Geh’n wir mal rüber: Vater Rhein schunkelt im Hofbräuhaus

Königsteiner Narren feiern „locker vom Hocker“ ihr Saisonfinale in der Villa Borgnis. Foto: Friedel

Königstein (hhf) – Danach kann der Pastor die Kirchturmuhr stellen: Genau bis um 24 Uhr gönnten sich die eingefleischtesten der Königsteiner Narren am Faschingsdienstag noch einen gepflegten Höhepunkt zum Abschluss der diesjährigen Karnevalssaison, dann fiel der Vorhang – nur nicht für die Küchenmannschaft, denn die hatte noch einige Heringsessen für den Aschermittwoch vorzubereiten. „Locker vom Hocker“ in der Villa Borgnis hat sich längst auch als terminlich wohl platzierte Ergänzung zur großen Kappensitzung der Plaschis im HdB etabliert. Wer will, feiert hier eben bis zur sprichwörtlich letzten Minute, und das mit einem erlesenen Programm. Einzig um den Organisator und Ur-Fassenachter Heinz Eichhorn erhebt sich ein weiteres Mal die große Frage, ob er bis Ostern nicht doch in irgendwelchen Klostergrüften eingesperrt wird, um die Einhaltung der Fastenzeit sicherzustellen.

Kulinarisch von Anke und Carsten Brauns bestens betreut, also auch recht lecker vom Hocker, schunkelten, sangen und tanzten rund 130 kostümierte Gäste im Herzen des Kurparks ab 19 Uhr dem Aschermittwoch entgegen. Die ausverkaufte Veranstaltung sparte sich zwar den Elferrat (der auf der kleinen Bühne ohnehin keinen Platz gehabt hätte), dessen Funktion nahmen allerdings die Moderatoren Lothar Vogt und Klaus Rätz in vollem Umfang wahr. Vom Verteilen des „Lebberworscht-Ordens“, dessen Dose (am Bande) in Wirklichkeit einen „Williams Christ“ samt Birne und Zahnstocher enthielt, bis zu Ansage und Auszugsmarsch agierte das Duo mit launigen Kalauern und schlagfertigen Antworten auf Publikumswünsche so professionell, dass sich ihre langjährige Karnevalistenkarriere kaum verbergen ließ. Wesentliche Unterstützung erfuhren sie natürlich von Schunkelband Heinz Eichhorn, Licht- und Tonmeister Siggi Sturm sowie dem Bühnenarbeiter plus Backstage-Team Annette und Alexander Bommersheim, die passenderweise im Kostüm der Musketiere zugange waren. Der Oscar für die beste Nebenrolle geht allerdings – nach Jahren unverwechselbaren Einsatzes – hiermit unangefochten endlich an Ober Alain, der das ganze Jahr über seine Gäste mit überdurchschnittlichem Humor bedient und an diesem Termin als „Einklatscher“ gleich die erste lobende Erwähnung der Ein-Mann-Organisatorenkapelle Heinz Eichhorn erhielt.

Richtig still wurde es im Saal allerdings, weil nahezu jeder den Atem anhielt, als Tanzmariechen Mirka-Fiona aus Neuenhain als Polka-Solistin einen wahren Walkürenritt flog – und das auf einer Bühne, die sich durch deutlich engere Begrenzungen auszeichnet als der Brunhildis-Felsen auf dem Feldberg. Da half auch die Beteuerung nicht, Heinz Eichhorn und Lothar Vogt hätten die Abmessungen vorher schon durchtanzt, einzig die Meisterschaft der jungen Bundesligistin für Garde- und Showtanz konnte das breite Repertoire auf den schmalen Punkt bringen.

