Leben auf Schloss Königstein

Schon vor der Burgführung mit der ALK hatte Ellengard Jung einen gut besuchten Vortrag in der Stadtbibliothek gehalten, der sich inhaltlich nicht nur perfekt an den Artikel in der letzten KöWo anschließt, sondern auch weiteren Bezug zu heutigen Tagen herstellt: Bereits im 16. Jahrhundert überstiegen in Königstein die Ausgaben die Einnahmen.

Königstein (hhf) – Etwa aus der Zeit, in der ein gewisser Macchiavelli aus heutiger Sicht recht fragwürdige Regeln für Fürsten niederschrieb, sind auch aus Königstein Daten über eine große Hofhaltung und deren verheerende Kosten erhalten geblieben. Freilich spielte sich das kostenintensive Treiben auf dem Schloss und nicht im Rathaus ab und kann im Vergleich mit anderen Adligen dieser Zeit nicht einmal als Ausnahme gelten, eine prunkvolle Hofhaltung galt als wichtiges Zeichen für Macht und Machterhalt.

Im Falle der Grafen von Eppstein-Königstein, deren Epoche exemplarisch für das Leben bei Hofe ausgewählt worden ist, gehörten neben Minnesang und Narretei aber auch Gelehrsamkeit und sogar eine Bibliothek von weithin vernehmbaren gutem Ruf dazu. Was also lag näher, als den heimatkundlichen Vortrag über „Das Leben auf Schloss Konigstein“ in der Stadtbibliothek zu halten? Nur eine Woche nach dem Burgfest, das wiederum seine eigenen Regeln für ein Leben auf dem Königsteiner Wahrzeichen hat, füllte Heimatforscherin Ellengard Jung den Büchertempel bis auf den letzten Platz mit interessierten Zuhörern, Einzelne blieben sogar stehen oder setzten sich auf die Treppe.

Vielleicht lag dieser rekordverdächtige Besuch aber auch an dem Umstand, dass Bibliotheksleiterin Simone Hesse versprochen hatte, an diesem Abend ein Geheimnis zu lüften – viele ihrer Stammkunden hatten nämlich im Vorfeld bereits gefragt, was denn unter dem „Schloss Konigstein“ zu verstehen sei. Wenig bekannt ist nämlich, dass diese Bezeichnung einer Ausbaustufe der Verteidigungsanlage zuzuordnen ist, gewissermaßen zwischen Burg und Festung. Mit dem heute bekannten „Luxemburger Schloss“ gibt es allerdings zwei enge Berührungspunkte: Zum einen existierte der heutige Standort des Amtsgerichts damals schon, das Anwesen wurde allerdings als wenig repräsentativer Wirtschaftshof vor den Toren der Burg genutzt. Zum anderen dienten beide Gebäude, wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten, dem gleichen Zweck, nämlich der Repräsentation ihrer Bewohner.

„Man darf sich nicht täuschen, es waren nicht nur glorreiche Zeiten“, mahnte Ellengard Jung ihre Zuhörer, gerade nach dem bunten Treiben am Burgfest auch hinter die historischen Kulissen zu blicken. Gerade die Bürger, die sich heute so herrschaftlich in den alten Mauern tummeln, waren seinerzeit beinahe Eigentum der jeweiligen Herrschaft, die allerdings gegen Steuern und andere Abgaben auch Schutz boten und oft als Arbeitgeber fungierten.

Schutz ist auch der Grundgedanke der Erbauer von Burg Königstein gewesen. Ungeachtet früherer Besiedlungen des Burgberges seit möglicherweise keltischen Zeiten stammen die ältesten heute noch erhaltenen Mauern aus der Zeit der Stauferkaiser, die – nicht ganz uneigennützig – reichsweit Burgen gründeten, um die großen Handelsstraßen sicherer zu machen. „Nur ein Minimum von Gebäuden mit einer Mauer, nicht einmal ein hoher Turm...“ – von großem höfischen Prunk dürfte in den Anfangszeiten wohl noch keine Rede gewesen sein. Allerdings waren jene Günstlinge, denen die Kaiser zur Stärkung ihrer eigenen Hausmacht gegen den benachbarten alten Adel ihre neuen Burgen zum Lehen gaben, auch nicht gerade arm.

