Leserbrief Straßensperrung Ruppsch

Als betroffener Bewohner Eppenhains habe ich mit großem Interesse Ihren Leitartikel der Ausgabe 9 der Kelkheimer Zeitung vom 03.03.2023 gelesen.

Dessen Überschrift und die darin zum Ausdruck gebrachte Tatsache alleine verwundert und überrascht in diesem Land vermutlich niemanden mehr. Wirklich Aufmerksamkeit und ungläubiges Staunen würde vermutlich nur noch ein Aufmacher wie „Baustelle Ruppertshain früher abgeschlossen als geplant“ hervorrufen.

Woran ich mich allerdings nach wie vor nicht gewöhnen werde, ist naiver und unreflektierter Journalismus. Für öffentliche Bekanntmachungen der Stadtverwaltung und Meinungen des Rathauses dient das Amtsblatt als offizielles Kommunikationsmedium. Im Gegensatz dazu erwarte ich von einer Zeitung mit „Nachrichten und Meinungen“ etwas mehr als die abgedruckten Texte der Pressestelle. Mindestens aber deren kritische Reflexion. Sie sollten sich als Redaktion und Journalisten zu schade sein, einen solchen Satz zu drucken: „Der erste Bauabschnitt […] kann durch die winterlichen Bedingungen nicht mehr abgeschlossen werden.“ Es sei denn, auch für Sie kommt der Winter jedes Jahr wieder überraschend. Und auch Sie hätten noch nicht mitbekommen, dass die klimatischen Veränderungen dazu geführt haben, dass es in unserer Region ja eigentlich gar keine winterlichen Bedingungen mehr gibt, die Straßentiefbau nachhaltig beeinträchtigen. Den journalistischen Anspruch rettet dann auch eine den Anflug von kritischer Betrachtung zum Ausdruck bringende Bildunterschrift wie „Noch schaut man in Ruppsch etwas in die Röhre“ nicht mehr, die ohnehin mehr wie ein verspäteter Faschings-Kalauer anmutet.

Wer solche Sätze liest, der muss sich fragen, welche manipulative Intention hinter solchen Aussagen und deren Autoren steckt. In jedem Fall aber beleidigen Sie mit solchem Unsinn das geistige Niveau Ihrer Leserschaft. Das Schlimme ist nur, dass das Kommunikationsprinzip der puren Wiederholung unabhängig von der objektiven Richtigkeit des Kommunizierten bei einem Großteil der Zielgruppe ja sogar verfängt und Sie daher vermutlich in dessen Anwendung bestätigt. Fakt hingegen ist, es wurde sich wieder einmal verplant und keiner möchte die Verantwortung dafür übernehmen. Lieber lässt man sich in Macher-Poser auf Seite 1 ablichten. Und so muss aus lauter intellektueller Verlegenheit des angestellten Berichterstatters mal wieder das Wetter herhalten, denn das kann sich ja nicht wehren. Schade um die Ressourcen, die zur Verbreitung eines solchen „Qualitäts-Journalismus“ regelmäßig aufgewendet werden. Aber zumindest wird es dadurch wieder ein bisschen wärmer, und Straßenbaustellen kommen auch im Winter zügig voran.

Stephan Amling, Kelkheim



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