„Die wahre Gemeinde ist aus Menschen gebaut“ – Stephanuskirche profaniert

Dekan Martin Fedler-Raupp entweiht die liturgische Ausstattung der Stephanuskirche.

Hornau (ju) - Der letzte Gottesdienst in der evangelischen Stephanuskirche in Kelkheim-Hornau war ein Moment voller Trauer und Erinnerungen, aber auch von leiser Hoffnung geprägt. Am Ewigkeitssonntag wurde der endgültige Abschied von der Kirche besiegelt. Nach über 60 Jahren, in denen die Stephanuskirche ein fester Bestandteil der Gemeinde und des Stadtteils war, mussten die Türen nun endgültig geschlossen werden. Die Profanierung des Gebäudes, also seine Entweihung, ist ein schwerer Einschnitt für die Mitglieder der Gemeinde. Viele Besucher und Verantwortliche konnten an diesem Abend ihre Tränen kaum zurückhalten.

Ein Abschied voller Emotionen

Annette Eckes, Mitglied des Kirchenvorstands, sprach während des Gottesdienstes aus, was viele fühlten: „Wir haben schon letzte Woche mit den Tränen gekämpft, heute ist es noch viel schlimmer.“ Sie betonte, wie schmerzhaft diese Entscheidung gewesen sei, die man sich nicht leicht gemacht habe. „Aber alles kommt und alles geht.“ Der Verfall der Bausubstanz und die steigenden Kosten hatten die Gemeinde jedoch vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. „Wir müssen heute leider einen Ort aufgeben, an dem soviel passiert ist – Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten, Trauerfeiern. Es schmerzt, diesen Ort nicht mehr als Kirche zu nutzen“, erklärte sie in bewegenden Worten. Jetzt bereite man sich auf den Zusammenschluss mit der Lukasgemeinde (Paulusgemeinde und St. Johannes Fischbach seit diesem Jahr) zum 1. Januar 2026 vor. Für Thomas Kirst, der über zwei Jahrzehnte dem Kirchenvorstand angehörte, war der Abschied genauso schwer: „So habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich hätte mir gewünscht, dass die größte evangelische Kirche in Kelkheim bestehen bleibt.“

Viele Gemeindemitglieder empfanden den Moment als einen Abschied von Heimat und Vertrautheit. So wie es Gemeindemitglied Jörg Rohrbach im Stephanus Brief beschrieb: „Die Stephanuskirche ist ein Ort, an dem die Menschen die Gegenwart Gottes spüren. Es ist ein Ort des Glaubens, des Gebetes, der Gemeinschaft.“ Gleichzeitig wurde jedoch auch deutlich, dass der Geist der Kirche – die Gemeinschaft – unabhängig von Mauern und Gebäuden weiterleben kann.

Hoffnung und Ermutigung

Pfarrerin Heike Schuffenhauer, die seit dem Weggang von Astrid Hannappel 2022 die Gemeinde betreut, verglich die Profanierung mit einer Trauerfeier, bei der die Kirche zu Grabe getragen würde. Doch sie fand Worte der Ermutigung: „Eine Kirche aus Stein impliziert nicht eine funktionierende Gemeinde. Die Menschen sind die Kirche, nicht die Mauern aus Beton.“ Zur Erbauung erzählte sie die Geschichte einer englischen Gemeinde, die darniederlag, bis der Pfarrer sie zu einem Trauergottesdienst einlud, bei dem die örtliche Kirche beerdigt werden sollte. Jeder sollte einen Blick in den Sarg werfen und jeder fragte sich, was in dem Sarg wohl drin sei. Es war ein Spiegel, der jedem Gemeindemitglied verdeutlichte, wen und was die Gemeinde ausmacht. Sie forderte die Stephanusgemeinde auf, weiterhin aktiv zu bleiben und den Glauben gemeinsam zu leben, auch ohne das Gebäude. „Lasst euch auch selbst als lebendige Steine zur Gemeinde aufbauen.“

Ein Abschied mit Verantwortung

Bürgermeister Albrecht Kündiger erinnerte an die lange Geschichte der Stephanuskirche und versprach, dass die Stadt die Gemeinde nicht allein lassen werde. Die Kita bleibt erhalten, und die Möglichkeiten einer neuen Nutzung des Gebäudes sollen gemeinsam mit der Kirchenleitung in Darmstadt ausgelotet werden. Kündiger sprach von der Notwendigkeit, sich zu bewegen, und lobte die Gemeinde für ihren Mut, diese schwierige Entscheidung zu treffen.

Ein Neubeginn ohne Ballast

Der Abend endete mit gemischten Gefühlen. Der stimmgewaltige Chor, der anfangs das „Hallelujah“ anstimmte, verabschiedete die Kirche mit einem letzten „Bye, Bye“. Dekan Martin Fedler-Raupp sprach von der Hoffnung, dass das Gebäude in Zukunft weiterhin den Menschen dienen könne, bevor er Kerze, Bibel und Kreuz auf den Weg aus der Kirche schickte. Pfarrer Stefan Rexroth machte deutlich, dass die Gemeinde nun leichter ohne die Last eines großen Gebäudes nach vorne blicken könne. „Nun können wir mehr das tun, wofür wir Kirche sind: für die Menschen da sein, ohne Ballast auf dem Rücken“, sagte er. Er ermutigte die Gemeindemitglieder, das Lachen nicht zu verlieren und mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken.

Eine Kirche, die weiterlebt

Obwohl die Stephanuskirche als Gebäude profaniert wurde, bleibt sie ein Symbol für die Gemeinschaft und den Glauben in Hornau. Dieser Abschied markiert nicht das Ende, sondern den Beginn eines neuen Kapitels – in der Hoffnung, dass die Menschen weiterhin zusammenfinden, um gemeinsam Kirche zu sein.

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