Vor 70 Jahren – als die Bomben auf Falkenstein fielen

Hermann Groß und sein Bombenköfferchen, das er als Falkensteiner Bub immer mitführen musste, um für den Fall gerüstet zu sein, dass Bomben auf Falkenstein fielen – ein Schreckensszenario, das am späten Abend des 2. Februar 1945 Realität wurde.

Foto: Schemuth

Falkenstein (el) – Als „Tag der Befreiung“ hatte der kürzlich verstorbene Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker den 8. Mai 1945 bzw. das Ende des 2. Weltkrieges und die Kapitulation der Deutschen in einer viel beachteten Rede in den 80er-Jahren bezeichnet. Auf eine Zeitreise, die sich genau mit den Wochen und Tagen vor diesem monumentalen Datum (8. Mai 1945) beschäftigt, nahm Hermann Groß seine Zuhörer im kleinen Saal des Bürgerhauses Falkenstein am Sonntagnachmittag. So fügte sich das große Puzzle aus vielen kleinen Teilen zusammen, die vor allem auch die Geschichte eines kleinen, abgelegenen Dorfes erzählen.

Der Krieg machte auch vor den Toren Falkensteins nicht Halt, so sehr man auch versuchte, ihn auszusperrren. 1.000 Einwohner zählte das Bergdorf damals.

Falkenstein ist sicher, hieß es immer. Hier hatte man auch viele Ausgebombte und Menschen aus anderen Stadtteilen aufgenommen. Das heutige Hotel Kempinski mit seinem unterirdischen Tunnelsystem und der damalige Frankfurter Hof dienten beide als Lazarett. Auch eine eigene Scheinwerferstation gab es in Falkenstein samt Stromversorgung. Bei den in den meisten Wohnhäusern vorhandenen „Luftschutzräumen“ habe es sich jedoch lediglich um „Psychologie“ gehandelt, wie der Referent – damals ein kleiner Bub – heute eingestehen muss. Wie die anderen Schüler der damaligen Zeit auch, habe Groß neben seinem Schulranzen auch stets ein „Bombenköfferchen“ mit sich führen müssen, das er seinen Zuhörern auch am besagten Nachmittag aus nächster Nähe präsentierte.

Groß berichtete von viel Zusammenhalt unter den Falkensteinern in der Kriegszeit. In der heutigen Heinzmannstraße habe man beispielsweise Keller gemeinsam genutzt, um hier Zuflucht in Zeiten von Bombenalarmen zu finden. Der 2. Februar 1945 markierte auch ein schicksalhaftes Datum für die Falkensteiner. Damals beschlossen die Engländer noch kurz vor Kriegsende, dass Wiesbaden „dran“ sei. Es habe sich um eine Restoperation gehandelt. 495 Lancaster Bomber trugen den Brand in die Stadt, in der 170.000 Menschen lebten. Mit den Bomben starb auch die Hoffnung „Wiesbaden werden sie verschonen, denn hier werden sie einmal wohnen“. 600 Todesopfer und 20.000 Obdachlose waren nach dem Angriff zu beklagen. Trotzdem hatten die Wiesbadener noch Glück im Unglück.

Die Wetterlage sorgte dafür, dass die Bomber ihre Tod bringende Fracht nicht komplett abladen konnten. Unverrichteter Dinge wollten die Engländer auch nicht nach Hause fliegen, also wurde das Umland anvisiert. In Falkenstein sei vor allem der untere Ortsteil von dem großen Bombenangriff vor 70 Jahren betroffen, berichtete Hermann Groß seinen aufmerksamen Zuhörern, unter denen sich auch einige Zeitzeugen befanden, die als Kinder diese Schreckensnacht in Falkenstein hautnah miterlebt hatten.

Besonders verheerend: Nachdem man fünf Jahre lang sein Bombenköfferchen mit dem Notwendigsten zum Überleben mitgeführt habe und jedes Mal nach einem Alarm doch nichts passiert sei, habe sich unter der Bevölkerung auch eine gewisse Nonchalance nach dem Motto „Wird schon nichts sein“ eingestellt. Auch in jener Nacht vor 70 Jahren hörte man Kinder wie den kleinen Hermann sagen „Ich bleibe liegen, bis die ersten Flieger kommen.“

51 Brände in Falkenstein

Nur leider folgte auf das Sirenengeheul diesmal tatsächlich ein Angriff, auf den keiner vorbereitet war. Gegen 23 Uhr wurde am 2. Februar 1945 in Falkenstein Großalarm gegeben. Bei hohem Schnee, Glatteis und Eisregen galt es hinterher, 51 Brände, darunter neun Totalbrände, zu löschen. Erst am nächsten Tag um 10 Uhr sollte man das Feuer unter Kontrolle haben. Hermann Groß entsinnt sich: „Irgendwann haben wir gemerkt, dass wir es nicht mehr packen, woanders Unterschlupf zu finden und sind ins Haus zurück gegangen. Dort sind wir einfach auf der Treppe sitzen geblieben. Ein Gartenfenster ist uns um die Ohren geflogen, eine Bombe fiel in den Luftschacht.“

