Lions-Benefizlauf für Projekt „ehrenamtliche Vormünder“

Roswitha Loock.

Königstein (kw) – In der vergangenen Ausgabe hatten wir über den am Sonntag, 23. April, bevorstehenden Benefizlauf des Königsteiner Damen Lions-Club Königstein-Burg berichtet (KW 10/Seite 1). In diesem Zusammenhang stand auch der designierte Spendenzweck im Fokus: der Kinderschutzbund Hochtaunus und sein Projekt „ehrenamtliche Vormünder“, das wir im Folgenden näher vorstellen möchten. Einblick in die Projektarbeit geben uns zwei ehrenamtliche Vormünder – Roswitha Loock und Stefani Strobel. Das Interview führte Ulrike Frech, Activity-Beauftragte, Lions Club Königstein-Burg.

Die lokale Presse berichtete über das Projekt „ehrenamtliche Vormundschaften“ und weckte sofort das Interesse von Roswitha Loock und Stefani Strobel. Sie besuchten daraufhin die Informationsveranstaltung des Deutschen Kinderschutzbunds Kreisverband Hochtaunus in Bad Homburg im September 2015 und waren beeindruckt von der ansprechenden Präsentation der Projektleiterin Frau Kristina Odak.

Roswitha Loock ist heute ehrenamtlicher Vormund von Michelle, einem deutschen 15-jährigen Mädchen, Stefani Strobel von Abdullah, einem 16-jährigen syrischen Jungen.

Was hat Sie dazu bewegt, diese wichtige Aufgabe zu übernehmen?

Roswitha Loock:

Ich suchte seit langer Zeit nach einem echten Ehrenamt. Ich habe eine sehr schwere Krankheit überlebt und möchte mein Glück und meine Lebensfreude gerne teilen. Ich weiß sehr genau, was Leid ist und damit bin ich vielen Menschen gegenüber im Vorteil, kann sehr genau Mücken von Elefanten unterscheiden. Durch meine Krankheit konnte ich leider keine eigenen Kinder bekommen. Dass mir jetzt ein Mündel anvertraut wird, betrachte ich als Geschenk.

Stefani Strobel:

Ich habe eine nun mittlerweile erwachsene Tochter und war auf der Suche nach einer

ehrenamtlichen Tätigkeit mit Sinnhaftigkeit, um der Gesellschaft etwas zurück zu geben.

Uns allen sollte insbesondere eine möglichst gute Integration unserer minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge am Herzen liegen, die eine Unterstützung dringend nötig haben. Ich habe mir gesagt, wenn mein Kind in der Welt auf sich allein gestellt unterwegs wäre, wäre ich auch froh, wenn es jemand als Lebenswegbegleiter an die Hand nähme.

Braucht man Ihrer Meinung nach eine besondere Qualifikation?

Stefani Strobel:

Nein, das ist nicht notwendige Voraussetzung. Ich arbeite im Management und hatte keine Erfahrung im Bereich der Jugendarbeit. Unsere Gruppe der ehrenamtlichen Vormünder ist eine durch und durch gemischte Gruppe mit unterschiedlichen Berufswegen und Alterstruktur. Es kommen auch Paare zusammen zur Schulung. Empathie und Lebenserfahrung helfen, diesem Ehrenamt gerecht zu werden.

Roswitha Loock:

Ich habe vor vielen Jahren Sozialarbeit studiert, was sicherlich zu einem gewissen Grad sowohl im Umgang mit Behörden als auch bei der Kommunikation mit Betreuern und Erziehern hilfreich ist. Meine Lebenserfahrung und meine Krisensicherheit sind aber die wichtigeren Voraussetzungen.

Wie bewerten Sie die Schulung im Vorfeld? Was war dabei besonders hilfreich?

Roswitha Loock:

Die Schulungen im Vorfeld waren anstrengend. Wir Anwärter haben sicherlich dort alle bewiesen, wie ernst wir es mit diesem Ehrenamt meinen. Da wir alle aus unterschiedlichen Berufen und Lebenslagen kommen, war es auch nötig, eine breit gefächerte und alle Bereiche umfassende Schulung anzubieten.

Stefani Strobel:

Absolut großartig, was die hochkarätigen DozentInnen und Frau Odak auf die Beine gestellt haben! Ich muss allerdings auch zugeben, dass mein Respekt vor dieser Aufgabe und der Verantwortung wuchs, je mehr Wissen mir vermittelt wurde.

Wie wichtig ist die weiterführende Betreuung durch den Kinderschutzbund, seine Mitarbeiter und Berater?

Roswitha Loock:

Wir können in allen Situationen auf die Unterlagen und im Notfall sogar auf die DozentInnen selbst zurückgreifen. Außerdem dürfen wir alle vier Wochen eine Supervision in Anspruch nehmen, bei welcher im kleinen Team alles Bewegende zur Sprache kommt und niemand alleine gelassen wird. Auch am runden Tisch im größeren Kreis trifft man sich. Jeder kann berichten und Probleme thematisieren. Oft bilden sich kleinere Interessengemeinschaften, die sich untereinander weiterhelfen, etwa mit der Vermittlung von Plätzen in Sportvereinen, Nachhilfelehrern etc. Diese Institutionen sind sehr wichtig, sei es nur, um die Mitstreiter mal wieder zu treffen.

