Die Unterführung in der Verlängerung der Hanny-Franke-Anlage gibt einen Überblick über das breite politische Spektrum der Eschborner Sprayer.Foto: Steiner
ORT:
Eschborn (us). „Wir stellen in einem erhöhten Maße fest, dass sich junge Menschen radikalisieren“, sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) dieser Tage in einem Interview den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Gewaltbereitschaft wachse stark in der rechtsextremen Szene, aber auch bei Linksextremisten und jungen Islamisten. In Eschborn wird der Extremismus zurzeit vor allem mit Spraydosen ausgetragen.
Eigentlich ist es ein Vorteil, dass diejenigen in Eschborn, die politisch-extremistisch aktiv sind, ihre Haltung nicht verstecken, sondern öffentlich dokumentieren, in Form von Graffiti, Schmierereien und Aufkleberaktionen. Alexander Dobrindt sieht bei der Vorbeugung von politisch motivierter Gewalt die Menschen und Institutionen vor Ort in der Verantwortung. „Aufklärung gegen diese extreme Propaganda können vor allem Netzwerke vor Ort in den Städten und Kommunen leisten, etwa an Schulen, in Vereinen oder Jugendtreffs.“
In Eschborn wird aus allen möglichen politischen Richtungen gesprüht. Rechtsextreme machen genauso Stimmung wie die linke „Antifa“, die gerne auch mal die Wohnadressen der politischen Gegner besprüht. Häufig zu finden waren zuletzt handfeste antisemitische und israel-feindliche Tags. Wer einen Spaziergang durch die Straßenunterführungen in der Verlängerung der Hanny-Franke-Anlage macht, der kann an den Wänden links und rechts in allen Variationen „nachlesen“, was der politische Extremismus am Westerbach in Bezug auf Gesellschaft und sozialem Zusammenhalt „zu bieten“ hat.
Wäre das der einzige Ort, der die extremistische Bandbreite ausdrückt, dann könnte man das Thema mit wenigen Eimern Farbe beheben. Aber vom Südbahnhof bis zur Gemarkungsgrenze nach Kronberg sind die Schmierereien an Laternenmasten, Schildern und Wänden zu finden. Ab und zu wechselnd, wenn wieder eine Überklebaktion der politischen Gegenseite stattgefunden hat.
Kurz vor dem Radrennen am 1. Mai tobten sich Unbekannte in der Tiefgarage unter dem Rathausplatz aus, der dieses Mal als Start für die Profis diente. Die Kernbotschaft war „Free Gaza“, auch ein Pkw wurde damit besprüht. Um den internationalen Sportlern, Gästen und Pressevertretern keinen „falschen“ Eindruck von Eschborn zu vermitteln, musste schnell Farbe zum Überstreichen her.
Einen Erfolg gegen die Sprayer konnte die Polizei wie berichtet vor gut zwei Wochen melden: Am 26. Mai rief ein aufmerksamer Bürger die Beamten, als er kurz nach 22 Uhr drei Sprayer in der Gemarkung „In der Wolfslach“ entdeckte. Die drei männlichen 20- und 21-jährigen Tatverdächtigen verteilten auf der Straße durch die Felder und auf den Andreaskreuzen am Bahnübergang an der Homburger Eisenbahn ihre „Kunstwerke“ – allerdings harmlos im Vergleich zu dem, was im Eschborner Stadtgebiet und den Grünbereichen seit rund drei Jahren sonst zu finden ist.
Die Polizei hält sich mit ihrem Ermittlungsstand bedeckt. Bearbeitet werden Straftaten wie Volksverhetzung vom Staatsschutzkommissariat in der Regionalen Kriminalinspektion in Sulzbach. „Derzeit gibt es keine konkreten Hinweise, dass die Schmierereien oder Klebeaktionen nur von einer Tätergruppierung ausgehen“, ist als einzige Antwort zu entlocken.
Der Bundesinnenminister sieht bei den Menschen in den Institutionen vor Ort „die beste Sensorik dafür, wenn sich ein Jugendlicher radikalisiert. Und sie haben im besten Fall den direktesten Einfluss auf die Person“.
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An vielen Stromkästen und Verkehrsschildern in Eschborn sind auch antisemitische Sprüche zu finden. Foto: Steiner