„Locker vom Hocker“: In Königstein als Fassenachtsmagnet gesetzt

Königstein (el) – „Locker vom Hocker“ – schon mal gehört? Ja, werden Sie sagen, das ist, wenn jemand etwas sozusagen aus dem Ärmel schüttelt, was anderen denkbar schwer fällt. Nichts anderes trifft besser zu auf die hochkarätig besetzte Veranstaltung in der Villa Borgnis, die rund 140 Gäste am Faschingsdienstag bis zur Beerdigung der Fassenacht um Mitternacht feiern durften. War es der familiäre Charakter – ein „Scheich“ schüttelte einer „Senftube“ die Hand, denn er hatte in ihr seinen Nachbarn erkannt – oder aber waren es die handverlesenen Aushängeschilder der Fassenachtshochburgen, die Heinz Eichhorn auf der kleinen, aber feinen Bühne versammelt hatte? Wie auch immer, die Zutaten für eine perfekte Inszenierung der Fassenacht lauten, Chapeau für so viel Geschick in der Zusammenstellung. In Birgit Menger, die auch mal gerne auf den Tischen tanzte, hatten Eichhorn und seine Mitstreiter die perfekte, charismatische „Anpeitscherin“ aus dem „Meenzer“ Karneval gefunden, die der Fassenacht unter anderem attestierte: „Jedes Jahr bist Du die Schönste!“

Natürlich kommt hinzu, dass wenn man schon von Fassenachts-Urgestein Heinz Eichhorn spricht, dieser auch jede Menge eigenes Talent in die Waagschale wirft. Da vollzog der „Molly“, wie er liebevoll von den Jokusjüngern genannt wird, auch gerne mal den fliegenden Wechsel vom Keyboard in die schwarze Kutte eines Küsters von St. Marien, der es in diesen Tagen nicht leicht hat und sein Bestes gibt, um seinen Pfarrer zu unterstützen, angesichts der großen Aufgabe, die die Bildung einer Großpfarrei darstellt. Man habe sich auf die Suche begeben und im besagten Küster einen Neuling gefunden, unkte Klaus Rätz, der in charmanter Manier zusammmen mit Ludmilla Gutjahr durch den Abend führte. Auch den Wettstreit der Nationen, wenn es um die Religion geht, wusste dieser Küster zu deuten. Etwa dass nicht die Deutschen, sondern die Holländer mit mehr „Anhängern“ unterwegs sind und Eva unmöglich eine Chinesin hätte sein können, denn diese hätte den Apfel zugunsten der Schlange verschmäht. Dass Jesus ein Student war, stand für diesen eigensinnigen Küster, der das letzte Abendmahl als Tupperparty identifizierte, ebenso fest: „Wenn der etwas tut, dann ist es ein Wunder!“ Letztere soll es immer wieder geben, gerade wenn man einem Altenheim einen Besuch abstattet und dort sieben Rentner mit sechs Gebissen die Reise nach Jerusalem spielen – fällt Ihnen dazu noch etwas ein? Nur auf eine Spezies war dieser sonst so huldvolle Küster nicht gut zu sprechen: Ein Bergvolk, das sich Falkensteiner nennt. Zwei von ihnen sollen jüngst in der Bad Homburger Spielbank gesichtet worden sein und hätten sich am Roulette-Tisch ziemlich dumm angestellt. Dass die älteste „Boy-group Hessens“, die Bembelsänger, eine lange Leitung hat, das kann man wiederum nicht behaupten. Eigentlich sind sie für ihr Alter sogar ziemlich auf Zack, beherrschen nicht nur den Acapella-Gesang, sondern auch die hohe Schule der gesanglichen Parodie.

Evergreens wie „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ versahen sie mal eben im Vorbeigehen mit neuen Texten, die etwa so lauteten: „Meine neuen Zähne sind wie ein neues Leben“. Aus „Schuld war nur der Bossa Nova“ wurde mal eben die Schnulze „Schuld war nur das alte Sofa“. Kollegial waren die Jungs aus Lich obendrein und verhalfen schnell mal ihrem Jüngsten, dem Ingo mit dem schütteren Haar, zu einem „Hochzeits-Bewerbungslied“ und funktionierten sich selbst dabei um zur unglaublich guten Mund-Streichertruppe. Auch die Schlagerqueen Nicole musste dran glauben. Nichts da mit „Ein bisschen Frieden“, schließlich ertönte es „ich bin geschieden, mein Leben ist in der Tonne, denn auch das Haus hat sie mitgenomme“. Dass man sich verhört hatte, kam auch schon mal vor und so wurde aus „Uptown Girl“ „nicht den Abt hauen, Girl!“

