Demokratiegeschichte im Weihnachtskonzert: Das Halleluja von Händel und der Staatsminister

Chor und Orchester der Goethe-Universität unter Leitung von Jan Schumacher brillierten mit geistlichen Werken des 18. Jahrhunderts. Foto: Schmitt

Königstein (hhf) – „Das Programm haben wir kurzfristig umgestellt“, eröffnete Moderator und Veranstalter Christoph Schlott vom Verein Terra Incognita e.V. gleich zu Beginn dem überraschten Publikum: Vor weitgehend voll besetztem Saal begann also das zweite Königsteiner Weihnachtskonzert im Haus der Begegnung mit einem „akademischen Teil“, denn Schlott erläuterte kurzweilig noch einmal den Besuchern die historischen Ereignisse von 1792/93, die im April 1793 zur Einrichtung des „Gefängnisses der ersten Demokraten“ auf der Festung Königstein geführt hatten.

Auch von der „Kriegsweihnacht 1792“ war hier programmgemäß die Rede, hatten doch die Preußen genau am 22. Dezember 1792 mit der Blockade der weitgehend ausgebombten Stadt Königstein begonnen: Nichts kam mehr hinein, niemand kam mehr hinaus: „Wir wissen nicht, wo die Königsteiner am Heiligabend 1792 Weihnachten gefeiert haben“, meinte Schlott: „Aber wir wissen, wo sie es sicher nicht gefeiert haben: im zerbombten Königstein.“

Grund für diese Ausführungen war die kurzfristig angekündigte Anwesenheit des Hessischen Staatsministers Axel Wintermeyer, der zusammen mit der Geschäftsführerin der Flughafenstiftung, Jutta Nothacker, erschienen war, um Schlott als Repräsentanten des Vereins Terra Incognita e.V. symbolisch einen Scheck in Höhe von 70.000 Euro zu überreichen. Wintermeyer: „Wir mussten nicht lange überlegen, ob wir dem Antrag von Terra Incognita e.V. auf Förderung seines demokratiehistorischen Projektes in Königstein zustimmen.“ Gemeint ist damit das Vorhaben des Vereins, Burg und Festung Königstein zu einer „Erlebnisstätte Festung Königstein – Ort europäischer Demokratiegeschichte“ zu gestalten und so das Themenspektrum auf der Burg deutlich zu ergänzen. Wintermeyer sieht hier die Festung Königstein im Kontext der zwei anderen nationalen Erinnerungsstätten an die nationale Demokratiegeschichte Paulskirche Frankfurt und Hambacher Schloss: „Solche Indentitätsstätten brauchen wir gerade in einer Zeit, in der um uns herum in anderen europäischen Staaten demokratische Grundwerte in Gefahr geraten und auch in Deutschland Rufe nach einer Umgestaltung unserer Grundordnung laut werden.“

Die Flughafenstiftung, deren Förderbescheid Schlott an diesem Abend erhielt, unterschrieben von Ministerpräsident Volker Bouffier, hat sich damit bewusst für einen Themenschwerpunkt entschieden, der im weiteren Sinn auch der politischen Bildung in unserem Land dient und die Festung Königstein deutlich aus dem Reigen der anderen und zahlreichen Burgen Hessens heraushebt.

„Er ist für uns die Richtschnur“, ergänzte abschließend Schlott diesen spontan ins Programm aufgenommenen Einführungsteil zum Konzert und verwies auf eine fünf Meter große Plane mit dem Porträt von Bundespräsident Gustav Heineman, die von der Galerie im großen Saal der HdB herunterhing: Heinemann hatte vor 47 Jahren zur Suche nach unseren demokratischen Wurzeln angeregt: „Es kommt nicht von ungefähr, dass sich im ersten Jahr unseres Projektes, im Jahr 2016, eine bundesweite ‚AG Orte der Demokratiegeschichte‘ (www.demokratie-geschichte.de) gebildet hat, deren Gründungsmitglied unser Verein ist.“

Schlotts Aufgabe wird nach seinen eigenen Worten nun sein, in Zusammenarbeit mit der Stadt und Partnern bis zum Frühsommer 2019 mit modernsten Mitteln aus der Festung einen „Erinnerungs- und Erlebnisort“ zu unserer Demokratiegeschichte zu machen: „Die Zeit der Schilder ist definitiv vorbei. Wir müssen uns Neues einfallen lassen“. „Gebautes“, so Schlott auf Nachfrage, „ist dabei gar nicht mehr vorgesehen.“

Das folgende Konzertprogramm, das in der Ankündigung unter dem Motto „Volksglaube, Aufklärung, Revolution“ stand, litt nun etwas unter der stark verkürzten Moderation: Die Programmzusammenstellung vornehmlich mit geistlichen Chor- und Orchesterwerken von Bach, Praetorius und Telemann führte die Zuhörer tief ins 17. und 18. Jahrhundert zurück, einer Zeit, als die Orchestermusik weitgehend dem Adel und den Fürstenhöfen vorbehalten war und von „kultureller Teilhabe“ noch nicht viel zu spüren war. Durchbrochen wurden die engagierten und präzise gebrachten Vorträge von Chor, Solisten und Orchester durch die „Sinfonie Veneziana“ von Antonio Vivaldi, die das Publikum ins mondäne Venedig der Dogen im 18. Jahrhundert führte, untermalt – wie der ganze Abend – von großformatigen Projektionen der Venedig-Gemälde Canalettos auf der großen Bühnenleinwand. Der Abend fand, musikalisch eingerahmt von der Europahymne, seinen krönenden Abschluss natürlich mit Georg Friedrich Händels „Halleluja“ und dem gemeinsam mit dem Publikum gesungenen Weihnachtslied „Macht hoch die Tür, die Tor‘ macht weit“.

Bürgermeister Leonhard Helm stellte sich ebenfalls in seiner kurzen Ansprache hinter das Anliegen des nun vom Land geförderten Projektes, vergaß aber auch nicht, den Königsteinern eine besinnliche und ruhige Weihnachtszeit zu wünschen. In der Pause waren angeregte Diskussionen zu beobachten, darunter auch mit Repräsentanten des Stadtparlaments und Bürgermeisterkandidat Ascan Iredi. Worum es wohl ging?

Der Abend endete spannungsgeladen nach mehr als zwei Stunden: Ein außergewöhnliches Weihnachtskonzert mit Werken von Heinemann, Telemann, Bach, Beethoven und Staatsminister Wintermeyer eben ...

Ein bemerkenswerter Tag für Königstein: Gelöste Stimmung bei der Übergabe des symbolischen Schecks durch Staatsminister Axel Wintermeyer an Christoph Schlott, den Vorsitzenden von Terra Incognita e.V., im Hintergrund Jutta Nothacker.
Foto: Schmitt

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