„Wohin führt Emmanuel Macron die Grande Nation?”

Walter Krimmel, 1. Stadtrat und Vorsitzender des Partnerschaftskomitee Falkenstein und Wolfgang Riedel, Vorsitzender des Förderkreis der Städtepartnerschaft e.V., danken Herrn Fredo Endres (v.l.n.r) für den gelungenen Vortrag.

Königstein – „Vive la France – Wohin führt Emmanuel Macron die Grande Nation?“ zu diesem Vortrag von Fredo Endres hatten das Partnerschaftskomitee Falkenstein und der Förderkreis der Städtepartnerschaft für den vergangenen Freitag in das Katholische Gemeindezentrum Königstein einladen. Knapp 70 Mitglieder und Freunde beider Vereine, unter ihnen Königsteins Bürgermeister Leonhard Helm, waren gekommen und erlebten einen sehr informativen Abend.

Vor Beginn des Vortrages des Referenten gedachten auf Bitten von Wolfgang Riedel, Vorsitzender des Förderkreis der Städtepartnerschaft, die anwesenden Zuhörer in einer Gedenkminute der vor wenigen Tagen – kurz vor Vollendung ihres 93. Lebensjahres – verstorbenen Mitbegründerin, langjährigen Präsidentin und Ehrenpräsidentin des Partnerschaftskomitees Falkenstein – Le Mêle, Juliane Zimmer. Die Verstorbene hat sich mehr als 50 Jahre lang für die Aussöhnung mit Frankreich eingesetzt und die Partnerschaft Falkensteins mit Le Mêle nicht nur mit aus der Taufe gehoben, sondern stets wirkungsvoll begleitet und unterstützt.

Fredo Endres begann seinen lebhaften, von Enthusiasmus für unseren Nachbarn Frankreich und dessen jungen Präsidenten gekennzeichneten Vortrag mit einem Hinweis auf die Prägung, die er selbst von unserem Nachbarland erhalten habe, dem Land der Aufklärung, der Menschenrechte, aber auch dem traditionellen Aufnahmeland für politische Flüchtlinge – er erwähnte beispielhaft Heinrich Heine, Kurt Tucholsky, aber auch Milan Kundera .

Gleichermaßen begeistert folgte ein Abriss des Werdegangs des jetzigen Präsidenten Emmanuel Macron, der der jüngste Staatschef einer Industrienation und von einem visionären, ja schon revolutionären Geist geprägt sei. Etwas neidvoll verwies Endres in einem Nebensatz auf die vergleichsweise „alten“ Strukturen in der deutschen Politik und die derzeitigen Probleme der Regierungsbildung. Emmanuel Macron habe sich schon früh – noch in der Schule, wo seine Ehefrau Brigitte seine Lehrerin gewesen sei – als hochbegabter Schüler gezeigt, der – wie Brigittes Tochter, die mit Emmanuel Macron in eine Klasse ging, früh bemerkte – ein Mitschüler gewesen sei, der „immer alles gewusst habe“.

In der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen im April 2017 ging er mit rund 24 Prozent der Stimmen zusammen mit Marie Le Pen, (rund 21 Prozent der Stimmen) als Sieger hervor, gewann die folgende Stichwahl – wenngleich bei geringer Wahlbeteiligung – mit deutlicher Mehrheit und wurde so jüngster Präsident Frankreichs. Bei den wenige Wochen später abgehaltenen Nationalversammlungs-Wahlen erhielt die von ihm ins Leben gerufene Bewegung „La France en marche“ zusammen mit „MODEM“ (Groupe Mouvement Democrate) aus dem Stand nahezu eine Zweidrittel-Mehrheit (sie vereinen zusammen 361 von 577 Sitzen), sodass er sich mit seinem jungen, aus außergewöhnlichen, weil aus verschiedensten politischen Richtungen kommenden Persönlichkeiten bestehenden Kabinett unter Premier Eduard Philippe nun mit Dynamik seinem Reformwerk widmen könne.

Sein Ziel sei, Frankreich und insbesondere den sehr verkrusteten Arbeitsmarkt zu reformieren und vor allem in der Bevölkerung, die sich in einer fast Lethargie zu nennenden depressiven Bewegungslosigkeit gefangen sah, neuen Mut und neue Zuversicht zu schaffen. Nach dem Motto „Zukunft lässt man nicht über sich ergehen, sondern man macht sie“, versuche Macron nach Jahren des Stillstandes bei unserem Nachbarvolk einen Stimmungswandel herbeizuführen und Begeisterung zu wecken.

