Hausbesichtigung – mal anders Einblick in die „lebbend“ Millionen

Dieser einmalige Blick bietet sich vom Entree der Villa Andreae aus, die am vergangenen Wochenende ausnahmsweise mal für die Öffentlichkeit zu einer exklusiven Führung geöffnet wurde. Foto: Schemuth

Königstein
(el) – Es ist eine völlig andere Welt, die sich einem hinter dem beeindruckenden, schmiedeeisernen Tor jenes stadtbildprägenden Anwesens offenbart, das majestätisch auf der Kuppe des Gaisberges thront. Um zumindest für eine kleine Weile in diese Epoche der Blütezeit der großen adeligen Villen und Sommerresidenzen in Königstein noch vor der Jahrhundertwende eintauchen zu können, bedurfte es an diesem Sonntagnachmittag nur einer Anmeldung. Auf die Initiative des Teams der Königsteiner Kur- und Stadtinformation hin hatte man beim Besitzer der Villa Andreae, Hartmut Lademacher, angefragt, ob man eine Führung durch die Villa und das Anwesen mit seinem imposanten Park anbieten könne. Die Tochter des Software-Unternehmers, Claire Margareta, ist übrigens mit Felix, dem zweiten Sohn von Großherzog Henri von Luxemburg verheiratet. Man erinnert sich gerne an die prominente standesamtliche Hochzeit in der Villa Rothschild im Jahr 2013. Man erhielt also die Genehmigung des Geschäftsmannes zur Hausführung. Nachdem Lademacher seinen Firmensitz nach Bad Homburg vor der Höhe verlegt hatte, wurde das Objekt Ende 2009 für 9,8 Millionen Euro zum Verkauf angeboten und nun aktuell für 5,5 Millionen Euro über das Auktionshaus Sotheby‘s (siehe Infokasten). Seit etwa sechseinhalb Jahren steht die im historischen Stil um 1891 erbaute, denkmalgeschütze Villa also leer und zum Verkauf. Lediglich ein bronzenes Schild links vor dem Eingang erinnert an ihre letzte Nutzung als SMM-Headquarter.

Es sind geschichtsträchtige Säle mit zum Teil fünf Meter hohen Decken, die die Interessierten im Rahmen der Tour, geführt von Stadtarchivarin Beate Großmann-Hofmann da betreten dürfen. So groß war der Andrang, dass die Stadtarchivarin die Tour gleich drei Mal mit ingesamt 90 Interessierten, darunter auch Bürgermeister Leonhard Helm, anbieten durfte.

Gleich nach Passieren des ersten, schweren Eingangsportals wird der Blick nicht etwa links oder rechts in das Innere der Villa hinein gelenkt, sondern vielmehr erfasst das Auge vom Entree aus, eingerahmt von dem Torbogen, der den Blick nach außen freigibt, die Kulisse der Königsteiner Burg. „Ohs“ und „Ahs“ entweichen den Besuchern und sie halten das unbeschreiblich schöne Panorama mit ihren Kameras und Handys fest. Auch die Stadtarchivarin muss bei diesem Anblick anmerken: Sie habe wiederum des Öfteren bei Führungen zur Königsteiner Burg feststellen müssen, dass die gegenüberliegende Villa Andreae der Burgruine schon die Show gestohlen habe und die Menschen mehr über dieses Gebäude wissen wollten, anstatt sich auf die Burg zu konzentrieren.

Sie hat schon viele Nutzungen erlebt – die Villa Andreae, die nach ihrem ersten Besitzer und Erbauer Albert Andreae de Neufville benannt ist. Außen trägt sie noch die Handschrift des von ihm beauftragten Architekten, Franz von Hoven, selbst wenn nicht klar ist, ob dieser mit Stilelementen, die an den Eschersheimer Turm erinnern, hier seine eigenen Ideen verwirklicht hat, oder einzig auf Wunsch des Besitzers entworfen hat. Von Hoven war es auch, der die Villa Bethmann in Königstein entworfen hat, die allerdings heute nicht mehr steht. Von außen hat sich seitdem über die Jahre nicht viel verändert, innen ist die Villa Andreae nicht mehr eins zu eins dieselbe. Das mag daran liegen, dass sie schon auf stolze 125 Jahre zurückblicken kann. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie noch als Lazarett genutzt, dann in den 50er-Jahren als Knaben-Internat und in den 80er-Jahren als Vermögensverwaltung eines gewissen Dr. Jürgen Schneider.

Wenn man vom Erbauen der Villa Andreae spricht, dann muss auch gesagt werden, dass an dieser Stelle bereits ein Haus gestanden hat – die Villa Bächle – die dann später einfach baulich in die Villa Andreae integriert wurde. Doch, wer baut sich solch eine Villa? Ein näherer Blick auf die Familie dahinter deckt auf, dass die Vorfahren von Albert Andreae oder auch de Neufville Farbwarenhändler und Bankiers waren und aus Straßburg kamen. Interessanterweise heirateten viele von ihnen in wohlhabende Frankfurter Familien ein, wie die Brentanos, und so konnten sie ihr Vermögen noch weiter vermehren. Im Frankfurter Volksmund fand sich auch schnell ein Begriff für ein solch mehr oder minder strategisches Vorgehen des Geldvermehrens durch Heirat: „Die Levent Millionen“. Nach der Ehefrau von Albert, Therese de Neufville, ist übrigens die heutige Theresenstraße in Königstein benannt.