Der nächste Kandidat hatte es nicht minder faustdick hinter den Ohren. Dabei hatte Detlev Sissol als Gummistiefel tragender Kuhbauer aus der Sendung „Bauer sucht Frau“ die Bühne fast unscheinbar betreten. Der Arme hat schon einiges mitgemacht auf der Suche nach einer Frau. Ach so, die Resi von nebenan ist auch noch zu haben, gegen Genmanipulation hat er natürlich auch nichts. Auch nicht, dass die Bedienung beim Stammtisch eine Öko ist, aber dass sie statt Silikon-Einlagen in den Brüsten Grünkernkissen trägt, die sie praktischerweise auch noch in der Mikrowelle erhitzen kann, wenn sie es mal im Genick hat, das geht ihm dann doch entschieden zu weit. Ansonsten würde sich der Gute, sollte er mal ins Gras beißen, lieber für Alzheimer als Parkinson entscheiden, schließlich vergisst er lieber ein Bier zu bezahlen, als es zu verschütten!

Probleme wie diese sind „Tiger-Lilly“ alias Bernd Bruch fremd. Er sieht sich weniger als Lady-Pompadour-Verschnitt mit roter Rokokoperücke und aufwändiger Robe und mehr als Lebensberaterin und echte Alternative zu Erika Berger. Was sie so alles erlebt hat im „Strip-ta-hese“-Lokal, im „Blue-Silver-Kalub“ in Frankfurt, das glaubt ihr doch keiner. Dafür kann sie mit ihren Englischkenntnissen glänzen und auch ihre Übersetzungen hatten es in sich: „We are from Germany“ – was das heißt, weiß doch jeder: „Wir sind fromme Deutsche“. Und dieser schräge „Jim-nastik“-Anzug, den die Mädels bei der Deutschen Meisterschaft tragen, erleichterte sich „Tiger-Lilly“ erneut um eine Kleidungsschicht, um einen hautengen, giftgrünen Anzug zu Tage zu fördern, in dem die Verrenkungen zu denen sie dann ansetzen sollte, nicht minder gefährlich aussahen.

So viel Glitzer und Glamour, das ist doch nichts für eine echte Verkaufskanone, wie sie Horst Radelli in seinem Vortrag „Ein Verkaufsberater“ vorgab zu sein. Wen er schon alles beraten hat und warum ihn das zum Staatsfeind Nummer Eins gemacht hat, das verriet er dem Publikum im ebenso genial geistreichen wie temporeichen politisch gefärbten Vortrag über die Erlebnisse des Willi Windhund. Bundes-Angie riet er mal eben, einen Kredit bei der Fassenacht aufzunehmen, dann sind wir zwar doppelt so pleite, lachen uns aber kaputt dabei. Autobahnen in Deutschland sollte man privat verkaufen, meint Willi, die Polen würden uns doch das Gambacher Kreuz samt Radarfalle gerne davontragen, dann hätten wir in zweifacher Hinsicht etwas davon: Geblitzt würde bei ihnen und kassiert wird in Flensburg! Und warum er jetzt als „Whistleblower“ bekannt ist, diese Erklärung war Willi seinem Publikum auch noch schuldig, das alles nur, weil Frau Merkel den Kosakenzipfel von Putin gesehen habe. Kaum zu fassen! Feinde macht sich einer wie Harry Borgner, bekannt als der Mann mit den 1.000 Stimmen bestimmt nicht. Wenn einer nämlich meint, der Costa Cordalis war‘s gewesen, dann ist er auf dem Holzweg – wobei das ein sehr gutes Stichwort für das Motto seines Auftritts ist – und hat ehe er sich versieht, einen Altrocker wie Udo Lindenberg vor sich. Eins haben sie aber alle gemein, ob Reinhard Mey, Karel Gott und wie sie alle heißen: Dank Harry Borgner können sie den „alten Holzmichel“ nicht abschütteln, so sehr sie sich auch bemühen.

Der war immer einen Ticken schneller. So huldigte er mal dem Holzmichel in Gestalt von Peter Maffay und textete kurzerhand „Über sieben Brücken musst Du geh‘n“ zu „Mit 70 ohne Krücken geh‘n“. Auch der alte Howie Carpendale war nicht sicher vor diesem scharfzüngigen Stimmwunder.

Schade, dass auch dieser Abend ein Ende finden musste. Schön war‘s! Und das auch dank der vielen Helfer hinter den Kulissen, die dieses Fassenachtsevent mit viel Herzblut organisiert haben, wie etwa die Pächter des Kurhauses, Anke und Carsten Brauns, Annette und Alexander Bommersheim, ...und Klaus Rätz. Last, but not least Siggi Sturm, der für die Technik verantwortlich zeichnete, und Gabi Schneider, die die Gäste am Eingang freundlich begrüßt hatte.

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