„Deep Reading“

Unsere Leserin Anne Busche-Engelmann, Königstein, schreibt uns in Bezug auf unseren Artikel mit der Überschrift „ALK verweigert den Verzicht auf Papier“ (KöWo vom 6. Juli 2017).

In der Königsteiner Woche vom 6. Juli kritisiert Bürgermeister Helm die ALK insofern, als dass sie weiterhin die Baupläne, Gutachten und wesentlichen Unterlagen in Papierform möchte. Nun gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass Lesen am Bildschirm ein anderes Lesen darstellt als Lesen auf Papier. Vielleicht ist dem Bürgermeister dieser Unterschied nicht bekannt? In der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 9. Juli 2017 wird dies gut herausgearbeitet in dem Artikel mit der Überschrift „Wenn Kinder nicht mehr lesen können“.

Es wird dargelegt, dass es ein unterschiedliches Leseverhalten gibt auf Papier und am Bildschirm. So kommt Naomi Baron, Professorin für Linguistik an der American University, Washington, zu dem Ergebnis, dass der Bildschirm „für ein kontinuierliches Lesen längerer Textstrecken einfach ungeeignet sei“.

Und Maryanne Wolf, Professorin an der Tufts University, Massachusetts, erklärt den Unterschied so, dass am Bildschirm für langsames, lineares Lesen die Motivation fehle, die notwendig sei, um größere Texte für sich zu erschließen.

Dieses konzentrierte Erschließen bezeichnet sie als „Deep Reading“, was im Unterschied steht zu einem schnellen Dahinlesen am Bildschirm. Tatsächlich lesen wir täglich viel im Netz, unsere E-Mails, Nachrichten – aber dieses Lesen erfolgt nicht mit der Konzentration, die notwendig ist, um etwas geistvoll zu erschließen. Das erklärt, warum man trotz Bildschirmlesen von einem neuen Analphabetentum spricht, bei dem Menschen – trotz Schulbildung – nicht mehr in der Lage sind, längere Texte oder gar Bücher zu lesen.

Nun geht es beim Studieren von Bauplänen, Stellungnahmen und Gutachten, auf die Bürgermeister Helm verweist, um „schwere Kost“, die sehr konzentriert gelesen werden muss. Hier ist das vertiefte Lesen („Deep Reading“) absolut erforderlich, um etwaige Fehler zu erkennen, die später fatale Folgen für die Bürger Königsteins haben können. Man kann also nur hoffen, dass nicht nur die ALK ein Interesse daran hat, diese für Königstein wichtigen Unterlagen vertieft – und damit auf Papier – zu lesen.



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