Flieg‘ nicht so hoch, mein kleiner Freund…

Königstein (hhf) – Schmetterlinge im Bauch haben sie auch, wenn sie die „Lepidoptera“ betrachten, denn dieser Teil der Tierwelt ist die große Liebe der Entomologen, die sich nicht von ungefähr in der Nähe zu Senckenberggesellschaft und Universität Frankfurt mit ihrem Verein „Apollo“ niedergelassen haben. Das allerdings schon 1897 als heute ältester insektenkundlicher Verein, dessen Mitglieder auf der ganzen Welt zu finden sind. Insbesondere das fachkundliche Mitteilungsblatt, das vierteljährlich erscheint, wird von Wissenschaftlern rund um den Globus nicht nur gerne gelesen, sondern es gilt auch als ausgemachte Ehre, darin einen Artikel platzieren zu dürfen.

Freilich sind schon um 1900 die Frankfurter gerne in den Taunus geflohen, denn die Stadtluft der Industrialisierung machte nicht nur frei, sondern stank auch ganz gewaltig, und was dem Menschen recht war, ist den Schmetterlingen bis heute billig. Folglich richteten auch die Insektenforscher ihr Augenmerk auf die Höhe vor der Stadt, innerhalb derer Grenzen sie heute allerdings mittels „Insektenhotels“ oder Dachgärten die Rückkehr der Falter begünstigen. Dennoch sind gerade die „mageren“ Grasflächen im Mittelgebirge, wie zum Beispiel die „Reifenberger Wiesen“, ein idealer Ort, um Admirale, Nonnen und Monarchen zu finden. Ein Leben wie im Paradies ist es aber nicht, wie die Raupe eines Braunen Bären beweist: Aus ihr schlüpfte kein Schmetterling, sondern zehn Raupenfliegen, sie war von einem Parasiten befallen worden.

Auch die Schwalbenschwänze und Widderchen, die am Bangert umherflattern, haben keine Garantie, den hungrigen Vögeln im gleichen Revier zu entgehen, aber seit einigen Jahren bessere Chancen zum Überleben. Nach langer Suche war es Dr. Hans-Georg Mark gelungen, dort ein ehemaliges Wohnhaus mit großem Grundstück für den Verein zu erwerben. Rund um dieses Vereinsheim, das gleich hinter dem ersten Bahnübergang auf dem Weg von Schneidhain zum Freibad liegt, arbeiten die Entomologen seither daran, aus gepflegtem Golfrasen und Swimming-Pool wieder eine für Schmetterlinge bekömmliche Wildnis wachsen zu lassen. Anfänglich von den benachbarten Landwirten misstrauisch beäugt, herrscht dort nun wieder nachbarschaftlicher Frieden und die Schmetterlingsforscher geben sogar Tipps für Land- und Gartenbau: „Mähen Sie doch mal streifenweise“, das sieht sehr abwechslungsreich aus und nützt den Lepidoptera, wie Schmetterlinge auf Biologisch heißen. Auch das zweimalige Mähen zum Heu machen ist falterkompatibel, wenn der erste Schnitt erst im August erfolgt, dann sind die meisten heimischen Raupen bzw. deren Puppen zu Schmetterlingen geworden und brauchen mehr Nektar als Grashalme.

Im halb privaten Rahmen ihres Vereinsheimes berichten die Wissenschaftler auch vom Finden des eigenen Schmetterlings und treten damit den Beweis an, dass auch ihre Unterart des Homo sapiens an Familiengründung und Fortpflanzung interessiert ist. Ob sie ihre Frauen denn auch so einfach wieder freilassen, wie die beflügelten Anschauungsobjekte am Informationstag wurde zu diesem Termin ebenso wenig hinterfragt wie die Lust, sie manchmal aufzuspießen. Letzteres tun die Forscher nämlich mit ihren Insekten durchaus, wenn auch nur mit schwerem Herzen und äußerster Zurückhaltung. Sie wollen ihre Lieblinge nämlich nicht sammeln wie Trophäen oder Briefmarken, aber einige Präparate im Schaukasten sind als Vergleichsobjekte nötig. Viele der Lepid-Opfer der Wissenschaft im Glaskasten haben einen roten Zettel an der Nadel, der für eine Erstbeschreibung steht.

Die wirkliche Freude der Entomologen liegt aber im Beobachten und Züchten ihrer schönen Insekten – und im anschließenden Freilassen der Tiere.

Die allgemeine Käfig- und Netzöffnung war dementsprechend auch der heimliche Höhepunkt am „Tag der offenen Tür“ am Bangert, zuvor gab es alle erdenklichen Möglichkeiten, Raupen und Schmetterlinge anzufassen, zu fangen, unter dem Stereoskop oder im Terrarium zu beobachten. Dass sich diese Aktionen zum Mitmachen gerade für Kinder eignen, ist kein Zufall, denn wie alle Vereine sorgt sich auch „Apollo“ um den Nachwuchs. Der darf sich durchaus einige Raupen zum Betrachten mit nach Hause nehmen, aber nur, wenn er vorher in die Kunst der Ernährung eingeweiht worden ist. Und wenn es dann doch zu viel Zeit kostet? „Die hier kann man einfach im Wald an Eschen wieder aussetzen“, macht Alfred Westenberger zwei jungen Interessenten und ihrer vorsichtig zweifelnden Mutter Mut.

Nebenan auf der Wiese sitzt sogar eine ganze Schulklasse und versucht, selbst noch einmal einige Schmetterlinge zu bestimmen, andere Kinder freuen sich über Hochglanzbücher und sogar eine Führung durch die Grube Messel, die sie beim Preisrätsel gewonnen haben. Das war im Schaufenster der Stadtbibliothek zu finden, in dem die Falterfreunde diesmal auf ihren Erlebnistag aufmerksam gemacht haben. „Das Terrarium würde ich mir auch ohne Schmetterlinge ins Wohnzimmer stellen“, entfährt es Bibliotheksleiterin Simone Hesse angesichts des für Schmetterlinge speziell zusammengestellten Blumengestecks hinter Glas spontan, als die Kinder die letzten Flattermänner durch die offenen Türen in die Freiheit getrieben haben. Nebenan zeigt Heinrich Krank, dass der Tag auch für die ältere Generation etwas hergibt, er nimmt nicht nur jede Menge Fachwissen über die Insekten seiner Umgebung mit, sondern auch ein „Widderchen“, das seine Freiheit zur Landung auf einer Kappe genutzt hat.

Sicher wird er im nächsten Jahr wieder auf den Bangert zu „Apollo“ kommen, viele Kinder haben das auch vor. Wer es aber bis dahin nicht abwarten kann, oder gar an einem Vereinsbeitritt interessiert ist, darf sich gerne mit dessen Kontaktadresse in Königstein in Verbindung setzen: Dr. Hans-Georg Mark, Grüner Weg 4c, Telefon 06174/22489, hgimark[at]t-online[dot]de.

Alfred Westenberger erklärt, wie aus Raupen Schmetterlinge werden.

Foto: Friedel



X