Die Geschichte der „Franzosen in Falkenstein“ Herbstvortrag des Heimatvereins mit Hermann Groß

Ein unschlagbares Team in Sachen „Falkensteiner Geschichte(n)“. Eva-Maria Dorn (Vorsitzende des Heimatvereins Falkenstein) und Hermann Groß. Foto: Scholl

Falkenstein (gs) – Im November 1982 lud der Heimatverein Falkenstein erstmals zu einem heimatgeschichtlichen Vortrag ein. In diesem ersten Vortrag beschäftigte sich Hermann Groß mit den Herren von Falkenstein und deren Stellung im Reich. Nun jährte sich diese wunderbare und von den Falkensteinern liebgewonnene Tradition ihres Heimatvereins zum 35. Mal und im Hinblick auf die seit 50 Jahren bestehenden Kontakte zu der französischen Gemeinde Le Mêle – im nächsten Jahr wird das Partnerschaftsjubiläum gefeiert – wählte der Heimatverein das Thema „Franzosen in Falkenstein“ für den diesjährigen Herbstvortrag.

Im gut gefüllten Foyer der Grundschule Falkenstein, das in diesem Jahr als Ausweichquartier dienen durfte, da die Renovierung des kleinen Saales im Bürgerhaus noch nicht abgeschlossen war, fanden sich viele interessierte Falkensteiner und Königsteiner Bürger ein, um dem interessanten und kurzweiligen Vortrag von Herrmann Groß zu lauschen. In seiner unnachahmlich humorvollen Art beleuchtete er in seinen Ausführungen sehr viele Aspekte, die mit dem Leben der „Franzosen in Falkenstein“ in Verbindung standen. „Heute ist die Freundschaft, die wir Deutschen zu den Franzosen empfinden, fast eine Selbstverständlichkeit, aber das war leider nicht immer so“, mit diesen Worten begann Hermann Groß seinen Vortrag, der sich zunächst mit den militärischen Aspekten der Geschichte beschäftigte.

Die militärische Geschichte der Franzosen in Falkenstein reicht vom 17. Jahrhundert bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Schon sehr früh, nämlich für das Jahr 1688, ist erstmals festgehalten, dass sich französische Truppen in Königstein und Falkenstein einfanden. Im Zuge dieser Stationierung wurde im Jahr 1689 die Burg Reiffenberg von den Franzosen angegriffen und zerstört, wovon noch heute die Ruine zeugt. Unterlegt durch viele zeitgenössische Bilder, berichtete Hermann Groß aus den Zeiten des 1. Weltkrieges, als französische Kriegsgefangene in Falkenstein einquartiert wurden. Aus alten Überlieferungen ist zu entnehmen, dass sich die Franzosen nicht unwohl gefühlt haben, sie wurden von den Falkensteiner Bürgern gut behandelt und behielten die Menschen in guter Erinnerung, wie französische Zeitzeugen später ihren Familien berichteten. Nach Ende des 1. Weltkrieges stand Falkenstein unter französischer Besatzung, was die Einquartierung von 700 Soldaten nebst 200 Pferden in dem kleinen Ort mit sich brachte. Aus der Besatzungszeit stammte auch der 1921 angelegte Schießstand am Arbeiterweg, dessen Standort man bei Spaziergängen noch heute sehen kann. Auch während des 2. Weltkrieges wurden in Falkenstein französische Kriegsgefangene im damaligen Lazarett (und heutigem Falkenstein Grand Hotel) untergebracht. Nach ihrer Entlassung wurden sie als Hilfskräfte in der Landwirtschaft eingesetzt. Die Falkensteiner Bürger nahmen die französischen Kriegsgefangenen im Ort auf und kamen im Großen und Ganzen gut mit ihnen aus. Hermann Groß kann an dieser Stelle von einer Begebenheit berichten, die sich 1944 zugetragen hatte. Als Junge traf er mit Freunden auf eine Gruppe Kriegsgefangener, die im Dorf eine Mahlzeit einnahmen und die Jungen freundlich zum Mitessen einluden.

Die Jungs freuten sich über das unverhoffte Angebot – bis sie sahen, was die Franzosen aßen – und dankend ablehnten. Die netten Franzosen verstanden überhaupt nicht, dass Froschschenkel (für sie eine Delikatesse) keinen Anklang bei der deutschen Jugend fanden! Ebenfalls zu berichten weiß Hermann Groß die Geschichte vom französischen Kutscher Paul, der als Kriegsgefangener wohl kein Wort Deutsch sprach, die Kinder aber auf Zuruf immer auf dem Pferdewagen mitfahren ließ. Vielleicht waren es die vielen kleinen Geschichten wie diese, die später zu der deutsch-französischen Freundschaft führten.

