Peter Holder – Eine voll besetzte St. Dionysius Kirche genießt ein einzigartiges Orgelkonzert

Der Organist Peter Holder (li.) und der Mann, der ihn nach Kelkheim lockte – Stephan PaxmannFoto: Thomas Zellhofer

Kelkheim (tz) – „Der Organist des Königs von England Charles III kommt nach Kelkheim“. Mit diesen besonderen Worten kündigt St. Dionysius mit Stephan Paxmann, dem Organisten der Kirche, ein Orgelkonzert der Spitzenklasse an. Und es wird gleich von Anfang an royal mit der englischen Nationalhymne: „God save our gracious king“. Und bei diesen Klängen zum Einstieg glaubt man wirklich, dass König Charles III den Altarraum von St. Dionysius betritt. Der Altarraum wird allerdings von keinem weniger betreten als von dem jungen Organisten von Westmister Abbey in London. Er hat auch das besondere Bestattungszeremoniell von Queen Elisabeth II Ende letzten Jahres musikalisch in Westminster Abbey begleitet. Vielleicht können sich noch viele Kelkheimer an das junge Gesicht an der Orgel erinnern. König Charles III hat ihm auch schon einmal die Hand gereicht.

Und dann kommt die Choral Fantasie „The Old Hundredth“ (Hymne der Einhundert) von Hubert Parry (1848–1918). Die Hymne der Einhundert ist eine der bekanntesten Melodien der christlichen Musiktradition und basiert auf einer Vertonung des 134. Psalm aus dem 16. Jahrhundert. Bestechend bei dieser Hymne in G-Dur sind fast ausschließlich ganze und halbe Töne.

Master Tallis‘s Testament wurde 1940 von Herbert Howells (1892–1983) komponiert. Es ist eine Hommage an Thomas Thallis, ein 1505 in Kent geborener und 1585 in Greenwich verstorbener Komponist. Es handelt sich hierbei um ein dreiteiliges Stück mit Variationen über das gleiche Thema mit einer sehr intensiven Klangbearbeitung. Es beginnt sehr einfühlsam und ausgesprochen still und steigert sich im weiteren Verlauf auf ein starkes forte-fortissimo. Zum Schluss mündet es im dritten Teil dann wieder in leise Takte. Es ist eine sehr intime Komposition, die sich auf das Wesentliche des Lebens von Thomas Thallis konzentriert.

Eindrucksvoll ist auch das Leben des Komponisten, der als das jüngste von sechs Kindern in die Schuhe seines Vaters, einem ehrenamtlichen Organisten, schlüpft. Schon sehr früh erkannte er seine vielversprechende musikalische Begabung. Er studierte zunächst an der Gloucester Cathedral und danach am Royal College of Music in London. 1915 wurde bei ihm das Leben schwer, da eine Schilddrüsenerkrankung diagnostiziert wurde und ihm nur noch ein kurzes Leben in Aussicht gestellt wurde. Daher beschlossen die Ärzte, eine bislang unerprobte Behandlungsmethode anzuwenden, und er wurde als der erste Patient in Großbritannien einer Strahlentherapie unterzogen. Eine einzigartige Geschichte eines bekannten englischen Komponisten. Fast 70 Lebensjahre waren ihm noch gegönnt.

Mit „A fancie from My Layde Nevells Booke of Virginal Music” von William Byrd (1543 –1623) erklang ein mittelalterliches Stück, welches eine außergewöhnliche Klasse im elisabethanischen Zeitalter demonstriert. Als Zeitgenosse von William Shakespeare sang er schon als Kind in der königlichen Kapelle und blieb bis zu seinem Tod ein „Gentleman of the Royal Chapel“ trotz seines nie abgelegten katholischen Glaubens. Mit etwa 500 Werken war er äußerst produktiv und hinterließ den folgenden Generationen ein festes Fundament an musikalischer englischer Tradition.

Zum Schluss kam eine besondere Komposition von Henry Wood (1869–1944) durch die beiden mächtigen und circa 7 Meter hohen Holzboxen der digitalen Orgel von St. Dionysius. Henry Wood begründete 1895 die inzwischen legendäre Konzertreihe der Promenadenkonzerte, kurz PROMS genannt. Besondere Berühmtheit erlangte seine Fantasie von British Sea Songs, die 1905 bei den PROMS uraufgeführt wurden. Diese Sea Songs beschreiben die Schlacht von Trafalgar aus Sicht eines Seemanns. Sie enden mit der inoffiziellen Nationalhymne der „Rule Britannia“.

Peter Holder wird auch die Krönung von König Charles III an der Orgel gestalten. Aber vorher schaut er noch einmal drei Tage in Kelkheim vorbei. „Wenn das mal nicht ein königlicher Start in das neue Jahr 2023 ist“, freut sich Stephan Paxmann, der Organisator der Meisterkonzerte in Münster. Er fügt hinzu: „Mit Peter Holder kommt ein Ausnahmekünstler nach Kelkheim, der sonst in den geschichtsträchtigen Kirchen der Welt seinen Dienst versieht. Es ist großartig, dass er eines seiner seltenen Konzerte im Ausland bei uns an der großen Orgel in Kelkheim-Münster spielt“.

Holder hat schon als Orgelstudent an der Westminster Abbey studiert und im weiteren Verlauf auch bei Jon Laukvik in Stuttgart und bei Thierry Escaich in Paris Meisterklassen absolviert. Von 2014 bis 2017 wurde er als Suborganist an die St. Pauls Cathedral in London berufen. Heute ist Peter Holder der Hauptorganist der Westminster Abby in London.

Eine stattliche Anzahl von 398 Besuchern des Meisterkonzertes war begeistert von den Orgeldarbietungen von Peter Holder. Nach den Fantasien von Henry Wood mit Rule Britania konnte sich das Publikum nicht mehr halten und belohnte ihn mit minutenlangen Standing-Ovations. Mit der typisch englischen Gestik des milden Lächelns bedankte er sich beim Publikum.



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