Königsteiner Schicksale Stolperstein für Moritz Seligmann

Königstein – Am 18. November wird ein Stolperstein auch für den früheren jüdischen Mitbürger Moritz Seligmann in der Thewaltstraße 9 verlegt. Ein Zeitzeuge und früherer Nachbar erinnert sich noch heute daran, wie Moritz Seligmann nach der Reichspogromnacht am 11. November 1938 von Nazi-Schergen festgenommen und weinend abgeführt wurde. Bei der Begegnung im Treppenhaus habe Seligmann auf sein Eisernes Kreuz aus dem Ersten Weltkrieg gezeigt und geflüstert: „Das ist meine Versicherung“, erinnert sich der Zeitzeuge.

Die Initiative Stolpersteine Königstein hat Kontakt zu einer Nachfahrin Seligmanns. Die in einem Altenwohnheim in Mainz lebende Frau sei sehr glücklich, dass mit einem Stolperstein an ihren Großonkel erinnert werde, teilte die Initiative mit. Die Verlegung des Steins zur Erinnerung an Moritz Seligmann sei ihr ein echtes Anliegen. Sie denke häufig an die Königsteiner Stolperstein-Initiative, sagte sie einem Mitglied der Gruppe bei einem Telefonat. Moritz Seligmann war am 25. Juni 1881 in Gau-Algesheim bei Bingen geboren worden. Von Beruf war er Kaufmann. Im Ersten Weltkrieg erhielt er das Frontkämpferehrenkreuz. Bis Oktober 1919 war er zwei Jahre lang in Kriegsgefangenschaft.

Im Oktober 1925 zog Seligmann nach Königstein und wohnte in dem städtischen Haus Thewaltstraße 9 zur Untermiete. Wie auch andere jüdische Männer aus Königstein wurde er im November 1938 festgenommen und in das Konzentrationslager Buchenwald transportiert. Von dort schrieb er im Dezember 1938 auf einer Postkarte an die Polizei-Verwaltung Königstein: „Hierdurch möchte ich Sie höflich bitten, der Kommandantur des Konzentrationslagers Buchenwald-Weimar zu bestätigen, dass ich im Besitz der von Ihnen erhaltenen Ehrenurkunde des verliehenen Frontkämpferkreuzes bin“. Seligmann wurde aus dem KZ entlassen unter der Bedingung, dass er bis zum 31. März des Folgejahres auswandern würde. Das geht aus einem Schreiben der Geheimen Staatspolizei vom 22. Dezember 1938 an den Landrat in Bad Homburg hervor, das auch in dem leider vergriffenen Buch „Juden in Königstein“ dokumentiert ist. Bis zu seiner Ausreise, so die Anordnung der Gestapo, musste sich Seligmann zweimal wöchentlich bei der Polizei melden. Und weiter hieß es: „Falls S. bis zu dem festgesetzten Termin nicht zur Auswanderung gekommen ist, bitte ich, ihn festzunehmen und in das Polizeigefängnis einzuliefern unter Beifügung dieses Schreibens.“

Kurz vor Ablauf dieser Frist gab es ein weiteres Schreiben der Gestapo. Darin wurde bestätigt, dass der „Aktionsjude“ Moritz Seligmann als Frontkämpfer am Weltkrieg teilgenommen hat und daher „für ihn die Meldepflicht und die Auswanderungspflicht aufgehoben“ wurde. Die geplante Auswanderung in die USA kam aber nicht zustande. Er musste zu lange warten, bis er an die Reihe kam. Zwar hatte er eine Bürgschaft für die USA, doch war offenbar unter den vielen Einreiseanträgen seine Registrierungsnummer zu hoch. In einem handschriftlichen Schreiben an den Königsteiner Bürgermeister vom 11. Mai 1940 heißt es: „Ich bin im Besitze einer Bürgschaft für U.S.A. Doch meine höhere Nummer beim amerik. Consulat in Stuttgart konnte noch nicht aufgerufen werden, ich hoffe sobald als möglich an die Reihe zu kommen. Ich war Frontkämpfer, bin im Besitze des Frontkämpferehrenkreuzes. Auch war ich 2 Jahre bis Okt. 19 in Kriegsgefangenschaft. Ich bitte um Verlängerung der Frist.“

Moritz Seligmann musste zu lange auf seine Auswanderung warten. Er lebte noch bis 1942 in Königstein. Am 10. Juni dieses Jahres wurde er „nach dem Osten abtransportiert“, wie die Königsteiner Meldekartei lapidar vermerkt. Wohin er kam, wann und wie er starb, ist unbekannt.

Am 18. November werden in Königstein ab neun Uhr rund 20 Stolpersteine zur Erinnerung an frühere jüdische Mitbürger verlegt, die unfreiwillig Königstein verlassen mussten. Etliche von ihnen wurden in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten ermordet. Am 17. November informiert um 19.30 Uhr der Initiator der Aktion, der Kölner Künstler Gunter Demnig, über die europaweite Verlegung von Stolpersteinen.

Die Initiative Stolpersteine ist zu erreichen unter pgeis[at]stolpersteine-koenigstein[dot]de.



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