Glashütten und Caromb als Bausteine des „Hauses für Europa“

Der Wegweiser nach Caromb ist zugegebenermaßen eine Fotomontage aus dem Hause KöWo, aber welches Ziel sollten Brigitte Bannenberg und Léopold Meynaud auch sonst vor dem Glashüttener Bürgerhaus ins Auge fassen? Fotos: Puck

Glashütten
(pu) – „Wir konnten nicht alle Wünsche Glashüttener Bürger erfüllen, Ihnen persönlich ein Quartier zu geben, um Ihre Gastgeber zu sein. Ist das nicht ein wunderbares Zeichen für Zuneigung und Sympathie?“ Diese von Bürgermeisterin Brigitte Bannenberg (parteilos) beim offiziellen Festakt anlässlich der seit mittlerweile über vier Jahrzehnte währenden Städtepartnerschaft mit der französischen Gemeinde Caromb geschilderte Begebenheit verdeutlichte das große französisch-deutsche Zusammengehörigkeitsgefühl.

943 Kilometer liegen zwischen den beiden Kommunen, doch das von den diese vertrauensvolle Partnerschaft mit Leben erfüllenden Menschen geknüpfte Freundschaftsband könnte enger kaum sein. Demzufolge zog sich das von Bannenberg formulierte Motto „Gemeindepartnerschaft lebt vom Mitmachen!“ wie ein roter Faden durch die drei Festtage und alle drei Stadtteile und die Vereine trugen maßgeblich zum Gelingen bei.

Oberems-Schloßborn-Glashütten

Nachdem im letzten Mai in der kleinen Stadt im Département Vaucluse in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur der 40. Jahrestag der Unterzeichnung des Städtepartnerschaftsvertrages in gebührender Weise begangen worden war, startete am Donnerstagabend mit einem Empfang bei der Feuerwehr in Oberems die Fortsetzung. Knapp 60-köpfig war die aus Frankreich angereiste Delegation mit Bürgermeister Léopold Meynaud und Laurence Guittet, der Vorsitzenden des Comité des Jumelage, an der Spitze.

Noch unter dem Eindruck der Erlebnisse des gemeinsamen Ausflugs nach Rüdesheim stieg das Stimmungsbarometer am Freitag beim Geselligen Abend im Festzelt auf dem Fußballplatz in Schloßborn in die Höhe. Verantwortlich dafür zeichneten unter anderem die „Just 4 Fun“-Band, die Gardemädels mit einem Showtanz und die gemischte siebenköpfige Line Dance-Gruppe Schneidhain/Glashütten (Blau-Weiß Schneidhain), die zusammen mit sieben Franzosen auftrat. Die Anwesenden waren sich am Ende einig: „Ein super Abend!“

Während die Schloßborner Fußballer mit den Aufräumarbeiten begannen, ging der Festmarathon mit dem von den Pastoren Jennifer Koch und Stefan Peter zweisprachig gehaltenen festlichen Gottesdienst und einem bunten Treiben vor dem Bürgerhaus in die nächste Runde. Dabei sorgten bei strahlendem Sonnenschein die Kerbeborsch Oberems und Glashütten, die Gardemädchen des Karnevalverein Glashütten, die Jugendfeuerwehr Glashütten, die Schloßborner Laienbühne, das Blasorchester des TV Schloßborn, Thomys Alte Schachteln, die Island- und Gangpferdefreunde Kastanienwald, der Heimat- und Geschichtsverein und die Flugsportgruppe Feldberg für reichlich Kurzweil. Nach und nach trafen die zum Festakt erwarteten Gäste ein, an der Spitze Generalkonsulin Pascale Trimborn, Kreisbeigeordnete Dr. Regina Sell, Staatsminister a.D. und Vorsitzender des Kreistages Jürgen Banzer, die ehemaligen Glashüttener Bürgermeister Jutta Nothacker und Theo Kögler, die Vorsitzende der Europa-Union Hildegard Klär sowie Königsteins Erster Stadtrat Walter Krimmel und der Vorsitzende des Förderkreises der Städtepartnerschaft Königstein-Le Cannet, Wolfgang Riedel. Es sollte ein Samstagmittag mit vielen herzlichen Gesten und lange in Erinnerung bleibenden Momenten werden.

