Glashüttener Jecken bringen die Bütt zum Kochen

Diese Omas hatten es faustdick hinter den Ohren. Foto: Schnurawa

Glashütten (js) – Wenn unzählige, maskierte, gut gelaunte Glashüttener Jecke, eine riesige, bunt geschmückte Narrhalla und ein bombastisch verrücktes Pogramm aufeinandertreffen, kann das nur eins bedeuten: Der närrische Wahnsinn greift um sich. Kaum hat die fünfte Jahreszeit begonnen, da spielt das kleine, heitere Völkchen auch schon wieder verrückt. Unzählige Närrinnen und Narren haben vergangene Woche gleich für zwei Abende hintereinander die Fassenacht eingeläutet. Doch ohne die elf Herren, die ihren Ehrenplatz inmitten der Bühne haben, läuft freilich nichts. Die Rede ist hier natürlich vom Elferrat, dem Steckenpferd des Karnevals.

Viel zu gucke und zu staune, gab‘s beim Einmarsch der jüngsten Generation, die in Form von Pippi Langstrumpf, Peter Pan, Prinzessin, Cowboy und vielen anderen Helden der Kindheit, passend zum Motto „Helden und Idole“, einmarschierten und mit ihrem wahrhaft märchenhaften Tanz zu wohl bekannten Klängen schon mal gehörig auf das Programm einstimmten. Ein in einen Schlafanzug gehülltes Mädchen, das im Gegensatz zu allen anderen nicht verkleidet war, mischte sich unter die Tanzenden. Hierbei handelte es sich zweifellos um ein kleines Mädchen, das von all seinen Lieblingen träumt.

Doch schon kurz darauf war Schluss mit der Träumerei. Beim Anblick der alten, krumm gehenden Frau, die ihren Einkaufswagen hinter sich her zog, in dem sie ihren kompletten Hausstand beförderte, konnte man nur herzhaft lachen. In hessischer Mundart stöhnte sie über das Alter und die Gebrechen. Dennoch hat die Oma (Katja Messer) in jeder Lebenslage den passenden Rat und vor allen Dingen weiß sie sich auch immer bestens zu helfen. Nicht schlecht staunten die Närrinnen und Narren, als sie plötzlich aus ihrem Einkaufswagen ein altes, grünes Telefon mit Schnur zu Tage beförderte und den Elferrat darum bat, es für sie in die Steckdose einzustecken. „Das geht hier nicht, gute Frau“, meinte einer des Elferrats.

Darauf zückte sie ihr Handy, wobei sie feststellen musste, dass, wie könnte es auch anders sein, der Akku natürlich leer war. „Ach, das neumodische Zeugs taugt doch all nix“, klagte sie. Doch ihr Unmut hatte sich schon bald wieder gelegt. „Braucht jemand Alufolie?“, brüllte sie ins Publikum, indem sie eine weitere Utensilie ihres Hausstandes zum Vorschein brachte. Und wie Omas nun mal so sind, verteilte sie, die Alufolie auch schon gleich großzügig ans Publikum. „Is‘ immer praktisch alles dabei zu haben, habt Ihr das etwa net?“, so die alte Frau entrüstet, die sich kurz darauf in atemberaubender Geschwindigkeit in eine korpulente Barbie verwandelte, womit definitiv keiner gerechnet hätte. „I‘m Barbie Girl, in my Barbie World“, ertönte das passende Lied, während die zur Barbie Gewordene gestand, dass sie auch auf der Suche nach ihrem Ken sei. Doch bekanntlich ist so eine Männersuche ja nicht immer so einfach und so kommt die beleibte Barbie schließlich zu einer Einsicht: „Aber, wenn ich ihn net find‘, is es ach net so schlimm, ich hab‘ ja noch meinen Mann.“

Ach, was wäre doch die Glashüttener Fassenacht ohne ihren berühmt berüchtigten Lutz Riehl, der mal wieder gleich in zwei verschiedene Rollen schlüpfte. Schier einmalig ist die ihm wie auf den Leib geschneiderte Rolle als Domschweizer, der in gelb-schwarzer Uniform, eine Laterne in der einen, einen Goldstab in der anderen Hand, einmarschierte. Da die Leut‘ in Oberems im vergangenen Jahr um ihren Laternenumzug aus Sicherheitsgründen, betrogen worden seien, hätte er aus Protest eine Laterne bei sich, erklärte er sich gleich zu Beginn.

Doch nicht nur das schien den besonnenen Mann zu beschäftigen, der an niemandem ein gutes Haar ließ. Ob die Wohnraumknappheit, die Biotonne oder der Haushalt der Gemeinde – zu beklagen gab‘s so einiges. „Aus Müll Geld zu mache, das wär ne feine Sache“, meinte verdrossen in Bezug auf die allseits für Verdruss sorgende Biotonne. „Geht’s im Kleinen nicht, geht’s im Großen nicht“, resümierte er sodann – ein Spruch, den der Domschweizer nach jeder Kundgabe seines Unmuts aufs Neue wiederholte.