Von 1957 bis 1987 war das Haus Internat der Inneren Mission der evangelischen Kirche. Erster Internatsleiter war Ernst Majer-Leonhard, der auch die Schule am Wäldchen in Königstein leiten sollte. Die Innere Mission hatte jedoch nicht die Mittel, das Haus entsprechend der erforderlichen Auflagen zu sanieren und so kam der einstige Baulöwe Schneider ins Spiel, dessen Handschrift anhand einiger Einrichtungsgegenstände, wie Teppichen, Tapeten oder einem schweren Schreibtisch aus edlem Holz heute noch zu erkennen ist. Baulich hat Schneider nur eine einzige Sache verändert: Er ließ einen verglasten Übergang vom Haus zur Tiefgarage in den Felsen bauen.

Bis 1926 befand sich die Villa im Eigentum der Familie Andreae, deren einziger Sohn im Ersten Weltkrieg gefallen war. Ihm zu Ehren hatte man auf dem Anwesen eine Büste aufgestellt, die die Familie allerdings nach dem Verkauf mit nach Frankfurt nahm. Für Lacher sorgte auch die von Großmann-Hofmann geschilderte Episode über den angekündigten Besuch der Kaiserin Friedrich, was vom Hausdiener zuerst missverstanden wurde und dazu führte, dass die Kaiserin mehr oder weniger unangekündigt urplötzlich im Wohnzimmer der Familie gestanden haben muss.

Interessant ist auch, dass Albert Andreae seine Villa der Stadt Königstein als mögliches Kurhaus angeboten hatte und seinerzeit 400.000 Reichsmark dafür haben wollte. Zeitgleich stellte auch die Villa Borgnis eine Option dar und obwohl es nie offiziell bestätigt wurde, dürfte auch die Tatsache, dass allein im Sommer 18 Arbeitskräfte nur für den Park der Villa zuständig waren mit den Ausschlag gegeben haben dürfte, dass die Stadt hier nicht zugegriffen hat. Hinzu kommt, dass eines der Gutachten, das damals zum baulichen Zustand der Villa angefertigt wurde, besagte, dass zu viel Geld in das Anwesen hätte investiert werden müssen.

Auf die ersten Besitzer folgte ein Fabrikinhaber aus Kaiserslautern. Kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wollte die NSDAP hier eine Schule für ihren Nachwuchs einrichten, was aber nicht umgesetzt wurde, da hier schon gleich die ersten verwundeten Soldaten eintrafen und somit bis Kriegsende die Nutzung als Lazarett feststand. Nach dem Krieg wurde die Stadt Königstein zum Treuhänder der Villa und es entbrannte ein Streit mit den Erben des Fabrikanten Billand, die sich um ihr Erbe betrogen fühlten, aber Recht bekamen und die Villa dann 1957 an die Innere Mission verkauften.

Auch das herrschaftliche Parkanwesen selbst, von keinem Geringeren als dem Landschaftsarchitekten Siesmeyer angelegt, dessen Rosen und Fuchsien einst in einer Deutschen Gärtnerzeitung von 1908 hoch gelobt wurden, hat sich in den Jahren auch nicht zuletzt in der Größe verringert. Einst umfasste es 18 Hektar, doch die Billand-Erben verkauften schon einiges drum herum, was erklärt, weshalb an mancher Stelle, die Bebauung der umliegenden Häuser dicht heranreicht.

Von der Rückseite des Anwesens aus, vor der ein Springbrunnen steht, lässt sich rechts die integrierte, einstige Villa Bächle erkennen. Um das Gebiet zu arrondieren und seinen Park zu gestalten, hatte Andreae auch vielen Königsteinern Grundstücke abgekauft. Ein Erkennungsmerkmal von Siesmeyer, dessen Handschrift auch die Parks um die Villa Rothschild und das Hotel Kempinski tragen, sind die brezelförmig angelegten Gehwege. Im Park der Villa Andreae wurden auch viele Nadel- und Laubbäume neu gepflanzt. Auch kleine Palmen standen einst im Park, die allerdings im Winter an einen neuen Ort gebracht wurden. Beim Rundgang über das Gelände lässt sich auf einem kleinen Hügel auch eine künstliche Ruine in der Nähe der Villa ausmachen, die eventuell für besondere Anlässe genutzt wurde. Weiter des Weges enfaltet sich das Gartenidyll mit einem wunderschön angelegten Teich. Kurz davor steht ein kleiner Pavillon, dessen Inneres eine Zapfanlage erkennen lässt. Ob die wohl von Jürgen Schneider in Betrieb genommen wurde? Das ist reine Spekulation, die sich daran anschließende, großzügige Rasenfläche bietet sich zumindest für eine Party an, soll aber auch in früheren Zeiten zum Tennispielen Verwendung gefunden haben.



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