Stefani Strobel:

Es gibt immer wieder Situationen, in denen ich an meine Grenzen komme. Umso wichtiger sind die Unterstützung und der gegenseitige Austausch. Bei Abdullah kam hinzu, dass er vor eineinhalb Jahren schwer traumatisiert und ohne ein Wort Deutsch oder Englisch zu sprechen, hier ankam. Seine Eltern und seine drei jüngeren Geschwister sind noch in Syrien. Er hat in seinem Heimatland Schlimmstes erlebt, wurde verschleppt und gefoltert. Als er freigelassen wurde, schickte ihn seine Familie mit einem Schlepper nach Deutschland. Er war ein Jahr unterwegs, bis er in Sicherheit war. Abdullah ist ein intelligenter Junge, dem es aber mitunter schwerfällt, sich zu konzentrieren. Von großer Wichtigkeit ist daher die von der Kasse bewilligte Traumatherapie der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die ihm dabei helfen soll, die schrecklichen Erlebnisse so gut es geht zu verarbeiten.

Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie in ihrer Rolle als Vormund bislang gemacht?

Roswitha Loock:

Ich bin eine der wenigen Vormünder eines Nicht-Flüchtlings. Mein Mündel ist ein vom Schicksal und vielen Krankheiten gebeuteltes Mädchen, das in einem Bad Homburger Kinderheim lebt. Ich begleite sie zu den unzähligen Arztbesuchen, kümmere mich um ihren schulischen Werdegang und versuche, stets mit ihren Bezugsbetreuern im Heim auf einer Wellenlänge zu bleiben. Michelle hat keinen Kontakt zu ihren Verwandten, niemanden, der sie beschenkt oder für sie spart, mit ihr Feiertage verbringt. Impulsiv würde ich sie sofort unter meinen Flügel nehmen und beschützen und behüten. Meine schwierigste Aufgabe ist es, die emotionale Distanz zu ihr zu wahren, ihr auf gar keinen Fall Hoffnungen zu machen, die ich nicht erfüllen kann, sie selbständig und erwachsen werden zu lassen. Ich nehme an, dass dies eine besondere Form der Vormundschaft ist, und ich bin immer noch sehr stolz darauf, dass der Amtsvormund und der Kinderschutzbund mir einen solchen Fall anvertrauen.

Stefani Strobel:

Abdullah und ich treffen uns ein- bis zweimal pro Woche, erledigen alltägliche Sachen, gehen einkaufen, ins Theater, ins Kino oder ins Museum. Wir waren auch gemeinsam auf der Suche nach einem geeigneten Fussballverein. Wir sprechen viel miteinander, hören einander zu. Mittlerweile klappt die gegenseitige Verständigung gut. Auch wenn sich eine Verbundenheit eingestellt hat, ist es wichtig, eine gesunde Distanz zu wahren. Ich verbringe auch Zeit mit den Ämtern und der Jugendhilfeeinrichtung. Man muss z.B. durchaus Geduld mitbringen, wenn es darum geht, Leistungen im Rahmen des Jugendhilfesystems bewilligt zu bekommen. Abdullah wohnt in einer gemeinsamen Jugendhilfeeinrichtung für Jungen und Mädchen, was anfangs etwas schwierig für ihn war, denn in seiner Kultur leben Männer mit Frauen erst zusammen, wenn sie verheiratet sind. Er vermisst seine Familie sehr und hält über Whatsapp mit ihr Kontakt.

Wie reagiert Ihre Familie und Ihr Umfeld auf diese neue Aufgabe?

Roswitha Loock:

Meine Familie steht hinter mir, mein Freundeskreis ist neugierig und hilfsbereit. Ich werde wahrscheinlich nicht verhindern können, dass Michelle ein Familienmitglied wird. Ehrlich gesagt, will ich es auch nicht, auf die Dosis kommt es an. Ich bemühe mich, ihr eine sichere Größe darzustellen, eine Basis, auf die sie sich immer und überall verlassen kann. Mein Temperament zu zügeln ist das Schwierigste an dieser Aufgabe, meinen Beschützer-instinkt im Griff zu behalten, sachlich zu handeln. Also, nein, ich glaube nicht, dass man eine besondere Qualifikation benötigt für dieses Ehrenamt, man muss es nur einfach wirklich richtig ernst meinen.

Stefani Strobel:

Mein Mann war anfangs schon ein bisschen skeptisch. Aber Abdullah hat alle Bedenken, die vielleicht da waren, gnadenlos ausgeräumt. Meine Familie empfindet es als große Bereicherung, für ihn da sein zu können und selbst auch ein Stück weit in eine fremde Kultur einzutauchen. Ich möchte ihm eine Perspektive aufzeigen, ihn unterstützen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Für den wahrscheinlichen Fall aber, dass seine Familie nicht nachkommen darf, möchte Abdullah zurück in sein Land. Ich hoffe, dass er dann als guter Botschafter in sein Land zurückkehrt und sich in freundlichen Gedanken an uns und unser Land erinnern kann.

Stefani Strobel.

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