Kelkheim (ju) – Blechbläser treffen auf Orgel – was sich doch eher ungewöhnlich anhört, harmonierte vorzüglich. Davon konnten sich vergangenen Sonntag Musikinteressierte in der Kirche St. Dionysius in Münster überzeugen. Das OBE (Oberhessisches Blechbläser Ensemble) hatte geladen, und 60 Zuhörerinnen und Zuhörer ließen es sich nicht nehmen, sich davon zu überzeugen, dass Blasmusik mehr ist als zünftige Bierzeltmusik und Tschingderassabum.
Junger Organist
Mit dabei Jonathan Kreuder an der Orgel. Der heute 20-jährige Jonathan begann im zarten Alter von sechs Jahren zunächst mit dem Hornspiel. Daneben wurde er von 2012 bis 2019 in Friedberg bei Kantor Ulrich Seeger an der Orgel ausgebildet. Ab 2017 wurde er zusätzlich von Diez Eichler im Cembalo- und Generalbassspiel unterrichtet. Seit dem Wintersemester 2020/21 studiert er Kirchenmusik an der HfM Mainz.
Und dass er sein Handwerk beherrscht, stellte er gleich zu Beginn unter Beweis. Mit der bekanntesten Orgelkompositionen des französischen Organisten Louis Lefebure-Wely, dem Konzertbolero („Boléro de concert“) g-Moll Opus 166, startete er in das etwas andere Konzert. Die Bläser des OBE zogen nach und nahmen die Zuhörer mit auf eine Reise durch die Zeit. Sie verweilten bei Bizets „Carmen“, die damals (1846) vom Publikum nicht angenommen wurde und sich erst nach dem frühen Tod Bizets zu einem der größten Erfolge der Operngeschichte entwickelte. „Der 3. Mann“ von Anton Karas führt in Wiens Unterwelten, bevor gemeinsam mit John Lennon und Paul McCartney über die „Penny Lane“ geschlendert wird. Penny Lane ist eine Straße in Liverpool. Die Straße befindet sich dort, wo John Lennon und Paul McCartney aufwuchsen. Alle erwähnten Orte und Personen des Liedes stammen aus McCartneys Erinnerungen. Ein Sprung zurück: Die Ankunft der Königin von Saba ist eine virtuose und mitreißende Komposition aus dem dritten Akt des Oratoriums ‚Salomon‘ von Georg Friedrich Händel. Bis heute zählt das Stück, das den Besuch der glamourösen Königin am Hofe des israelitischen König Salomons in schwungvoll-festliche Töne fasst, zu den beliebtesten Werken des Barock. Und bringt die Bläser des OBE, die in der warmen Kirche ohne schwarzes Jacket auftreten, sichtlich ins Schwitzen.
Doch damit nicht genug. Auf dem Programm stand noch J.S. Bachs „Präludium C-Dur“, BWV 547, von dem es zu Richard Wagners „Tannhäuser“ ging. Das Blechbläserensemble gab dem Pilgerchor sein Geleit, um dann in einem Haus voller Katzen zu landen. Chris Hazells „Brass Cats“, die von vier herrenlosen Katzen erzählen, die bei ihm zu Hause einzogen, da er ihnen freie Kost und Logis besorgte. Sie liebten ihn und entschlossen sich, bei ihm zu bleiben. Ihre ganz eigenen Charaktereigenschaften hat er musikalisch in den „Brass Cats“ widergespiegelt. Großes Finale mit Eugene Gigouts „Grand choer dialogue“ und stehenden Ovationen des Publikums, das natürlich noch eine Zugabe forderte und bekam. Ein gelungenes Experiment, das so oder in anderer Form gern wiederholt werden kann.
Das OBE unterwegs
Neben dem „Experimentieren“ mit Konzerten unterschiedlichster Art ist das OBE noch ganz anderweitig aktiv. Vor sechs Jahren hatte man Kontakt mit dem Blasorchester der Kelkheimer Partnerstadt High Wycombe aufgenommen und in der Chiltern Hills Brass Band (CHBB) einen Partner gefunden, der ähnlich „tickt“ wie das OBE. Semiprofessionelle ambitionierte Laien aus Deutschland treffen auf ebenso Gesinnte in England. Eine Partnerschaft war geboren, die bis heute anhält und auch Corona überstanden hat. Seit 2017 besucht man sich gegenseitig, während der Pandemie spielten sie online gemeinsam, hielten Workshops ab, um nicht aus der Übung zu kommen. Gerade erst war das OBE zu Gastbesuch in High Wycombe, um gemeinsam ein Konzert zu gestalten. In der vollen Kirche von High Wycombe zeigten die Blechbläser ihr Können – mal allein, mal zusammen mit der CHBB. „Es ist schon ein tolles Erlebnis. Gerade, wenn man mit anderen Kulturen Musik macht. Wir hoffen, die Partnerschaft so weiter vertiefen zu können, da sind solche Fahrten und so ein reger Austausch natürlich eine perfekte Möglichkeit“, ist sich Jochen Ballach sicher, der seit 10 Jahren Vorsitzender des OBE ist. Und man kann so Einiges erleben. Denn nach dem Konzert mit dem CHBB stand am nächsten Tag ein tolles Event auf dem Plan. Mit der Buckinghamshire Band, der Band, die auch schon für die inzwischen verstorbene Queen aufspielen durfte, war ein Band Concert im Memorial Gardens in Old Amersham geplant. Doch manchmal kommt es anders als man denkt. Das Wetter machte der Open Air-Veranstaltung einen Strich durch die Rechnung – wegen eines ausziehenden Sturms wurde alles abgesagt. Doch die Blechbläser wären nicht die Blechbläser, wenn sie sich von so etwas abschrecken lassen würden. Kurzerhand zog man in den Probenraum der Royal British Legion Band Buckinghamshire, pinnte einen Zettel auf die Ankündigungsplakate und spielte vor einigen Zuhörern gemeinsam auf. „Das war schon ein sehr witziger und spezieller Auftritt. Das macht auch den Reiz am Ganzen aus“, so Jochen Ballach. Man kann gespannt sein, was beim Gegenbesuch, der bestimmt stattfinden wird, noch so alles passiert.