Nicht ganz so schmal waren die Punkte – respektive Karos – auf den zur Lederhose getragenen Hemden der seit 20 Jahren einzigen echt hessischen Boygroup „Die Bembel-Sänger“. Nicht zu verwechseln mit Bänkelsängerei, dafür aber ohne zweite Lautsprecher-Box noch mehr a-capella als geplant, hoben die fünf Vokalathleten aus Lich das Publikum zum ersten Mal von den Stühlen, nicht ohne diesem dabei auf den Teller zu schauen oder gar mit der Bedienung anzubändeln – bei laufender Show natürlich. „Mit 66 Haaren, da fängt das Alter an“, so die Eigenbremse, gefolgt vom „Heile, heile Gänsje“, das man „gille gern“ hat, obwohl es als Rosenmontags-Gänsje natürlich närrisch sein muss, vor allem, wenn die Karawane weiterzieht, denn das Gänsje hat noch Dorscht.

Daraus, dass die fünf Ganter am Fasching auf weibliche Beute aus sind, machten sie ebenfalls keinen Hehl, wenngleich sie sich auch der Folgen bewusst schienen („Das ist Wahnsinn – Pille-Pille-Pille“) und mit spontan auf die Bühne gereichten Kondomen fachkundig umzugehen wussten. Falls es dann doch weiterer Schritte bedarf hilft ein Stein: entweder der, „den Du am Finger trägst“ oder der, „der auf dem Friedhof steht“ – „ein bisschen Gift muss sein“ dazu, allerdings, dann gilt „ich denk‘ schon an den Totenschein“... Wesentlich lebendigeren Zukunftsaussichten gab sich Zuchthäuslerin Martina Hölzle-Endriss hin, wohl deshalb, weil sie als Freigängerin auf offener Bühne von ihren Handschellen erlöst wurde, nicht ohne Ermahnung des begleitenden Polizisten, sich zu benehmen und pünktlich zum Ausmarsch wieder zurück zu sein. Verständlich ihr Drang nach männlicher Bekanntschaft nach so vielen Jahren der Inhaftierung, verständlich aber auch das Urteil aufgrund ihrer ureigenen Familiengeschichte: Nicht nur „wegen Bagatelle kam ich in die Zelle“, vielmehr hatten sich mehrere Ehegatten zuvor auf abenteuerliche Weise aus dem Leben verabschiedet.

Hätte sie sich doch gleich einen Hund zugelegt, denn „der versaut Dir nur den Teppich, aber nicht das ganze Leben“ (Uiuiui-Auauau). Ihr Rezept gegen goldene Hochzeiten: „Wenn Ihr Mann beim Kartoffelholen die Kellertreppe herunterfällt – machen Sie sich Nudeln!“

„Siehst einen Mann im Moor Du winken – wink‘ zurück und lass ihn sinken“, so die letzte Äußerung der Kronberger Rasselböckin in Freiheit, bevor sie zum Wohle der Königsteiner Junggesellen trotz einer verzweifelten Knastklamotten-Stripnummer wieder abgeführt wurde. Wesentlich solider mit dem feuchten Element kannte sich dagegen Harry Borgner aus, der als „Fischers Fritze“ die Freuden des Schuppentierhändlers in bekannten Liedern ausgemacht hatte: „Verdammt, ich lieb‘ Fisch“ zitierte er Matthias Reim, Roger Whittaker oder Roland Kaiser: „Fisch zu lieben...“ Besondere Qualität verlieh seiner angepriesenen F(r)ischware die stimmliche Authentizität zu den Originalinterpreten, besonders Reinhard Mey („Der Mörder ist immer der Angler“), Marius Müller-Westernhagen („Weil ich Fisch liebe...“) und sogar der ganzen Münchner Freiheit („Ohne Fisch schlaf‘ ich heut‘ Nacht nicht ein...“)

