge von 220.000 Kubikmetern Wasser aufnehmen können. Das sind bedeutsame Maßnahmen – Verbandsvorsteher Seitz weist bewusst aber auch auf ihre Grenzen hin. „Neben dem Schutz durch Maßnahmen von Kommunen ist auch immer ein Eigenschutz vor den Gefahren von Hochwasser und Starkregen notwendig. Eine vollständige Sicherheit vor solchen extremen Wetterereignissen wird es am Ende nicht geben können.“



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