„Dreierlei Neues im Museum“

Drei Tagesordnungspunkte standen auf der ersten Pressekonferenz des Kelkheimer Museums auf der Tagesordnung. Aufgeschlagen wurde damit eine neue Geschichtsseite für die Stadt, Geschichte des Möbelhandwerks.

Der eine Punkt betraf einer Personalie, allerdings auch auf Holz verewigt. Die Namen der bisher von den Kelkheimern frei gewählten Bürgermeister. Neben Wilhelm Stephan, Dr. Winfried Stephan und Thomas Horn kam jetzt der Name Albrecht Kündiger dazu. Nicht jede Stadt in Deutschland kann auf so viel Kontinuität in der Kommunalpolitik zurückblicken. Mehr als vier Bürgermeister brauchten in Kelkheim bisher nicht gewählt werden.

Ein weiterer Punkt: Das Modell einer Dampfmaschine, die Hannelore Kilb dem Museum schenkte. Eine „Dampfmaschine“, die sich sehen lassen kann und für den Vorsitzenden des Museumsvereins, Rüdiger Kraatz, die Gelegenheit, das Thema Kelkheimer Dampfmaschine aufzugreifen. Das Modell hat seinen Platz in der Ecke, wo auch das Sägewerk Diehl und deren Dampfmaschine beschrieben sind. Dazu Rüdiger Kraatz: „Wir haben auch über die leider geringen Möglichkeiten gesprochen, die Dampfmaschine (Diehl) über das Museum der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Gespräche darüber sind bisher an den möglichen Kosten und Preisvorstellungen gescheitert.“

Vorgestellt wurde auch der Musterschrank, nach dem die Möbel für den damaligen äthiopischen Herrschers Haile Selassie im Hause Bender hergestellt wurden. Ein Geschenk von Heinz Bender.

Den wohl größten Raum in dieser Pressekonferenz nahm die Vorstellung eines Kelkheimer Schranks, den eine Familie dem Museum als Dauerleihgabe übergab. Dieser Schrank stammt aus der Produktion Erwin Pleines, also aus einer Produktion, durch die Kelkheim damals den Ruf als Stadt der Möbel bekam. Als Gast dabei war Josip Gretic, der 1965 aus Kroatien nach Deutschland kam, zunächst bei „Wohnkultur Ziller“ arbeitete, um dann 1982 von Erwin Pleines für einen Stundenlohn von 17 D-Mark (bei acht Arbeitsstunden pro Tag) eingestellt zu werden.

Viele Kelkheimer werden sich noch an die großen Schaufenser des Möbelhauses Pleines erinnern, in dem die Kelkheimer Schränke ausgestellt waren. Und noch nachdem er 2003 in den Rentnerstand überwechselte, blieb das gute Verhältnis zwischen beiden bestehen. Für Josip Gretic war es ein Tag der Erinnerungen, als er bei der Vorstellung der wertvollen Leihgabe dabei war, und Gelegenheit hatte, von „damals“ zu berichten.

Der Frankfurter Schrank (Wellenschrank) wurde um 1989 mit Josip Gretic in etwa sieben Wochen hergestellt. Außen und Verkleidung Kirsche massiv; innen, Sockel und Rückwand Fichte.

Frankfurter Schränke wurden bereits im 17. Jahrhundert gebaut und blieben das gesamte 18. Jahrhundert hindurch gefragte Meisterstücke in der Frankfurter Schreiner-Innung. So erklärt sich auch ihr Name.

Wiederbelebt wurde diese Tradition in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts durch Erwin Pleines, der die Schreinerei und Möbelwerkstatt seiner Familie in der vierten Generation (seit 1898) bis 2011 weiterführte. Über 150 Exemplare seines für die moderne Zeit modifizierten Frankfurter Schrankes verließen sein Möbelhaus und gingen in viele Regionen Deutschlands und der Welt.

Zur Auswahl standen zwei Basis-Modelle: Zum Ersten der sogenannte Wellenschrank, dessen Türblatt aus wiederkehrenden stark profilierten Hölzern besteht (wie das jetzt im Museum Kelkheim ausgestellte Modell). Zum Zweiten der seltenere Nasenschrank, dem die ausladenden Eckstützen seinen Namen gaben.

Hier noch andere Informationen zum Frankfurter Schrank, entnommen der umfangreichen Pressemitteilung. In den berühmten Einzelexemplaren wurden etwa 500 Kilogramm Massivholz verarbeitet und 150 bis 200 Holzteile bis auf den Millimeter genau zusammengesetzt. Traditionelle Merkmale, wie Holzkeilverschlüsse und Zahnleisten wurden genauso verwendet, wie modernste Technik. Man darf gut und gern ungefähr 650 Arbeitsstunden für einen solchen Schrank ansetzen. Natürlich hatte solch ein Prachtexemplar damals seinen Preis: Zwischen 12.000 und 40.000 Euro musste ein Liebhaber dafür anlegen. In Zeiten moderner Möbel-Massenware, mobiler Berufs- und Familienplanung und kleinerer Wohnräume werden solche großen Möbelstücke nur noch von Liebhabern hoch geschätzt. Dem allgemeinen Preisverfall moderner und selbst antiker Möbel ist auch ein Frankfurter Schrank aus dem Hause Pleines ausgesetzt.

Erwin Pleines war nicht nur einer der Mitbegründer des Museums, er war als Designer, Künstler und Naturschützer eine Persönlichkeit von großer Bedeutung für ganz Kelkheim.

Das Bild oben von links: Der Frankfurter Schrank, dann Hannelore Kilb, Josip Gretic, Bürgermeister Albrecht Kündiger und Rüdiger Kraatz. Darunter die Bürgermeistertafel, dann der Musterschrank für die kaiserliche Wohnung in Äthiopien, die Unterschrift für die Dauerleihgabe, ein Bild der Leihgeber, Ulrike Bachner und Stefan Heuser und schließlich das Modell der Dampfmaschine.

Fotos: Kraatz und Michel.

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