Hätte sich der „Mann für alle Fälle“ doch nur an derart schmusige Ratschläge gehalten! So aber musste Heinz Eichhorn nach der Pause eingestehen, dass er nach 35 Ehejahren von seiner Frau verlassen worden ist. Und das, wo Männer ohne Frau doch sowieso ängstlich sind, mancher schlief deswegen regelmäßig bei der Nachbarin, wenn die bessere Hälfte außer Haus war, und der arme kleine Molli hat nun besondere Furcht davor, dass sein ehemals treues Weib, das zur Schwiegermutter ausgezogen ist, wieder zurückkommen könnte – im schlimmsten Falle in Begleitung. Musikalische Komplimente wie „Du hast Zähne wie Sterne, nachts kommen sie raus“ erwiesen sich hier ebenso wenig zweckdienlich wie das rückwärts angeschaute Hochzeitsvideo (rückwärts aus der Kirche geschlichen und mit den Kumpels einen Trinken gegangen). Ob es gar an der Müdigkeit beim Hochzeitsessen gelegen hat? War die Frage des Obers missverständlich, als er wissen wollte „Wollen Sie Pommes frites oder Penne?“

Nachdem die Zugabe unter dem Motto „Pariser Schuhe und hessische Fieß (Füße)“ die verlorene Jugend auch nicht mehr zurückbringen konnte, setzte sich Kollege Detlef Sissol folgerichtig in einem Sammel-Standardwerk der einschlägigen Klagelieder mit dem Thema „So isses, wenn man älter werd“ ausei-nander. Gewöhnt hat er sich an die Stripperin, die ihm seine Freunde seit dem 20. Geburtstag alle zehn Jahre schicken ebenso wie an den Hausarzt, der ihn fast so eifrig abhört wie die NSA, nur dass die lebensbestimmenden Abkürzungen heute EKG und HNO heißen statt ACDC und BTM, das hat er noch nicht recht verdaut. Dafür pulverisiert er nun Viagra und näselt es durch gerollte Geldscheine ein, denn Sex findet in seinem Alter nur noch im Kopf statt...

Das kann aber schnell zu einer Organverschiebung führen – die Leber ist im Arsch – doch weiß der Arzt Rat, wenn er sagt „es tut weh, wenn ich da drauf drück‘: „Ei, dann drück‘ doch net da druff! Wo der Dotzheimer Gruftie letztendlich sein Hörgerät vermutet, nachdem er das Zäpfchen (zum Einführungspreis) im Ohr gefunden hat, sei dahingestellt, denn solches Hilfsgerät ist vollkommen unnötig, wenn „HeDieMeenzer“ den Abend beschließen. Wie die ehemaligen Mitglieder der Mainzer Hofsänger bei gesperrter Schiersteiner Brücke pünktlich den Weg nach Königstein gefunden haben, blieb zwar deren Geheimnis, doch wäre das Stimmvolumen von Tenor und Bassbariton sicher auch verdächtig, den dortigen Riss im Brückenpfeiler verursacht zu haben.

Das Kurhaus allerdings hielt den Vibratos trotz „Tutti-Frutti-Samba-La Bamba“ oder dem Klostertaler-Medley stand, dafür reckten sich aber nicht nur die Hände des Publikums von der Hölle zum Himmel, sondern es saß locker niemand mehr auf seinem Hocker, als die rückzugsgefährdeten Rheinland-Pfälzer zum großen Finale bekannten: „In dieser Stadt sind wir zu Haus, da geh’n die Lichter niemals aus“. Tatsache ist, dass das große Licht am Firmament sicherlich zum Heimweg schon wieder geleuchtet hätte, wenn die Narrensaison nicht um Mitternacht vorbei gewesen wäre. Tatsache auch, dass der Eichhorns-Heinz zum genannten Zeitpunkt auch noch kräftig in die Tasten gegriffen hat, um den Apres-Hockern den Absacker noch zu versüßen, doch wer zur Fastenzeit nun wegen eigenmächtiger Spielzeitverlängerung wie lange ins Kloster geschickt wird, entzieht sich unserer Berichterstattung, da die KöWo sich statt mit Aschekreuzen erst einmal mit dem vorgezogenen Redaktionsschluss beschäftigen musste – so gegen elfuhrelf etwa – und wer dabei nicht in Sack und Asche enden will, muss eben noch eine Fast-Nacht-Schicht einlegen. Helau? Hellwach etwa gar? – Nee, A(sch)laaf!



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