Lebendige Zukunft

„Ihr Besuch ist ein weiterer Baustein unserer grenzüberschreitenden Verschwisterung in Europa, für die wir eine lebendige Zukunft bewahren wollen“, unterstrichen Bürgermeisterin Bannenberg und die Vorsitzende der Gemeindevertretung Heike Kolter in ihrer zweisprachigen Begrüßungsrede. Anschaulich in Szene gesetzt wurde dieser Gedanke von deutschen und französischen Kindern und Jugendlichen, die mit Deutschland und Frankreich als Fundament ein „Haus für Europa“ bauten, in dem sie in Frieden leben können. Diesen Ball griff auch Léopold Meynaud auf, der schon als jugendlicher Fußballer erstmals die Gemeinde im Taunus besuchte und zum Ausdruck brachte: „Jedes Mal, wenn ich hier bin, fühle ich mich, als würde ich nach Hause kommen!“ Das Gebot der Stunde sei mitnichten nur, dass die Bürgerinnen und Bürger im Tempo Europas und seiner lebenswichtigen Herausforderungen leben, die Globalisierung des Handels verstehen und sich als aufgeklärte Konsumenten Gehör verschaffen, sondern die eigenen Erfahrungen an die Kinder, „die Europäer von heute und morgen, geben“. „Wir müssen sie diese neue Nation, die Europa ist, leben, kennen und lieben lassen.“

Als Mosaik von Völkern und Sprachen hat Europa nach den Worten des Caromber Bürgermeisters „seine Identität und Dynamik lange Zeit in Frage gestellt, bis es an seiner unvermeidlichen Einheit und geopolitischen Realität zweifelt“. Nun seien die „Europhoben“ in der Minderheit und zu „sterilen Nachhutkämpfen verurteilt“. Umso wichtiger sei es, auf der bescheidenen lokalen Ebene zur Wiedervereinigung Europas beizutragen. „Wenn die Welt uns als Vorbild nehmen würde, wäre sie schöner“, so Meynaud.

Laurence Guittet, die Präsidentin des Caromber Partnerschaftskomitees sprach davon, die Partnerschaft sei wie eine vierzigjährige Ehe, deren Smaragdhochzeit nun anstünde. „Dieser tiefgrüne Edelstein erinnert mich an die Wälder um eure Dörfer.“ In ihrer kurzen Revue dieser langen Zeit lenkte sie das Augenmerk auf die Treffen von Sportvereinen, Seniorenversammlungen, Lehrergruppen und der Jugend, ohne deren Beteiligung „die Wette auf die Zukunft“ nicht erfüllt werden könne. Der erste Jugendaustausch begann im Übrigen schon 1975 und damit zwei Jahre vor Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages im September 1977.

Die Früchte dieser Begegnungen seien vielfältiger Natur, ob Rezeptbuch beider Dörfer, die Kreierung eines „Caromber Cocktails“ durch den Glashüttener Hof anlässlich des 5. Jahrestages der Verschwisterung oder die Ankunft des deutschen Brauchtums in Caromb. „Wir gehörten zu den ersten Gemeinden Südfrankreichs, die Weihnachtsmärkte oder Bierfeste veranstalteten.“ In Glashütten gibt es im Gegenzug längst den üblicherweise im Mai stattfindenden provenzalischen Markt, der lediglich wegen der jeweiligen Feierlichkeiten ausgesetzt wurde. Guittet erinnerte aber auch an die zahlreichen vermissten weil verstorbenen Menschen, die diese Freundschaft prägten, darunter die von einem siebenjährigen Jungen einst als „Königin von Caromb“ bezeichnete Hélène Laugier. „Für die Partnerschaft zwischen Caromb und Glashütten wird Hélène Laugier immer die Königin bleiben“, rief die Partnerschaftskomitee-Vorsitzende und spontan aufbrandender herzlicher Applaus untermauerten ihre Worte.

Ihr deutsches Pendant, der langjährige Vorsitzende des Förderkreis der Gemeindepartnerschaft Glashütten-Caromb, Gerd Pfabe, der im März letzten Jahres nach dem Wegzug seiner Vorgängerin nochmals die Verantwortung an der Spitze eines tatkräftigen Teams übernommen hatte, appellierte bei aller Freude über die nachweislichen Erfolge der Partnerschaft, am Ball zu bleiben. Dass deutsch-französische Freundschaften heutzutage „als völlig normal angesehen werden“, berge zunehmend die Gefahr, dass das Engagement für deren Fortbestand, die Weitergabe der Erfahrungen an die nächste Generation und neue belebende Impulse nachlassen. Dabei, und da war er sich mit Bürgermeisterin Bannenberg einig, müssten gerade auch in dieser für Europa so schwierigen Zeit durch gelebte Freundschaft, Austausch, Verständnis füreinander und Vertrauen Zeichen gesetzt werden, um auch in Zukunft ein friedvolles Zusammenleben zu sichern.

