Ende einer Ära in Königstein: Bäcker Hees hört auf

Ellen und Emil Hees waren sie zusammen mit Annelise Hees (nicht auf dem Bild) über viele Jahrzehnte die Gesichter der Bäckerei Hees. Foto: Schemuth

Königstein (el) – Am 16. Dezember gehen in der Bäckerei Hees, die das Königsteiner Stadtleben über Jahrhunderte! geprägt hat, für immer die Lichter aus. Es ist kaum zu glauben und doch wird die Schließung des Traditionsbetriebes zur Realität, wenn man es aus den Mündern von Bäcker- und Konditormeister Emil Hees und seiner Frau Ellen hört. Beide haben sich sehr schwer getan mit der Entscheidung. Sie wirken traurig, wenn sie von der bevorstehenden Schließung sprechen. Dem endgültigen Aus für die Backstube war ein langer, circa fünfjähriger Überlegungs- und Abwägungsprozess vorausgegangen.

Am Anfang stand die Überlegung des Ehepaares, in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen. Beide sind seit 48 Jahren im Bäckerhandwerk tätig, haben sogar ihre Lehre zum selben Zeitpunkt angefangen. Da ist es nur legitim, wenn man irgendwann mal ans Aufhören denkt, so lange es einem gesundheitlich gut geht. Schließlich wollen die Unternehmer die „Zeit danach“ genießen, reisen und andere Interessen verfolgen.

Zunächst einmal verfolgte man intensiv die Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Ein Handwerksbäcker musste es sein. Einer, der seinen Teig noch selbst knetet und keine Fertigprodukte verwendet. Ein Filialist stand nicht auf dem Wunschzettel. Kuchen- und Hausrezepte sollten noch genauso in der Backstube unter der Leitung des Nachfolgers Verwendung finden wie man das von Bäcker Hees kennt und schätzt. „Es gab einige Interessenten“, sagt Emil Hees, „wir hatten sogar Anrufe aus dem Ausland.“ Außerdem hätten sich einige Bäcker vorgestellt, die mal „reinschnuppern” wollten, damit beide Seiten für sich feststellen konnten, ob man geschäftlich zusammenkommt.

Der Grundgedanke: Die Bäckerei Hees sollte weitergeführt werden, auch ohne die Gesichter, mit denen man sie seit Jahrzehnten in Verbindung bringt. Das ist neben seiner Frau Ellen und Emil Hees auch seine Mutter Annelise, die bis vor Kurzem noch mit 89 Jahren hinter dem Tresen des Ladengeschäftes in der Kirchstraße die Kunden bedient hatte. Ganze Generationen von jungen Frauen erinnern sich noch gut an ihre freundliche Art. Diesbezüglich weiß Emil Hees eine nette Anekdote zu erzählen, die unterstreicht, welchen Stellenwert die Bäckerei für die Königsteiner hat. Und dass es eben nicht nur ein Geschäft ist, das schließt. Vielmehr geht am 16. Dezember ein wichtiges Kapitel Stadtgeschichte zu Ende.

Seine Mutter habe über 60 Jahre im Geschäft verkauft, sagt Emil Hees. In letzter Zeit seien viele junge Frauen mit ihren Kindern in die Bäckerei gekommen, die selbst hier als Schülerinnen der St. Angela-Schule gute Abnehmerinnen der Mohrenkopfbrötchen gewesen seien. Heute würden die jungen Leute zwar nicht mehr die „Gedeschte“ bevorzugen, doch das Prinzip ist dasselbe. Eine Schülerin bringt das treffend auf den Punkt: „Ich werde nicht nur Sie vermissen, sondern auch meine leckeren Schokobrötchen“, vertraute sie unlängst Ellen Hees an.

Leider ändert das nichts an der Entscheidung, die nun für die Königsteiner zur Folge hat, dass der letzte brotbackende Bäcker in der Kurstadt seine Backstube schließt. Dabei hätte man das „Erfolgsmodell“ Hees, das ohne gute und treue Mitarbeiter gar nicht möglich gewesen wäre, gerne weiter gegeben, sodass sich die Königsteiner weiterhin an eigenen Kreationen wie dem beliebten Burgfestbrot hätten erfreuen können. Letzteres hatte Emil Hees seinem Patenkind Verena zu Ehren kreiert, als diese sich anschickte, 2009 als Burgfräulein inthronisiert zu werden. Seitdem ist das Burgfestbrot legendär. Doch trotz aller Anstrengungen und Suche über Kontakte, wie zum Beispiel der Bäckerinnung, konnte kein Nachfolger gefunden werden. Das ist sehr bedauerlich und den beiden Eheleuten Hees tut es am meisten weh, wobei sie natürlich auch an ihre treuen Stammkunden denken. Doch die hätten laut Ellen Hees bislang sehr verständnisvoll auf die Nachricht reagiert, die in Königstein bereits die Runde gemacht habe. „Wir sind alle unglaublich traurig, aber ihr habt Euch das verdient“, fasst Ellen Hees den Kommentar einer Kundin stellvertretend für weitere wohlwollende Äußerungen zusammen.