Aber auch vor dem Gemeindeleben wurde nicht Halt gemacht. „Der Haushalt is verabschiedet und der Kämmerer aach. Ei, wo gibt’s denn so ebbes?“ Und was die im vergangenen Jahr stattfindende Feierlichkeit „Glashütten hat was…“ betreffe, so sei doch das Motto eher negativ zu deuten. „Hat was“, sei gleichbedeutend mit der Situation, wenn eine Frau ihrem Mann ein Kleid präsentiere und er darauf dann ebenso antworte, so der erschütternde Vergleich des Domschweizers, der wahrlich auch dieses Mal wieder kein Blatt vor den Mund nahm.

„Das ist net Fisch und net Fleisch, wenn ein Mann so was säscht“, gab der begnadete Fassenachter zu verstehen, der während seiner Büttenrede auch durchaus mal in eine andere Rolle schlüpfen kann. Statt der üblichen Sprechmanier besang er die Dinge abschließend und verabschiedete sich schließlich mit den Worten: Halleluja und Amen.

Doch damit war es noch längst nicht genug, was die sakrale Thematik betrifft. Denn schon wurde ein zentnerschwerer Grabstein auf die Bühne geschleppt, auf dem die Aufschrift Hedwig Knodder 1923-2016 zu lesen war. Schwere Musik wurde vernehmbar, als zwei ältere Herrschaften geschockt an das Grab herantraten. „Ich kann‘s noch gar net fasse, dass die Hedwig tot is“, meinte eine der beiden Weiber bestürzt. „Der Pfarrer hat ja so a tolle Red gehalle“, erinnerte sich die eine. „Ei, wenn der wüsst‘, wie die wirklich war“, entgegnete die andere. Sie habe ja eine Zeitungsrede für die Hedwig verfasst, so die eine, welche auch gleich mit Stolz ihre Rede verlas. „Jetzt ruht unter Morast und Schmodder unsere Hedwig Knodder.“

Bei einem gemütlichen Plausch am Grab kommen bei den Waschweibern so allerlei Themen auf den Tisch, wobei sie nicht etwa inbrünstig beten, sondern genüsslich ein Fläschen Wein zusammen leeren. „Mer kommt ja vom Friedhof gar nicht mehr weg. In drei Tagen wird schon wieder der nächste beerdigt“, eröffnete eine der beiden, die auch nicht versäumte, die ganze Geschichte zu erzählen. Es sei bei ihr alles sehr schnell gegangen. Nach nur drei Tagen ihrer häuslichen Rückkehr sei sie dahin gegangen. „Der Mann will die ja unbedingt mit dem Bauch nach unten beerdigen, damit sie sich net nach obbe hin wieder freischaufeln kann.“ Selbstverständlich wurden die Glashüttener auch bestens musikalisch unterhalten. Melissa erschien als „Lady in black“ und sang gekonnt und voller Leidenschaft „Ich will immer wieder dieses Feuer spüren“ von Helene Fischer, bevor es eine kurze Verschnaufpause für die närrische Gesellschaft gab.Noch so einiges andere im Gepäck hatten die bombastisch gut gelaunten Fassenachter, die stets auf jegliche Gäste in ihrem Programm ganz bewusst verzichten. Dafür war aber die alte Frau Rauscher aus der Klappergass extra aus Frankfurt angereist, um jedoch nicht von Frankfurt, sondern vom Ortsgeschehen zu berichten. Denn Frankfurter Geschichten haben nun mal keinen Platz auf der Glashüttener Fassenacht. Mächtig in Fahrt kamen die Jecken auch beim Männerballett, bei dem vor allem die Weiber ordentlich in Fahrt kamen. Zu ganz unterschiedlicher Musik legten die strammen Herren eine heiße Sohle aufs Parket. Aber auch die Frauen konnten sich durchaus sehen lassen. Denn was wäre die Fassenacht ohne ihre Gardetänzer? In Grünweiß stolzierten die Damen in ihren Röckchen über die Bühne und sorgten für närrische Tanzstimmung. Dabei muss man wissen, dass es insgesamt drei Altersstufen bei der Garde gibt. Angefangen von der Mini Garde über die Midi Garde bis hin zu der Erwachsenen Tanzgarde findet sich hier ein breites Spektrum und da hier alle gleichermaßen zu ihrem Recht kommen wollten, war man auch bestens unterhalten. Als sich der kunterbunte Abend dem Ende entgegenneigte, was erst zu reichlich vorgerückter Stunde geschah, hieß das aber noch lange nicht, dass es Zeit fürs Adieu sagen war. Im Gegenteil, es wurde noch ordentlich gefeiert und weitergeschunkelt, wie das bei den Narren und Närrinnen der kleinen Gemeinde nun mal so üblich ist. Ein besonders triftiger Grund war vor allem aber die Plünderung der Sektbar, die sich definitiv keiner entgehen lassen wollte.



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