Kirchturmdenken war früher: Königstein und Kronberg wollen in Zukunft weiter gemeinsame Sache machen

Leonhard Helm und Klaus Temmen unterhielten sich über die Interkulturelle Zusammenarbeit und darüber wie diese in Zukunft aussehen soll. Foto: Schemuth

Königstein (el) – Die Cantuccini standen bereit und die Canapées auch. Bevor sich die Gäste jedoch über die köstlichen Kleinigkeiten hermachen konnten, nahmen zwei Herren im Anzug in Ohrensesseln Platz. Vor ihnen auf dem Tisch stand ein Bembel mit Äppler.

Bei dem einen Herren handelte es sich um Bürgermeister Leonhard Helm, der sich einen prominenten Gast und Amtskollegen aus der Nachbarstadt Kronberg in sein Wahllokal Benders eingeladen hatte, um über ein Thema zu sprechen, das Städte und Gemeinden wie Königstein und Kronberg bereits erfolgreich zusammen auf den Weg gebracht haben: die Interkommunale Zusammenarbeit. Und da kam es beiden Rathauschefs – Klaus Temmen bekleidet sein Amt seit zehn Jahren und Leonhard Helm strebt mit dem Urnengang der Königsteiner am 28. Januar bereits seine dritte Wahlperiode an – hervorragend zupass, dass man sich ausgesprochen gut vertrage und es oftmals mit den gleichen Themen zu tun habe, selbst wenn es mitunter auch, was zum Beispiel die Gewerbesteuer angeht, oftmals ein freundlicher Wettstreit sei, wie beide augenzwinkernd betonten. Ebenfalls eine Erwähnung wert: Die lange Historie der Interkommunalen Zusammenarbeit, die, wenn man es genau nimmt, sich bis in das Jahr 1952 zurückverfolgen lässt, als die 1. Rittergarde der Kronberger das Königsteiner Burgfräulein beschützte.

Ein weiterer, gemeinsamer Nenner: die Struktur und die Bevölkerung von Königstein und Kronberg. Logisch also, dass man dann Ressourcen bündelt. Auf der Habenseite stehen heute jedoch die Erfolge dieser Kooperation. Da ist an erster Stelle die Taunuskasse zu nennen, bei der neben Königstein und Kronberg auch Steinbach mit im Boot ist. Eine Zusammenarbeit mit Modellcharakter, findet auch die Hessische Landesregierung, wie sie es in einer ihrer Broschüren festgehalten hat. Die Interkommunale Zusammenarbeit wird auch vom Land gefördert. So hat Wiesbaden für die Einrichtung der Gemeinschaftskasse von Kronberg und Königstein je 25.000 Euro beigesteuert. Ein Soforteffekt der Zusammenlegung der Kassen: Die Zahl der Mitarbeiter wurde von elf auf acht reduziert bei gleichzeitiger Steigerung der Qualität. Auch in puncto Standesamt macht man inzwischen gemeinsame Sache, sodass sich vier Kommunen zusammengeschlossen haben, um noch mehr Termine anbieten zu können, denn gerade die Wochenend-Trauungen seien beliebt. Das eingebaute Vertretungssystem hat auch seine Vorteile für die Bürger.

Aber auch im Abwasserverband Kronberg Königstein, im Wasserbeschaffungsverband Taunus, bei den Stadtwerken, Bauhöfen und Friedhöfen kommt ein interkommunales Miteinander zustande, denn man spreche auf Augenhöhe mit einem Partner, auf den man sich verlassen könne, wie Leonhard Helm betonte. Oftmals geht es nur um den Maschinenpark, wie im Falle eines Friedhofsbaggers, der viel Geld in der Anschaffung kostet. Die Frage nach der Zusammenlegung von Bauhöfen stellt sich auch immer wieder, doch das sei auch ein „dickes Brett“, wie Klaus Temmen betonte, der hier an den Winterdienst denkt, den beide Kommunen zeitgleich leisten müssten.

Eine weitere, in die Zukunft gerichtete Überlegung bezieht sich auf die Kernverwaltung, wie die Rathauschefs berichteten. Schließlich gehöre das „Kirchturmdenken“ der Vergangenheit an, so Leonhard Helm. Auch so etwas wie Gespräche am runden Tisch gibt es immer freitags zwischen den Bürgermeistern. Der Austausch ist wichtig. Das hat man sogar auch in Bad Homburg erkannt, das ebenfalls vertreten ist.

