A besonner Wallfardd zur Königstääner Kerbb

Christian Bandy, Hermann Groß, Hedwig Groß und Hubert Krämer (v.l.n.r.) gaben die Geschichte des Schiffbruchs des Raddampfers „Freie Stadt Frankfurt“ sicher ganz im Sinne Friedrich Stoltzes zum Besten.
Foto: Diel

Königstein (die) – A besonner Wallfardd zur Königstääner Kerbb ... dieses Unternehmen hatten dereinst im Jahre 1827 einige vergnügungshungrige Frankfurter. Einen schönen Plan hatte man dazu im „Gasthaus zum Rebstock“ ausgeheckt. Motoren gab es noch nicht, eine Königsteiner Kleinbahn also auch nicht, eine Kutsche war zu klein, zu Fuß war es zu weit.

Praktisch veranlagt war man aber auch schon im 19. Jahrhundert und so entschloss sich die Frankfurter Gemeinde, mit einem Schiff von Frankfurt nach Königstein zur Kerb zu reisen. Sie fragen sich gerade, wie das gehen soll? Na, ganz einfach: Man nehme einen Dampfer, stelle ihn auf vier Räder, spanne vier Pferde davor, wappne sich zur Stärkung mit einer Reihe von Weinkörben sowie Proviant und viel Enthusiasmus und beginne seine Reise nach Königstein über die „Sodener Chaussee“ via Höchst, Nied, Bad Soden, Altenhain und Neuenhain. Die Königsteiner erblickten diesen Tross mit Misstrauen, ein Schweizer Kurgast, Herr Amstutz, sah von der Königsteiner Burg aus sogar das Ende der Welt nahen, dachte er doch, das Schiff sei ein Zeichen für sich ankündigende Fluten. Die Frankfurter Gesellschaft zog einen wahren „Tourismusschwarm“ zur Königsteiner Kerb nach sich, denn dieses Event sprach sich unter den Frankfurtern auch ohne WhatsApp schnell herum.

Nach Ende der Kerb begab sich das Schiff wieder in Richtung Frankfurt, in Höhe des „Batzehausis“ jedoch brach ein Rad, die Frankfurter Insassen kullerten umeinander und Hilfe für die Schiffbrüchigen war vonnöten. Zum Glück waren die „Neuehaaner“ kompetent im Radwechseln und ersetzten das gebrochene Rad mit dem eines Viehwagens. Die Größe der Räder war jetzt nicht mehr gleich, aber es funktionierte, und etwas eiernd wackelte das Schiff wieder gen Frankfurt. So weit die Überlieferung dieser Begebenheit.

Hermann Groß und sein Team lasen jüngst im Rahmen der diesjährigen Veranstaltungsreihe der Königsteiner Kulturgesellschaft im lauschigen Kurpark auf der Terrasse der Villa Borgnis diese Geschichte von Friedrich Stoltze – „Der Schiffbruch der freien Stadt Frankfurt“. „Fritzi“ Stoltze soll dereinst als Kind dieses Happening live miterlebt haben, die absonderliche Geschichte beruht also durchaus auf wahren Tatsachen.

Hermann Groß hat einen hervorragenden hessischen Dialekt, und so konnten er und seine kompetenten Mitstreiter – Hedwig Groß, Christian Bandy und Hubert Krämer – dem zahlreich erschienenen Königsteiner Publikum auf charmante und schauspielerisch hochkarätige Weise dieses hessische Schätz‘sche darbieten. „Ich hab das Original nur etwas gekürzt und ein wenig auf uns Mundartler umgeschrieben, denn Sie sollen das ja auch gut verstehen können“, warf Groß schmunzelnd in die Runde. Eine Einführung gab es auch, natürlich mit „hessischen Vokabeln“, oder hätten Sie gewusst, was ein „Quadutter“ (kleine Buben), „Leinreider“ (Reiter, die früher die Schiffe mit Leinen den Fluss hinaufzogen) oder eine „Budell“ (Flasche) ist?

Wie Weihnachten und Ostern

Hermann Groß berichtete spannend wie ein Krimi, welche Bedeutung die Kerb, Kirb oder Kirmes früher für die Menschen hatte: Kerbekuchen, Kerbebaum, das Treffen der Familie, das Ausschauhalten nach geeigneten Heiratskandidaten, das Vergnügen zu tanzen, der Alkoholkonsum, kurzum, „das Zusammenfallen von Weihnachten und Ostern“ – so wichtig war damals für die Menschen die Kerb. Dieses Event gibt es in Königstein leider schon seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.

Das herrliche Wetter, die tolle Bewirtung durch die Villa Borgnis, die starken Stimmen der Vorleser/in und Friedrich Stoltzes Geschichte, das alles hat die Zuhörer begeistert und fasziniert.

Friedrich Stoltze war übrigens nicht nur Schriftsteller, sondern auch ein kritischer Journalist, der sich des hessischen Dialekts oft nur deshalb bediente, um seine kritischen Botschaften „zu verpacken“. In diesem Zusammenhang konnte man auch angeregt werden darüber nachzudenken, warum das witzige und etwas alberne Schiff ausgerechnet den Namen „Freie Stadt Frankfurt“ bekommen hatte. Und was wohl der Titel „Der Schiffbruch der freien Stadt Frankfurt“ bedeuten könnte?



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