Die Mutter habe sich dann angezogen, um wie viele andere Falkensteiner auch, beim Löschen zu helfen. Die Feuerwehr, die damals aus älteren Männern und Buben bestand, habe es aufgrund der eisigen Witterung mit geplatzten Schläuchen zu tun gehabt. Der Falkensteiner Helmut Elbe, damals elf Jahre alt, hatte es nicht weit von seinem Haus bis in die rettenden Tunnels des heutigen Kempinski. Als man ins Haus zurückkehrte, habe man dieses unversehrt vorgefunden und das trotz der Tatsache, dass eine Brandbombe durch den Dachboden gefallen sei. Sie habe sich aber nicht entzündet, wie viele andere auch, die in den Schneemassen liegen geblieben seien.

In Königstein befand sich der Brandherd vor allem in der Theresenstraße, Limburger Straße und im Ölmühlweg. Tragisch war auch das Schicksal von vier Müttern und sechs Kindern in Mammolshain, die alle in einem Keller Schutz suchten und ums Leben kamen. Pfarrer Geis registrierte nach dem Angriff, dass alle Fenster in seiner Kirche zerschossen wurden und dennoch war der Ansturm auf die Kirche nach den Bomben unwahrscheinlich groß. 717 Menschen fanden sich zu drei Gottesdiensten ein.

Neben den Aufräumarbeiten nahmen die Bewohner des Bergdorfes auch einige Evakuierte bei sich auf. Dies geschah auf Anweisung. So quartierte sich bei der Familie Meser in der Nüringstraße erst eine Familie aus Berlin ein und später ein Mann, den man ob seiner ruhigen Art in „Luwa, der Berggeist“ taufte. Luwa musste man drei Jahre erdulden, bis der Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte. Eine Falkensteinerin erinnert sich an die harten Zeiten, die vor allem dadurch gekennzeichnet waren, dass man nichts zu essen hatte. Ihr Vater habe sogar die Kartoffeln, die im Schulhof gelagert wurden, vor Plünderern bewachen müssen.

Die Amerikaner kommen

Wenige hätten in dieser Zeit ein Radio gehabt. Man habe wenig Neuigkeiten über das nahende Kriegsende erfahren, so Groß, der von den Versuchen der Falkensteiner berichtete, durch Straßensperren zu verhindern, dass die „Amis“ nach Falkenstein kommen. So lieferten Pferdefuhrwerke das Holz für die Sperren. Im strategisch wichtigen Reichenbachtal – hier war die Befürchtung, dass die Amis von Königstein aus durchs Tal nach Falkenstein vorstoßen – sei ein gewisser Landwirt Wackeler für die Errichtung der Straßensperre zuständig gewesen. Das Unterfangen endete jedoch im Fiasko, denn man legte zwischendurch eine Vesper ein, bei der mächtig viel Apfelwein floss, so dass vom Stämmeaufschichten hinterher nicht die Rede sein konnte. Das Holz fand aber auch so seine Abnehmer, schließlich wurde Brennholz zu dieser Zeit in Falkenstein dringend benötigt.

Gerade mal mit einem blauen Auge kamen die Falkensteiner davon, als in der Zeit der Truppendurchmärsche Ende März 1945 eine schwere Flak-Artillerie in Falkenstein in Stellung ging, der der Sprit ausgegangen war. Die Falkensteiner reagierten schnell und wohl überlegt, um Schaden von ihrem Dorf abzuwenden und einige von ihnen taten sich zusammen und trugen einiges an Alkohol zusammen, um diesen anderswo gegen Sprit einzutauschen, so dass die Artillerie weiterziehenkonnte.

Am 29. März rückten die Amerikaner in Falkenstein ein. Es gab keinen Widerstand, der Schulbetrieb wurde bis zum Herbst eingestellt und am 6. April wird Hermann Groß als neuer Bürgermeister eingesetzt. Mitte April wird der Reichenbachweg durch US-Fallschirmjäger abgesperrt und die Villen beschlagnahmt, so dass die Hohen Kommissare dort einziehen konnten.

Am 23. April wurde der katholische Kindergarten wieder eröffnet und von 58 Kindern besucht. Ende April wurde nach den Vorstellungen der Amerikaner auf Vorschlag von Bürgern der „Aufbau-Ausschuss“ eingerichtet, der eine Art kommissarische Gemeindevertretung darstellte. Ihm gehörten Josef Dietz, Georg Feger, Adam Hasselbach, Dr. Josef Heinz, Wilhelm Herd, Jean Krimmel, Dr. Kudwig Merz, Anton Pfaff, Jakob Pfaff und Philipp Schmidt an. Die ersten Kommunalwahlen erfolgten im Januar 1946.

Erst vor kurzem hatte Hermann Groß einen viel beachteten Abend im Hotel Kempinski gestaltet, an dem er aus literarischer Sicht mit Hilfe verschiedener Autoren und Dichter wie Adolf Stoltze und Walther von der Vogelweide den Falkensteiner Winter unter die Lupe nahm.

Foto: Stehle

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