Sand aus der Ukraine zaubert vergängliche Bilder

John Lennon: großer Musiker und Kämpfer für den Frieden. Unvergessen sein Song „Give peace a chance“. Fotos: Kulturgemeinde

Kelkheim
(tub) – Wenn ein Vorhaben wie Sand zwischen den Fingern einer Hand zerrinnt, zerbricht üblicherweise ein Traum, hat sich ein Plan als völlig unrealistisch herausgestellt. Nicht so der Sand in den Händen von Svetlana Telbukh: Die ukrainische Performance-Künstlerin verleiht dem zwar körnig festen, aber flüchtigen Material Form und Aura, Leben und Glanz – der allerdings so wechselhaft sein mag, wie das Leben selber.

Die gut 180 Zuschauer im Fischbacher Bürgerhaus waren am vergangenen Samstag hingerissen und begeistert. Und die Veranstalter sehr froh. Nicht allein, dass sich die Künstlerin als wahre Zauberin ihrer Zunft zeigte, sondern dass es gelungen war, den Menschen nach Coronawochen in Lebensdiät ein attraktives Programm zu bieten, das noch dem vorsichtigsten Zeitgenossen zu einem Schritt aus der Zurückhaltung nahelegte.

Und keiner wird sein Kommen bereut haben. Diese Mischung aus Magie und Musik, die zauberhafte Verwandlung von eben erst gezogenen Linien aus Sand zu neuen Gesichtern und darstellenden Formen, gab der begleitenden Pop-Musik aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wie auch dem Gesang der unvergesslichen Edith Piaf eine ganz neue Präsenz. Nie waren die sich aufbauenden Triumpfkadenzen von Freddy Mercurys „We are the Champions“ mehr Siegesfanfare als in diesen Momenten, da die wie beiläufig über den Bildern schwingende Hand neue Formen und Gestalten entstehen ließ. Und selbst den hüftschwingenden Elvis („the pelvis“) schien – eben erst aus feinen Sandstreifen entstanden – ein magisches Leuchten zu ergreifen.

Umso erstaunlicher dann, als die Künstlerin die Zuschauer einlud, auf die Bühne zu kommen und den geradezu kargen Arbeitstisch zu bestaunen: Die unterleuchtete Glasplatte fing den aus der Hand rieselnden Sand auf, mehr nicht. Aber den eben erst gezogenen Linien aus Sand verlieh das untergründige Licht eine schwarze Präsenz und arbeitete die Porträts etwa der Beatles als geradezu dreidimensionales Gegenüber aus.

Wie die Künstlerin erläuterte, stammt ihr Sand zum einen Teil aus der Sahara, vor allem aber aus dem sehr feinkörnigen, rötlich schimmernden Sand eines ukrainischen Flusses, wodurch die Sandmalerei eine ganz eigene Färbung erhält. Lediglich eine Milchflasche voll dieses Materials genügt der Künstlerin, ihre werdenden und vergehenden Linien auf die Glasplatte rieseln zu lassen und mit wenigem Handwischen neue Bilder entstehen zu lassen.

Die Reaktion des Publikums kann nicht anders als begeistert bis hingerissen beschrieben werden. Es lag der Künstlerin aus der ostukrainischen Stadt Charkiw sprichwörtlich zu Füßen. Bekannt wurde Svetlana Telbukh durch ihren Auftritt in der Fernsehshow „Das Supertalent“. Seither hat sie mit ihrem Team „The Show must go on” entwickelt, in der sie zusammen mit anderen Artisten immer neue Sandperformances kreiert.

So überwältigend geradezu die Show, so zurückhaltend bis schüchtern die Künstlerin. Während der Show kam aus ihrem Mund kein erläuterndes Wort, was die Magie des Augenblicks unterstützt haben dürfte. Nach Fischbach war sie am Tag des Auftritts mit ihrem Mann und der anderthalb Jahre alten Tochter von ihrem derzeitigen Wohnsitz in Lübeck gefahren.

Wie sie erzählt, hat sie vor 13 Jahren eine Sandmalschule für Kinder aufgemacht. Und in sehr gutem Deutsch fügte sie hinzu, dass die Sandmalerei durchaus typisch für ihre Heimatstadt Charkiw sei, das in hohem Maße künstlerisch geprägt, sehr innovativ und begierig sei, neue Ausdrucksformen zu entwickeln.

Die beiden Veranstalter, der Eppsteiner Kulturkreis und die Kulturgemeinde Kelkheim, repräsentiert durch Catherine Hueber, die durch das Programm führte und nach der Performance im Gespräch mit der Künstlerin den Rahmen setzte, waren überaus glücklich über den überwältigenden Zuspruch des Publikums zu dieser außergewöhnlichen Show. „Wir suchen einen Neuansatz für kulturelle Veranstaltung in diesen Coronazeiten, der den Hunger nach guter, gehaltvoller Unterhaltung trotz der anhaltenden Vorsicht zu stillen vermag“, sagte Hueber.

Es ist den Veranstaltern gelungen und zugleich Ansporn für weitere herausragende Events, die sich schon jetzt ankündigen. Dass so viele Menschen den Weg ins Fischbacher Bürgerhaus fanden, macht ihnen Mut, das ausgefeilte Programm weiter zu pflegen und neue Leckerbissen anzubieten. Auch wenn die Erfahrung derzeit zeige, dass sich die Gäste erst sehr spät entschlössen, sich auf den Weg zur Kultur zu machen. Und dass Karten geradezu „auf den letzten Drücker“ reserviert würden – was die Arbeit der Kulturplaner nicht erleichtere und das zumindest gefühlte Risiko für die Veranstalter erhöhe. Aber solcher Lohn wie durch die Sandperformance von Svetlana Telbukh ist nach eigener Angabe der Veranstalter mehr als Grund genug, das ambitionierte Programm weiter zu pflegen und auszubauen.

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