Bald werden die Tage der sechseinhalb Tage-Woche und des frühen Aufstehens (zwischen 0 und 2 Uhr) der Vergangenheit angehören. Es wird eine Umstellung sein, so viel ist klar. „Mein Mann ist Bäcker mit Leib und Seele“, hört man Ellen Hees sagen und versteht dann auch, dass es sich beide nicht leicht gemacht haben. Dazu muss man wissen, dass Emil Hees schon als Bäcker auf die Welt gekommen ist. Sein Vater, der während seiner Geburt Mittagsschlaf hielt, wurde mit der freudigen Kunde „Das gibt einen Bäcker!“ geweckt. Dieser Umstand sei von Anfang an eine Verpflichtung für ihn gewesen, so Bäcker Hees, der diese Berufsentscheidung auch seinerseits nie hinterfragt hat. Für ihn sei es auf jeden Fall die richtige gewesen, sagt er, der in seinem Berufsleben über 35 Lehrlinge ausgebildet hat, darunter auch den Fußballprofi Sebastian Jung.

Jedem, der Interesse am Handwerk gezeigt hat, gab man eine Chance. Auch Berufspraktika seien wichtig für die Entscheidungsfindung der jungen Menschen, so der Bäckermeister. Er selbst hat stets die Auffassung vertreten, dass die Bäckerlehre nie eine Notlösung sein dürfe. Er und seine Frau hätten stets Freude an weiterbildenden Seminaren gehabt. Das habe ihm auch bei der Entwicklung von neuen Kreationen geholfen, so der Königsteiner, der seine besten Ideen in Zeiten von vermehrtem Stress gehabt hat. Neben dem Burgfestbrot gehört auch die das Herstellen von Stollen zu seinen Vorlieben. Überhaupt sei die Saisonbäckerei etwas Feines. Die ersten Stollen lagern übrigens schon in den Kellern auf der Königsteiner Burg.

Eine weitere Entwicklung aus dem Hause Hees, in Zusammenarbeit mit einem befreundeten Bäckerkollegen aus dem Schwarzwald: der „Schwarzwälder Bauernleib“. „Die Kundschaft und die Hektik werden mir fehlen“, stößt der Bäckermeister schon einen kleinen, unüberhörbaren Seufzer aus, der erkennen lässt, wie schwer die Last auf der Seele liegt. In Sohn Alexander hätte man zwar einen kompetenten Nachfolger mit Bäckerlehre gehabt, doch Allergien hinderten ihn daran, das Handwerk auch auszuüben. So tickt die Wanduhr im Ladengeschäft mit dem Hees-Logo unbarmherzig weiter in Richtung Dezember und dem finalen Ladenöffnungstag am 16. Auch das letzte Silomehl wurde bereits angeliefert. Die Vorschriften besagen, dass bei der Schließung die Vorratskammer geleert sein muss. Daher wird man demnächst auf verpacktes Mehl umsteigen. Auch einige Maschinen wurden bereits veräußert. Doch keine Panik: Produktion und Verkauf gehen unaufhörlich bis zum letzten Tag weiter. Einige Kunden hätten sogar angekündigt, sich Tiefkühltruhen zulegen zu wollen, sodass sie die Hees Produkte auf Vorrat lagern können. Wer mit dem Gedanken spielt, ein paar mehr Bestellungen aufzugeben, der sollte das auch rechtzeitig tun.

Was für den letzten Tag geplant ist, daran will Emil Hees jetzt erstmal noch nicht denken. Auf jeden Fall wird man nicht einfach sang- und klanglos die Türen schließen, sagt Hees, der 20 Jahre lang Kassierer beim örtlichen Gewerbeverein HGK gewesen ist und sich in dieser Funktion auch sehr für die Königsteiner Geschäftswelt mit seinen Ideen eingesetzt hat. Viele Königsteiner werden sich bestimmt noch gut an die 250-Jahr-Feier des Traditionsbetriebes im Jahr 2000 zurückerinnern. Neben einem Burgfestwagen und einem Frühschoppen mitten auf der Kirchstraße stellte man auch noch die mit 250 Metern längste Brottafel auf die Beine, die eine Fußgängerzone je gesehen hat.

Damals habe man innerhalb von fünf Stunden circa 1,4 Tonnen Brot verkauft.

Die Jugendwehr half beim Aufbau und die Vereine stellten die Tische. Alles für den guten Zweck, denn der Erlös ging zu 100 Prozent an die Sozialstation und den Verein für Heimatkunde. Was die Zukunft der Branche allgemein angeht, so will Emil Hees nicht gleich Schwarzsehen, bleibt aber realistisch und steht zu dem, was er schon vor 30 Jahren zu einem Großlieferanten gesagt hat: Man müsse die kleinen Bäcker pflegen. Auch heute noch würde Emil Hees auf die kleinen Fachgeschäfte setzen, die allerdings mit einem großen Problem zu kämpfen haben: Personalmangel. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Kunden heutzutage immer qualitätsbewusster werden. Bei Hees hat man schon immer auf den Qualitätsvorsprung gesetzt, auf Konservierungsstoffe verzichtet und alle Zutaten selbst abgewogen. Man wird die Bäckerei Hees, ihre Gesichter und das wofür sie steht, vermissen. Das alles wird nicht zu ersetzen sein.



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