Dieser Stimmungswandel ist nach Endres dringend geboten, denn Frankreich leide nicht nur unter sechs Millionen Arbeitslosen, sondern weise darüber hinaus eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit von 22 Prozent auf, was nur noch von Spanien und Italien übertroffen werde und die Hoffnungslosigkeit einer ganzen Generation zum Ausdruck bringe.

Macron wolle nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern auch die Sozialversicherungen reformieren (es gebe allein fünf verschiedene Versicherungssysteme) und den im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Kampf gegen den Klimawandel fortsetzen, auch und gerade, weil der amerikanische Präsident Trump in unverantwortlicher Weise aus dem Vertrag aussteigen wolle. Macrons Ziel sei es, Frankreich zu erneuern; das Land sei erschlafft und deprimiert und man fühle sich beim Blick auf den erfolgreichen Nachbarn Deutschland zurückgesetzt. Man schaue sehr auf Deutschland, man versuche, von unseren Erfolgen und unseren Systemen, insbesondere etwa in der dualen Berufsausbildung, zu lernen. Macron untermauere das mit einer neuen Philosophie des „wir sitzen alle in einem Boot“, etwas, was es in Frankreich so bisher überhaupt nicht gegeben habe. Er fordere die Mitarbeiter von Unternehmen auf, sich mit ihrem Unternehmen zu identifizieren, statt in alten klassenkämpferischen Mustern zu verharren und versuche, das Bildungssystem, das viel zu akademikerlastig sei (es gebe zu viele Mathematiker, Physiker, Philosophen und zu wenige gut ausgebildete Handwerker und Facharbeiter), umzubauen nach dem Vorbild Deutschlands, das aufgrund seiner früher kleinstaatlichen, heute sich im Föderalismus niederschlagenden, viel stärker wettbewerbsorientierteren Strukturen völlig andere Bedingungen am Arbeitsmarkt aufweise.

Auch versuche Macron, nicht nur die Auffassung, alles müsse der Staat erledigen, in ein mehr von Eigenverantwortung geprägtes Staatsverständnis zu wandeln, sondern ebenso die in Frankreich verbreitete „Kultur der Konfrontation“ in eine „Kultur des Kompromisses“ umzuändern. Ziel sei es, Konflikte in Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr wie in der Vergangenheit über Streiks und Arbeitskämpfe, sondern auf dem Verhandlungswege zu lösen.

Frankreich, dieses „Stück auf die Erde gefallener Himmel“, habe so große unausgeschöpfte Potenziale und großes hoch-technologisches Know-how, so dass die begründete Hoffnung bestehe, dass es Macron mit seiner jugendlichen Dynamik, seiner ansteckenden Begeisterungsfähigkeit in Verbindung mit einem Schuss Machiavellismus (man müsse die notwendigen Grausamkeiten am Anfang einer Regierungszeit begehen, nicht an deren Ende, wie ein Präsident Hollande…) gelingen werde, das Land aufzuwecken und wieder in die erste Reihe der europäischen Staaten zurückzuführen. Es komme darauf an, vieles vor den nächsten Wahlen zum Europaparlament umzusetzen, um auch für Europa und damit auch für die deutsch-französischen Beziehungen neue Perspektiven zu eröffnen.

Allerdings, so die Antwort auf die Frage eines Besuchers: Auch ein Scheitern könne nicht ausgeschlossen werden. Und so gab der Referent seinen begeisterten Zuhörern am Schluss seines Vortrages – auch mit Blick auf die hiesigen Bürgermeisterwahlen – noch eine kleine Warnung mit auf den Nachhauseweg, in dem er fragte, was denn der Unterschied zwischen einem Wein und einem Präsidenten (…oder einem Bürgermeister) sei? Die Antwort war ebenso kurz wie erheiternd: „Erst am Ende weiß man, welche Flasche man gewählt hat.“ Walter Krimmel, Vorsitzender des Partnerschaftskomitee Falkenstein und Wolfgang Riedel dankten Fredo Endres für diesen sehr informativen Vortrags.

Der Abend klang bei interessanten Gesprächen und einem Glas Crémant, serviert von den Komiteemitgliedern beider Vereine, harmonisch aus.



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