Wo keine Biene leben kann, fängt die moderne Wüste an

Eschborn (ew). Reinhard Birkert, selbst im Obst- und Gartenbauverein Niederhöchstadt, berichtet über die enge Wechselbeziehung zwischen Obstbau und Bienenhaltung:

Die Biene spielt in der Ökologie eine immens wichtige Rolle. Die Bienenhaltung leistet mit der Honigproduktion und der Bestäubung von Nutzpflanzen einen großen Beitrag zur landwirtschaftlichen Wertschöpfung.

Als weitaus wichtigstes Betäubungsinsekt wird von der Biene im Obst- und Gemüseanbau, in der Saatguterzeugung und im Gartenbau ein Wert geschaffen, der den Erlös an Honig und Wachs um das 15-fache übersteigen kann. Die ökologische Bedeutung für die 800 heimischen wildwachsenden Blütenpflanzen, die wieder Nahrungsgrundlage von vielen Vögeln und Wildtieren sind, ist nicht zu beziffern.

In einer Studie der Universität Bayreuth wurde nachgewiesen, dass 87 von 115 der weltweit wichtigsten Obst-, Gemüse-, Gewürz-, Öl - und Genusspflanzen von Bestäubern profitieren, meistens von Bienen und Hummeln. Schätzungsweise 35 Prozent der Produktion von Kulturpflanzen hängen direkt oder indirekt von Bestäubern ab.

Weit größer als der wirtschaftliche Wert des Honigs muss man den Wert der Bestäubung einordnen. In jedem Glas Honig stecken etwa 75 Millionen bestäubte Blüten.

Bienen sind zur Obstbaumbestäubung wichtig. Wenn die Bienen zur Bestäubung fehlen, würde es besonders den Obstbau treffen. Aber auch in Ackerfrüchten, wie vor allem Raps, Sonnenblumen oder Klee zur Saatgutvermehrung, sorgen die Bienen für eine gleichmäßige und schnelle Bestäubung. Ohne Bienen – Wildbienen, Honigbienen und Hummeln – würden beispielsweise nicht nur weniger Äpfel geerntet, sondern auch die Qualität würde abnehmen. Denn die Insekten sorgen für eine gleichmäßige Bestäubung und somit für das richtige Auswachsen der Äpfel. Wird die fünfzählige Apfelblüte gleichmäßig befruchtet, so wächst die Frucht auch schön rund.

Norbert Remsperger hat Reinhard Birkert von seinem Urgroßvater Johann Friedrich Wilhelm Michel – kurz „Hansmichel“ – ein sehr spannendes Dokument aus dem Jahre 1943 gegeben. Im Mittelpunkt steht die Bienenzucht und die Veränderungen in der Landwirtschaft.

Zu Beginn schreibt er:

„Da ein großer Teil der Obstzüchter immer noch zweifelt an der Notwendigkeit der Bienenzucht für den Obst- und Samenbau, so will ich meine Erfahrung im Obstbau ohne und dieselben mit Bienen bekannt geben.“

Seine Erfahrung: „In den Jahren vor und nach 1930 beschickte... die Gnossenschaft alle größeren Ausstellungen und Messen, um das Taunusobst überall bekannt zu machen. Jetzt fällt es nun immer sehr schwer, ein paar Pfund gleichmäßiog entwickelte Früchte zusammen ubringen…“. Auf die Frage „Woran liegt das?“ wurden viele Antworten genannt. „Wenn man sagte ‚Wir haben zu wenig Bienen‘, so wurde das als billiger Scherz mit einem mitleidigen Lächeln quittiert, als sei man nicht mehr ganz dicht.“

1943 gab es in Eschborn nur noch 12 Bienenvölker, aber 12 000 tragfähige Obstbäume.Was war der Grund für den Rückgang der Bienenvölker?

„Um 1900 gab es über 100 Völker in Eschborn. Überall waren blühende Kräuter und Unkräuter, welche den Bienen Nahrung boten. Kurz vor und nach dem ersten Weltkrieg wurde das anders. Die Landwirtschaft hatte den Kampf gegen das Unkraut aufgenommen, es wurde gehackt, gejätet und gespritzt. Hecken und Sträucher wurden ausgerodet, Klee und Gras wurden vor der Blüte gemäht. Durch die starke Bodenbearbeitung sind viele Hummeln so gut wie verschwunden. Die Folge war, dass der einzelne Baum vier Wochen und noch länger blühte. Denn es waren ja keine Insekten oder nur ganz wenige noch vorhanden. Der Behang war mäßig und ebenfalls ein Entwicklungsunterschied von drei bis vier Wochen.“

„Daraus ergibt sich, dass der Obstbauer unter allen Umständen die örtliche Bienenzucht fördern muss. Der Obstbau wird nicht gefördert, wenn der einzelne jährlich 100 und noch mehr Bäume pflanzt, es muss auch für die nötigen Bienen gesorgt werden“, so Hansmichel 1943.



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