Umweltorganisationen fordern Streichung der Ortsumgehung

Glashütten (kw) – Die anerkannten Naturschutzverbände Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) - Landesverband Hessen, Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), Naturschutzbund (NABU, Ortsgruppe Oberems) sowie die Interessengemeinschaft für die Erhaltung der Landschaft Glashüttens erwarten, dass nach der Bundestagswahl die bisher nicht im Bau befindlichen Projekte des Bundesverkehrswegeplans 2030 nochmals unter Umwelt-, Klima- und Bedarfsaspekten überprüft und damit deutlich reduziert werden.

Sie haben daher Bundestagskandidatinnen und -kandidaten für den Hochtaunuskreis gebeten, sich für eine Streichung der Ortsumgehung Glashütten aus diesem Plan einzusetzen. „Wir halten dieses Vorhaben aus einer Reihe von Gründen für ein Musterbeispiel für eine überholte Straßenausbaupolitik“, stellt die Vorsitzende des Kreisverbandes Hochtaunus im BUND, Cordula Jacubowsky, fest.

In Reaktion darauf habe die SPD-Kandidatin Alicia Bokler mitgeteilt, nach umfangreicher Prüfung der Thematik spreche sie sich öffentlich gegen das geplante Vorhaben aus. Der Eingriff in Natur und Landschaft wäre ihrer Auffassung nach nicht zu rechtfertigen. Der Kandidat der Grünen, Christian Tramnitz, unterstützt laut Jacubowsky ebenfalls die ablehnende Haltung gegenüber der Umgehungsstraße; seine Partei setze sich grundsätzlich dafür ein, dass der Bundesverkehrswegeplan schnellstmöglich durch einen neuen Bundesnetzplan ersetzt wird, der die Verkehrsinfrastrukturplanung systematisch an den Erfordernissen der Mobilitätswende ausrichtet und die bis 2030 vorgesehenen Neu- und Ausbauten von Autobahnen und Bundesfernstraßen deutlich reduziert.

Der Kandidat der Linken, Andre Pabst, spricht sich nach den Worten Jacubowskys ebenfalls für eine Streichung des Vorhabens im Bundesverkehrswegeplan aus. Zum einen wäre es ein Zeichen der Akzeptanz des Willens der Bürger und Gewerbetreibenden, zum anderen gebe es, unter Berücksichtigung der dringend notwendigen Umsteuerung in der Verkehrspolitik hin zu einem deutlich besseren ÖPNV, keine Notwendigkeit für ein solches Bauvorhaben. Auch der Wahlkreisbewerber der Piratenpartei, Carsten Baums, teile grundsätzlich die im Schreiben der Umweltorganisationen aufgeführten Positionen. Die unterzeichnenden Umweltorganisationen sind für diese zügigen Antworten dankbar und hoffen, dass die darin eingenommenen Positionen nach der Bundestagswahl durchgesetzt werden.

Nach ihrer Auffassung lässt bereits die naturschutzfachliche Beurteilung im Bundesverkehrswegeplan erkennen, dass ein Bau der im Plan dargestellten Umgehungsstraße zu schwerwiegenden Eingriffen in die Natur führen und dort lebende Arten gefährden würde. Dort werde unter anderem ausgeführt: „Am Bauende und Bauanfang schneidet die geplante Trasse je einen BfN[Bundesamt für Naturschutz]-Kernraum (Waldlebensräume). Das Vorhaben liegt in einem Großsäugerfunktionsraum und einem BfN-Großraum (Waldlebensräume). Zwei Naturparks und ein UNESCO-Weltkulturerbe werden vorhabenbedingt gequert.“ Das betroffene Gebiet sei naturschutzfachlich sehr hoch einzustufen; dort finden unter anderem Wildkatze und Luchs einen Lebensraum.

Durch die Maßnahme würden das Landschaftsbild beeinträchtigt und ein Kulturgut von besonders hohem Rang, der obergermanisch-raetische Limes, unwiederbringlich abgewertet und in seiner Attraktivität gemindert. Die bewaldeten Hänge um den Glaskopf sind Teil eines großen zusammenhängenden Waldgebietes entlang des Taunuskammes und werden nicht nur an Wochenenden von Wanderern und anderen Erholungssuchenden aus dem Rhein-Main-Gebiet gern aufgesucht. Dieses Erholungsgebiet würde durch die vorgesehene Umgehungsstrecke zerschnitten, noch stärker verlärmt und damit in seinem Erholungswert ganz erheblich gemindert.

Zudem würde das Vorhaben zu einer Verlagerung von Verkehr der A3 auf die B8 führen, die Bundesstraße könnte – nicht nur bei Stauereignissen – von Nutzern der Autobahn als kürzere Alternativroute gewählt werden. Damit wären die Taunusregion und die in ihr liegenden Ortschaften zusätzlich belastet, vor allem die Stadt Königstein, durch die sich dann das erhöhte Verkehrsaufkommen quälen müsste.

Die Umgehungsstraße könne, so Cordula Jacobowsky weiter, auch nicht als sinnvolle Maßnahme zur Entlastung des Ortskerns angesehen werden. Mit ihrer Fertigstellung wäre voraussichtlich erst in etwa zehn Jahren zu rechnen. Bis dahin sollte eine verkehrspolitische Umsteuerung hin zu einer Stärkung der E-Mobilität und des ÖPNV nach Auffassung der Verbände hoffentlich gelungen sein. Zusammen mit einer generellen Verminderung der Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 30, einem teilweisen Lkw-Fahrverbot und anderen verkehrsberuhigenden Maßnahmen – wie in anderen Gemeinden bereits praktiziert – könnte dies zu einer weitgehenden Vermeidung von störenden Fahrzeugemissionen führen.

Der Gemeindevorstand der Gemeinde Glashütten habe sich, so die Umweltgruppen weiter, mit Schreiben vom 14. Mai 2020 eindeutig gegen die vorgesehene Ortsumgehung ausgesprochen und halte es aus mittlerer Sicht für die beste Lösung, wenn die Maßnahme aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030 gestrichen würde. Er betrachte die B8-Durchfahrt sozusagen als „Lebensader“ des Ortsteiles Glashütten. Die dort ansässigen kleineren Gewerbebetriebe (Tankstelle, Bäcker, Blumengeschäft, Restaurants, Cafe, Apotheke, Friseur und weiteres) zählen auch zahlreiche Nicht-Glashüttener zu ihren Kunden, die auf der Durchfahrt hier kurz anhalten. Eine Verlagerung des Durchgangsverkehrs könnte die Existenz dieser Betriebe gefährden; eine Verarmung des Ortskerns wäre dann die Folge.



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