Kreative Begegnung ist nicht durch Online-Projekte ersetzbar

Tony El-Haddad, Geschäftsführer von Garniers Keller, steht Corona bedingt vor leeren Stühlen. Er hofft, dass sich dies bald wieder ändert. Foto: Privat

Friedrichsdorf (ba). Das kulturelle Leben Friedrichsdorf mit seinem reichhaltigen Angebot an Konzerten, Theater, Kabarett, Lesungen, Vorträgen und Shows ist zum Erliegen gekommen. Viele Künstler, Kreative, Veranstalter, Autoren und andere Kulturschaffende können nicht wie gewohnt arbeiten und stehen vor großen Herausforderungen. Anthony El-Haddad führt seit über 20 Jahren Garniers Keller in Friedrichsdorf. Die beliebte Kleinkunstbühne in dem historischen Gewölbekeller bietet Kabarett, Konzerte, Lesungen und Tanzveranstaltungen. Wegen der Corona-Beschränkungen musste El-Haddad am 13. März schließen.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation inmitten der Krise im Hinblick auf den Kulturbereich?

Tony El-Haddad: Es hat den Kulturbereich als erstes getroffen, und er wird wohl auch als letzter Bereich wieder geöffnet. Die Kulturlandschaft wird sich durch die Krise sicherlich verändern. Es ist zu befürchten, dass es nicht alle Bühnen schaffen, wenn die Schließungen noch lange anhalten.

Wie könnten sich Kreative, Künstler und Veranstalter im Taunus gegenseitig unterstützen?

El-Haddad: Ich denke, es ist wichtig, mit gemeinsamen Aktionen immer wieder auf sich aufmerksam zu machen, um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass viele Menschen von der kreativen Arbeit leben. Sie alle haben jetzt kein Einkommen mehr.

Bekommen Sie Unterstützung von der Stadt für Garniers Keller?

El-Haddad: Die Einnahmen von Garniers Keller bestehen aus den Eintrittsgeldern, die den Künstlern zu Gute kommen, und den Umsätzen aus der Gastronomie. Beide Umsätze sind jetzt bei Null. Eine finanzielle Unterstützung erhalte ich nicht.

Bekommen Künstler, denen wegen Corona abgesagt werden musste, Ausfallhonorare oder andere Hilfen?

El-Haddad: Da ein Großteil der Künstler auf Basis der Eintrittsgelder spielt, erhalten sie jetzt kein Ausfallhonorar.

Wann rechnen Sie mit der Wiedereröffnung des Kellers?

El-Haddad: Die Spielzeit für den Herbst ist schon geplant. Aber ob die Kulturveranstaltungen bereits im September starten können, vermag ich nicht zu sagen.

Welche Anregungen haben Sie, um in dieser herausfordernden Zeit gesund, fit und glücklich zu bleiben?

El-Haddad: Auf jeden Fall rausgehen in die Natur, ein gutes Buch lesen und telefonisch oder digital Kontakt zu Freunden und der Familie halten.

Welche Projekte im Kulturbereich könnten Sie online durchführen?

El-Haddad: Ich sehe keine Alternative in Online-Konzerten. Garniers Keller lebt von der Begegnung, von der Nähe zu den Künstlern und den Gesprächen der Besucher untereinander und mit den Künstlern. Das kann kein Online-Angebot ersetzen.

Und welche Veranstaltungen sind dann hoffentlich bald wieder live geplant?

El-Haddad:
Im Herbst soll es erstmals einen Poetry-Slam im Garniers Keller geben. Darauf bin ich schon sehr gespannt. Im Programm sind natürlich auch wieder die Disco-Abende (Ü40-Disco) und die Konzerte von Mike’s BluesTime. Ich freue mich auch schon auf die Theateraufführungen von der Theatergruppe Friedrichsdorf. Das letzte Stück „Die Wunderübung“ war super und daher bin ich sicher, dass sie wieder ein tolles Stück auf die Bühne bringen werden.

Haben Sie einen Rat oder eine Inspiration für die Menschen, denen die kulturellen Veranstaltungen fehlen?

El-Haddad: Jeder, der Live-Veranstaltungen besucht, nimmt viele Eindrücke mit nach Hause. Es ist schön, sich diese wieder in Erinnerung zu rufen: eventuell mit einer CD, auf Youtube oder bei einem Telefonat mit Freunden, mit denen man gemeinsam bei den Veranstaltungen war. Auf der Facebook-Seite von Garniers Keller machen wir gerade genau das, mit dem Posten von Fotos vergangener Konzerte knüpfen wir an diese Erinnerungen an.

Welche Chancen sehen Sie in der aktuellen Krise für sich persönlich?

El-Haddad: Hoffentlich gibt es ein gestärktes Gemeinschaftsgefühl. Man muss nicht weit reisen, um tolle Sachen zu erleben. Wir haben jetzt gesehen, wie schnell das Credo unserer Zeit „Schneller, weiter, höher“ ausgebremst werden kann. Ich hoffe, dass jetzt wieder andere Werte in den Vordergrund rücken.



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