Am Ball bleiben

Vor diesem Hintergrund rief Generalkonsulin Pascale Trimbach den am 22. Januar 1963 vom damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle im Pariser Élysée-Palast unterzeichneten „Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit“ – kurz Élysée-Vertrag – in Erinnerung, den Grundstein für die französisch-deutsche Freundschaft. Seitdem seien allein in Rheinland-Pfalz und Hessen über 2.200 Städtepartnerschaften geschlossen worden, nannte sie beeindruckende Zahlen. „Neue Partnerschaften sind nach wie vor notwendig, auch in wirtschaftlicher Hinsicht“, sagte sie und warb für weitere konstruktive Zusammenarbeit und mündige Bürger, die ihre Meinung abgeben sollen, was sie von Europa erwarten und erkennen, „wie gefährlich es wäre, europäische Brücken zu zerschlagen“.

Sichtlich wohl fühlte sich in diesen Tagen auch die fünfköpfige Delegation aus der kroatischen Gemeinde Sveti Petar Orehovec, die seit fast 20 Jahren freundschaftlich mit Glashütten verbunden ist. „Im Gedächtnis unserer Menschen verblieb die unauslöslich eingeprägte Erinnerung an Ihre Hilfe, die sie uns bei der Erneuerung unserer Kirche erwiesen haben und an die Spenden für unsere Feuerwehrleute“, gab Bürgermeister Franjo Poljak seiner großen Dankbarkeit Ausdruck. Er hoffe, das nächste Treffen werde anlässlich der Hundertjahrfeier der Feuerwehr in seinem Ort in Kroatien stattfinden.

Die Überleitung zum Austausch der bei solchen Feierlichkeiten obligatorischen Geschenke hätte kaum passender sein können. Wenn die Sehnsucht nach dem Taunus zu groß wird, können die Caromber künftig ihren neuen, von Familie Kulcsar gefertigten, Schwibbogen betrachten, der die markantesten Stationen der drei Glashüttener Ortsteile in rechte Licht rückt und dazu Schloßborner Calvados und Äbbelwoi aus den besonderen Geburtstagsbembeln genießen. Ihre hessischen Freunde freuten sich über eine wunderschöne Schmiedearbeit, die den markanten Caromber Turm zeigt sowie über zwei Bilder. Das eine zeigt die Brücke von Avignon, was natürlich prompt vom die Feier begleitenden Ökumenischen Chor „Vocalitas“ unter Leitung von Cordula Weiß aufgegriffen wurde, der neben dem Blasorchester des TV Schloßborn die musikalischen Akzente dieser familiären Feier setzte. Selbstredend waren auch die Kroaten nicht mit leeren Händen gekommen und nahmen ihrerseits eine große Kiste mit Spezialitäten mit nach Sveti Petar Orehovec.

Apropos Spezialitäten: Nach einem Imbiss, der vom Café International des Freundeskreises Integration bereichert wurde, ging es sportlich weiter, bevor die Festivitäten mit einem großen Abendessen in einem Hotel in Niedernhausen ins Finale gingen.

Bürgermeisterin Brigitte Bannenberg zeigte sich nach Abschluss der Feierlichkeiten begeistert über den Verlauf und der beeindruckenden helfenden Unterstützung von zahlreichen Seiten. „Wir wollten ganz bewusst nicht nur eine Feier der francophilen Anhänger, sondern der kompletten Gemeinde und die Herzlichkeit und die Freude, mit der alle mitgezogen haben, auch die Vereine, war herausragend!“

Natürlich wissen die Franzosen selbst, was man alles aus Äpfeln machen kann, doch haben sie die herbe hessische Variante inzwischen schätzen gelernt. Daher überreichte Gerd Pfabe einen Geburtstagsbembel an Laurence Guittet, natürlich im Beisein von Brigitte Bannenberg und Léopold Meynaud.

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