Einladung zur Sinnsuche im eigenen Leben

Friedrichsdorf (fch). Kabarettist Stefan Waghubinger steht für geschliffene Worte, die leicht wie eine Feder von der Bühne ins Publikum wehen. Fasziniert von seiner brillanten Formulierungskunst und seinem Wortwitz zeigte sich das Friedrichsdorfer Publikum im Sportpark. Gebannt lauschten die Friedrichsdorfer seinen pointierten Beobachtungen, seinem Genörgel, Selbstmitleid und seiner immer wieder aufblitzenden, romantisch angehauchten Ironie.

Der gebürtige Steyrer (Oberösterreich) präsentierte bei der Sommerbrücke sein drittes Soloprogramm „Jetzt hätten die guten Tage kommen können“. Die Bühne gleicht dem Dachboden der Garage seiner Eltern. Dort hat der frischgebackene Single seine Habseligkeiten zwischengelagert. Während er auf seine restlichen Kartons nebst Umzugshelfer Wolfgang wartet, hat er Zeit, sich umzuschauen. Er stöbert in den Dingen, die sich dort angesammelt haben, zu denen außer zerbrochenen Blumentöpfen auch ausrangierte Hamsterkäfige gehören.

Bei der Suche nach einer leeren Schachtel werden Erinnerungen wachgerufen. An seine kleinbürgerliche Kindheit, die Sinnlosigkeit vieler Konventionen, Regeln und Glaubenssätze und die gescheiterte Beziehung zu seiner Ex-Frau. Dabei findet er den, der er mal war, den, der er mal werden wollte und den, der er ist. Es plauderte über verpasste Chancen, spricht über Evolution und Zufall, um diese an seinem Nachbarn zu verdeutlichen, kommt von seiner Ehekrise zu den globalen Krisenherden, schlägt gekonnt einen Bogen vom Privaten zum Politischen. Und bemüht sich redlich, seine Midlife-Crisis in den Griff zu bekommen. „Plötzlich hat man keinen Boden mehr unter den Füßen, und dann hat man Angst ohne Grund.“

Stefan Waghubinger präsentiert sich als Versager auf allen Gebieten, in der Arbeit wie in der Liebe. Theologe Waghubinger verdeutlichte seinem Sohn, dass „Hamsterkäufe“ mit Weihnachten nichts zu tun haben, da die Tiere nur zwei Jahre lebten. Der stellvertretend offerierte Handyvertrag wird dankend angenommen. Und in den freigewordenen Hamsterkäfig zieht die Heilige Familie samt Schoko-Nikolaus ein. „Weihnachten ist nur für kleine Kinder schön“, lautet die These des Wahl-Stuttgarters. Um diese Aussage gleich wieder zu relativieren. Als er ein kleiner Junge war, war das Fernsehen zwar noch schwarzweiß, aber TV-Helden dienten ihm als Vorbilder. Und so hatte sich der kleine Stefan an Weihnachten ein Captain-Kirk-Outfit gewünscht. „Und dann kam die Bescherung“, erinnerte er sich an den glücklichsten Moment seiner Kindheit, der verpuffte, als er in den Badezimmerspiegel sah. „Du gehst als Captain Kirk ins Badezimmer und siehst im Spiegel Biene Maja. Da träumst du von den unendlichen Weiten des Weltalls und steckst in einer zu engen, kratzigen Strickjacke.“ Dank dieser wusste er zumindest beim anschließenden Gottesdienstbesuch, wie sich das auf dem Stroh liegende Jesuskind fühlen musste.

Keine Luft mehr

Zur Bilanz seines bisherigen Lebens gehört auch die über seine Ehe. „Fünf Jahre ist es jetzt her, dass es in unserer Beziehung begonnen hat zu kriseln. Wie ich es dann gemerkt habe, das ist jetzt auch schon wieder fast ein Jahr her. Sie hat gesagt, sie kriegt keine Luft mehr, es ist ihr zu eng in der Beziehung. Da habe ich gesagt: Na gut, vielleicht brauchen wir mehr Nähe. Dann hat sie gesagt, ja, sie bräuchte schon mehr Nähe, aber zu Dingen, die von mir weiter weg sind.“ Dabei waren die Anfänge vielversprechend, obwohl aus heutiger Sicht „auch da schon irgendetwas schieflief“ als sie „mit dem Fahrrad runter nach Italien sind. Über die Alpen drüber, die Serpentinen hoch und wieder runter. Das Fahrrad immer hinten auf dem Autogepäckträger.“

Er hätte nicht das Rad aus Angst vor Diebstahl mit ins Zimmer nehmen sollen und mehr Begeisterung über einen von ihr am Sternenhimmel für ihn ausgesuchten Stern aufbringen sollen. „Das ist so, wenn man sich an schöne Dinge erinnert, dann wird man traurig. Zum Glück haben wir nicht allzu viele schöne Dinge gemeinsam. Es ist gut, wenn man nicht zu viele schöne Dinge erlebt, dann ist man hinterher nicht so traurig.“

Stefan Waghubinger hat Erfahrungen gemacht und hegt trotzdem immer wieder falsche Erwartungen ans Leben. „Ich hab’ das oft, das ist ganz komisch. Ich hab’ das ganz oft: Ich weiß oft vorher schon, was passiert. Und dann kommt es doch anders“, lautet seine während der Sinnsuche gewonnene Erkenntnis.

Stefan Waghubinger ist mit seinem Programm „Jetzt hätten die guten Tage kommen können“ Gast bei der Sommerbrücke. Foto: fch



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