Sollen Teile der Verwaltung geteilt werden ebenso wie in beiden Kommunen das Autoteilen (Carsharing) nach diesem Prinzip zum Tragen kommt? Wie weit ist man mit dieser Überlegung? Mit den Nachbarn suche man gemeinsam nach der idealen Form der Organisation, so Helm. Doch, ob Verband oder vertragliche Zusammenarbeit – jede Form hat auch ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten. Im Wesentlichen steht der Fokus auf dem „Backoffice“ der Verwaltung, denn die sei laut Temmen für den Bürger ohnehin nicht spürbar. Hier gehe es zum Beispiel um die Optimierung von Sparten wie IT, Personalservice oder aber Rechtswesen. Das mache auch Sinn, wenn man sich letzteren Fachbereich einmal genauer anschaut. Heutzutage seien laut Leonhard Helm in einer kleinen Verwaltung so viele verschiedene Rechtsbereiche gefordert, dass sie kaum zeitgleich von einer Fachkraft abgedeckt werden könnten. Wenn man die Kompetenzen jedoch bündele, könnte man für die wichtigsten Gebiete Spezialisten vorhalten, so Helm. Eine Verwaltungsvereinbarung, wie im Fall der Zusammenlegung der Kassen, kann aber auch ihre Schwächen haben.

Da steckt der Teufel im Detail, wenn ein Mitarbeiter etwa in Königstein eingesetzt wird, vom Dienstsitz her jedoch in Steinbach angesiedelt ist. Auch die unterschiedlichen IT-Anwendungen der einzelnen Städte und Gemeinden bedingen eine Lösung, die für alle passt und sinnvoll ist. Eine weitere Überlegung kreist um den gemeinsamen, zukünftigen Weg als Gemeindeverwaltungsverband. Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement könnte Hilfestellung bieten und hat solche Projekte schon erfolgreich begleitet. Natürlich spiele sich die Zusammenarbeit der Kommunen auch im Kopf ab, so Leonhard Helm, der unterstrich, dass das dahinterstehende Prinzip auch bei den Mitarbeitern auf Akzeptanz stoßen müsse, um erfolgreich zu sein. Daher sei es umso wichtiger, transparent zu arbeiten, hob Klaus Temmen hervor, der gleichzeitig die Schere aufzeigte, die zwischen den unterschiedlichen Standpunkten aufgehen kann: Was für die einen – hier im Speziellen kleinere Kommunen, in denen ein Mitarbeiter für 10.000 Bürger zuständig ist – Heilsbringer sei, könne für andere wiederum die Aufgabe ihrer Selbstständigkeit bedeuten.

Eine Sache, die man im Auge behalten sollte, auch da sind sich Helm und Temmen einig: Den Riesenknick, den es in zehn Jahren geben werde, wenn die Stadtverwaltung Mitarbeiter mit hohen Qualifikationen verlassen, die man nicht mehr als Arbeitgeber gewinnen könne. Nicht etwa, weil die Kommune als Arbeitgeber nicht attraktiv ist. Eher ist es das Monitäre, mit dem die Stadt als solche in puncto Gehalt mit der Privatwirtschaft nicht konkurrieren könne.

Allerdings eigne sich diese Form der Zusammenarbeit nicht etwa, um städtische Haushalte zu sanieren, so der Kronberger Rathauschef, der ebenso wie sein Königsteiner Nachbar darüber klagt, dass aufgrund der Kappungsgrenze von den Einkommenssteuer-Einnahmen der Bürger nichts für die Kommune übrig bleibe.

Laut Helm kämen nur etwa 15 Prozent der Einkommenssteuer im Stadtsäckel an. Das sei einfach zu wenig angesichts der in Zukunft zu stemmenden Aufgaben. Selbst wenn man Haushaltsdisziplin walten lässt – und hier habe es Helm laut Temmen geschafft, in seiner Amtszeit den städtischen Haushalt auszugleichen – so müsse man erstmal die Mittel haben, um für die Zukunft Gesetzesvorgaben wie das freie Kindergartenjahr finanzieren zu können. Hierfür bekämen die Gemeinden 136 Euro pro Kindergartenplatz, die Planungskosten würden aber das Dreifache davon betragen, rechnet Temmen vor, dass es aus Sicht der Eltern natürlich eine gute Sache sei, für die Kommunen jedoch teuer werde, denn sie müssten dabei auch mehr Zeiten anbieten und zusätzliches Personal einstellen.

Der Umverteilungsmechanismus müsse besser geregelt werden, sodass bei den Kommunen mehr hängenbleibt. Bei aller Solidarität für „ärmere“ Kommunen erwarte man gleichzeitig auch Gerechtigkeit, so Leonhard Helm. Immer neue „Aderlässe“ könne sich keine Stadt leisten. Daher klagen die Städte Königstein und Kronberg schon seit Langem gegen diese, aus ihrer Sicht unfaire Verteilung der Steuergelder. Das sollte jedoch nicht das letzte Wort sein. Vielmehr gab es hinterher noch Grund zum Staunen: Denn der Apfelwein, den Leonhard Helm seinem Besucher überreichte, stammt nicht etwa aus Mammolshain, sondern aus Falkenstein.



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