Aber Hermann Groß weiß nicht nur von Kriegszeiten zu berichten, auch prominente Franzosen haben Falkenstein besucht, oder sogar hier gewohnt. Da wäre zunächst einmal der französische Hochkommissar und spätere französische Botschafter in Deutschland, André-Francois Poncet, der zeitweise im Reichenbachweg wohnte. Aber auch der bedeutende französische Schriftsteller Alexandre Dumas besuchte schon 1838 Falkenstein und durch ihn fand die Falkensteiner Sage von den Gnomen, die in einer Nacht den Weg zur Burg pflasterten, damit der Burgherr heiraten konnte, Eingang auch in die französische Literatur. Berühmt wurde Falkenstein auch durch die (damals) modernen Heilmethoden des bekannten Arztes Peter Dettweiler. Bereits 1888 besuchte eine Delegation bekannter französischer Mediziner die Klinik des Dr. Dettweilers, um sich über seine bahnbrechenden Heilmethoden für Tuberkulosepatienten zu informieren.

Nicht zu vergessen ist auch ein weiterer bekannter Besucher von Falkenstein, Prof. Joseph Rovan, der den in Falkenstein wohnhaften Eugen Kogon des Öfteren besuchte. Überliefert ist die wohl abenteuerliche Anreise mit einer Citroên „Ente“, die von seiner Frau gesteuert wurde, da er selbst keinen Führerschein besaß. Prof. Rovan wurde im Jahr 2004 Träger des von der Stadt Königstein jährlich verliehenen Eugen-Kogon-Preises. Nach ihm ist auch der Joseph-Rovan-Preis benannt, der vom französischen Botschafter jährlich für Verdienste zum Thema „deutsch-französische Freundschaft“ verliehen wird.

Allerdings dürfen die kleinen, lokalen und oft humorvollen Geschichten nicht fehlen, die Herrmann Groß bei all seinen Vorträgen für seine Zuhörer „im Gepäck“ hat. Der Zuhörer erfährt, dass Falkenstein keine eigene Ortschronik hat und viele Informationen aus alten „Abrechnungsbüchern“ stammen. So auch die Geschichte der „Ducörs“ (Anmerkung: Die Rechnungsschreiber waren des Französischen nicht mächtig, so dass sie die Worte nach Lautschrift schrieben). Gemeint sind hier wohl „Douceurs“, was mit „Annehmlichkeiten“ übersetzt werden kann. Unter dieser Rubrik wurden allerlei Zahlungen vermerkt, die sowohl Abgaben als auch Erpressungsgelder, Schutzgelder oder Vergleichszahlungen waren. Die französischen Soldaten verdienten sich ihr Geld durch allerlei Gaunereien und kreative Rechtsauslegungen, für die die Falkensteiner dann immer die geforderten Zahlungen direkt an die Soldaten leisten mussten. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Geschichte vom „Revolutionsbaby“. Als Kind eines Offiziers in Falkenstein geboren, mussten die Falkensteiner aus der Gemeindekasse sämtliche Kosten für die Ausstattung des Kindes und dessen Taufe nebst Feierlichkeiten übernehmen. Auch für das Missgeschick eines französischen Offiziers mussten die Bürger finanziell gerade stehen. Er hatte beim Versuch der Schwarzbrennerei seine Behausung doch stark beschädigt und die Kosten der Renovierung wurden auf das Stadtsäckel abgewälzt. Aber es gibt auch traurige Geschichten, die von Elend und Tod vieler Menschen berichten. So starben im Winter 1813/14 mehr als 30 Einwohner Falkensteins am Fleckfieber, das die französischen Soldaten, die sich nach der Völkerschlacht von Leipzig auf dem Rückzug befanden, in den Ort brachten. Übertragen wurde die sogenannte „Kriegspest“ von Kleiderläusen, die sich damals rasend schnell in der Bevölkerung verbreiteten und viel Unglück über die Menschen brachten.

Heute sind die traurigen Geschichten und alten Feindschaften glücklicherweise überwunden und wir können uns darüber freuen, dass die Freundschaft und Völkerverständigung zwischen Deutschland und Frankreich im Vordergrund steht. „Die Geschichte darf nicht vergessen werden, aber wir können die Zukunft neu gestalten“, resümiert Hermann Groß am Schluss seiner Ausführungen. Die langjährige Städtepartnerschaft mit Le Mêle ist ein deutliches Zeichen dafür. Auch in diesem Jahr hat Hermann Groß mit seinem Herbstvortrag gezeigt, dass er es meisterhaft versteht, seinen Zuhörern unterschiedlichste Themen interessant verpackt und mit einem untrüglichen Sinn für feinen Humor näher zu bringen.

Seine Fähigkeit, eigentlich „trockene“ Geschichte in Bezug zum lokalen Zeitgeschehen zu setzen, macht seine Vorträge für alle Interessierten zu einem Erlebnis. Es bleibt zu hoffen, dass der Heimatverein Falkenstein diese schöne Tradition weiterführt und wir noch viele schöne Geschichten von Hermann Groß hören dürfen.



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