„Die Not ist so groß, wir machen weiter“

Die Laster und Kleintransporter mit den Spenden für die Ukraine sind gepackt. Letzte Lagebesprechung auf dem Parkplatz in Burgholzhausen vor der Reise ins Ungewisse. Fotos: Stefano Fadda

Friedrichsdorf (fch). Die ganze Welt sowie die Bürger von Friedrichsdorf und Umgebung blicken fassungslos und entsetzt, aber nicht tatenlos, auf den Krieg in der Ukraine. Tote, Verletzte und Tausende, die vor Luftangriffen und Kämpfen aus ihrer Heimat fliehen. Das ist bittere Realität für die ukrainische Bevölkerung seit dem russischen Einmarsch vor zwei Wochen am 24. Februar.

Die Bilder des Schreckens, der Zerstörung und des Leids der ukrainischen Bevölkerung, die seit zwei Wochen von Russland angegriffen wird, ließen die Friedrichsdorfer nicht kalt. Die spontan von Aleksandra Götz und Paula Mencel zusammen mit ihren Familien über Facebook, Bad Homburg meine Stadt, eine polnische Internetseite in Frankfurt, dem örtlichen Kindergarten und eine Turngruppe des Turnvereins 1893 Burgholzhausen ins Leben gerufene Spendenaktion (wir berichteten) war ein großer Erfolg. Die eigenen Garagen waren mit Hilfsgütern schnell gefüllt und kurz darauf auch die von Sarah und Benjamin Ortmaier, Martina und Oliver Glab, die von Johanna und Markus Wien und zwei Scheunen, die Halle des Autohauses Weil, die Gänsescheuer von Petra und Hans-Dieter Kuchta sowie die Turnhalle des TV Burgholzhausen, um nur einige zu nennen. Die Familie Stuchly aus Weinheim stellte ISO-Getränke zur Verfügung, 300 Umzugskartons spendete das Bauhaus Hornbach in Kalbach. Das Zentrum „Zwerg Nase“ in Wiesbaden spendete Medikamente und Plüschtiere. „Wir danken allen Spendern für ihre Unterstützung“, betonen Aleksandra Götz und Paula Mencel.

Am vergangenen Samstag starteten zwei 40-Tonner, ein 7,5-Tonner und 16 Sprinter voll beladen mit Hilfsgütern zur polnisch-ukrainischen Grenze. „Wir sind 1500 Kilometer gefahren. Wir sind um sieben Uhr gestartet und waren um 23 Uhr da“, berichtet Paula Mencel. Organisiert hatte sie in Burgholzhausen alles gemeinsam mit ihren Eltern Wieskawa und Wieskan Mencel. Vom Hotel ging es morgens zur 70 Kilometer weiter entfernt liegenden Grenze an der polnischen Stadt Hrebenne und der ukrainischen Rawa Ruska. Da die beiden 40-Tonner nicht in die „grüne Zone“ der Stadt Rawa Ruska im äußersten Westen der Ukraine einfahren durften, kamen 40 Männer und der ukrainische Oleg Volskyi von Zoikiew, dass zur Stadt Lwiw (Lemberg) gehört, sowie der Präsident der kreisfreien polnischen Stadt Zamo, mit Pkws und Lkws, um die Fracht umzuladen. „Alle haben sich sehr gefreut.“

Kinder ohne Schuhe

Organisiert hatten Dokumente für die „grüne Zone“ und das Hotel auf polnischer Seite Patrycia Mencel, die Schwester von Paulina, und deren Freund Mikolei Mieszkalski. Obwohl alle Dokumente – „das Beschaffen der Papiere hatte drei Tage gedauert“ – vorlagen und vollständig waren, hielt der polnische Zoll den Transport vier Stunden lang auf.

„An der Grenze haben wir Flüchtlinge gesehen, deren Kinder bei minus acht Grad Celsius ohne Schuhe nur in Socken unterwegs waren, viele hatten keine Jacken an. Die Flüchtlinge sagten uns, dass es nichts mehr in ihren Städten und Dörfern gebe, sie nichts zu essen hätten. Die Geschäfte und Apotheken seien zum Teil leer.“ An der Grenze gesprochen haben die Friedrichsdorfer unter anderem sechs junge Männer, die auf dem Weg in ihre ukrainische Heimat waren, um dort gegen die russische Armee zu kämpfen. Nur einige Fahrer konnten Flüchtlinge mit nach Deutschland nehmen, weil nicht alle Sitze im Auto hatten. Stefan Burghardt aus Bad Homburg, der sich extra für den Hilfstransport ein gebrauchtes Auto gekauft hatte, nahm eine junge Frau mit. Sie berichtete, dass sie nur eine Handtasche wie viele andere auch dabei habe, weil die meisten Leute ihre Koffer aus dem Zug geworfen hätten, damit die Flüchtlinge in den Waggons hätten stehen können. Sie hätten elf Stunden lang in einem überfüllten Waggon gestanden. Ein anderer Fahrer nahm zwei Frauen und ihre vier Kleinkinder, davon ein Baby, zum Hauptbahnhof in Krakau mit. Von Krakau nach Bad Homburg fuhren sieben Personen mit. Insgesamt zehn Flüchtlinge nahm Mariuse Merda aus Frankfurt nach Bad Homburg mit. Ein Opa mit seinem Enkel kam in Wehrheim unter, eine Frau in Gonzenheim, eine Oma mit einer Frau und ihrem Sohn in Kirdorf.

Paulina Mencel mit Familie und Aleksandra sowie Oliver Götz bedanken sich für die Unterstützung bei Jana Höflein mit Famile, Ibrahim Fidan, Erkan Atalay (Logistik), für die Stellung der privaten Garagen und Lagerräume, bei Helga und Thomas Weber, Martina und Oliver Glaab, Familie Scholten, Sarah und Benjamin Ortmaier, Noreen und Arne Harff, Johanna und Markus Wien, Volker und Annette Goy, beim Autohaus Weil, bei Dieter und Peter Kuchta und beim Turnverein Burgholzhausen (Hans Struwe).

„Die Not ist so groß, wir machen weiter“, kündigen Paula Mencel, Aleksandra und Oliver Götz an. Benötigt werden Medikamente, Lebensmittel, Hygieneartikel, warme Jacken und Schlafsäcke. Wann und wo die Spenden für den zweiten Hilfstransport abgegeben werden können, teilen die Organisatoren noch mit.

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