Im Jahre 1215 wird erstmals ein Burgherr auf Königstein namentlich genannt, dessen Pfarrer die Messe merkwürdigerweise auch in Schneidhain singt, obwohl der Ort zur Pfarrei Sulzbach zählt. Arnoldus de Kunegistein ist allerdings keinem weiteren Geschlecht zuzuordnen – möglicherweise gibt es Verbindungen nach Frankfurt. Erst 1239 ist die Herrschaft der Reichsministerialen von Münzenberg in Königstein belegt, die aus der Wetterau stammenden Erbauer des dortigen „Tintenfasses“ dienten, wie der Titel besagt, dem Reichsoberhaupt und dürfen gleichermaßen als einflussreich wie auch königstreu eingestuft werden.

Als deutlich sichtbares Relikt aus dieser Epoche ist das so genannte „Fischgrätmauerwerk“ zu erkennen, das durch seine schräge Anordnung der Steine die Stabilität bei Beschuss mit Katapulten oder Einsatz von Rammböcken erhöhen sollte. In Königstein sind große Bereiche davon erhalten geblieben, besonders gut zu erkennen beim Blick von der Festwiese auf die Mauer der inneren Burg. Dank einer Spende von Ellengard Jung und Edmund Brütting ist die Stelle (wie zwei weitere) seit einigen Jahren mit einer weithin sichtbaren Rose gekennzeichnet.

Details über die damalige Hofhaltung sind allerdings kaum überliefert, auch nicht über die Ära der Falkensteiner, die 1252 den letzten kinderlosen Münzenberger beerben. Diese Dynastie stammte freilich nicht aus dem heutigen Stadtteil, der mitsamt Burg damals noch Norings hieß, sondern von der Burg Falkenstein bei Bolanden am Donnersberg in der Pfalz. Philipp, ein Schwager des letzten Münzenbergers Ulrich, und seine Nachkommen verankerten allerdings ihren Nachnamen bis heute im Taunus, wenngleich das Herrschaftsgebiet mitunter von Butzbach aus regiert wurde. Die Größe des Landes wird deutlich, als 1418 der letzte Falkensteiner – als Kurfürst und Erzbischof von Trier ehrenhaft kinderlos – stirbt und die Besitzungen unter seinen drei Schwestern aufgeteilt werden: Es entstehen die nach ihren wichtigsten Städten benannten Erbteile Dreieichenhain, Lich und Butzbach.

Butzbach, wozu auch die Herrschaft Königstein zählte, fiel an die später (1505) in den Grafenstand erhobenen Eppsteiner, die nach diesem Gebietszuwachs eine Brüderteilung durchführen: 1433 bleibt Gottfried VII. auf der Stammburg Eppstein, während Eberhard II. die neue Linie „Eppstein-Königstein“ begründet. In einem detailliert ausgearbeiteten Vertrag, für dessen Erstellung man sich immerhin 14 Jahre Zeit ließ, wurden die Rechte beider Brüder und ihrer Nachkommen festgelegt und natürlich auch der Segen des Kaisers dazu eingeholt, denn von ihm ging manches Privileg der Familie aus.

Ein Beispiel dafür ist das „Judenregal“, die Sicherheit der heimatlosen Angehörigen dieser Volks- und Glaubensgemeinschaft, die als „weltweit“ vernetzte Händler und Bankiers von großer wirtschaftlicher Bedeutung waren, wurde nämlich von Kaiser, Königen oder Bischöfen garantiert. Natürlich kostete das einiges, doch wurde über solche von allerhöchster Stelle vergebene (oder verkaufte) Privilegien der Schutz der Nicht-Staatsangehörigen garantiert. Einnahmen und Schutzpflicht wurden auf Grundlage geltenden Rechts dann an niedere Herrschaften weiterverlehnt. Ähnliche vom höheren an den niederen Adel vergebene Privilegien sind zum Beispiel Zolleinnahmen, aber auch Geleitpflichten für Händler auf den Fernstraßen, Steuerpflichten oder die Hohe Gerichtsbarkeit.

Fortsetzung folgt.



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