Eine Networkerin wird 60

Der Wunsch, anderen Menschen zu helfen, ist die Motivation für die Arbeit von Maryam Javaherian. Foto: privat

Königstein
(el) – Wenn der Begriff Integration durch ein Gesicht besetzt wäre, dann würde man sofort an Maryam Javaherian denken. Das ist in vielen Fällen auch so, denn die Vorsitzende des Königsteiner Ausländerbeirats ist für zahlreiche Menschen, die hierher kommen und sich nicht alleine zu helfen wissen, eine der ersten Anlaufstellen und eine wichtige Quelle der Information. Im Grunde könnte man Javaherian, die am morgigen Freitag ihren 60. Geburtstag feiert, als „Networkerin“ im eigentlichen Sinne bezeichnen. Eine, die sich eben nicht nur in das Leben der anderen per Mausklick einschaltet, sondern mitten im Leben stehend ihre Kontakte mobilisiert, um anderen zu helfen.

Javaherian weiß nur allzu gut, wie es sich anfühlt, wenn man als Fremder in einem anderen Land ankommt, seine Heimat zurücklassen muss und sich in einer Art Niemansland wähnt. 1988 verschlug es sie und ihre Familie, nachdem sie aufgrund in der damaligen politischen Situation nicht mehr in ihrem Heimatland Iran bleiben konnte, erst nach Berlin und dann nach Königstein. In der Hoffnung, dass alles im Iran besser werde, habe man sich damals als Studentin engagiert, so Javaherian. Es sei ein italienischstämmiger Nachbar gewesen, der sie darauf aufmerksam gemacht habe, dass es so etwas wie ein Gremium für Ausländer in der Kurstadt gebe, entsinnt sich Javaherian, deren Familie eine abenteurliche Flucht, zunächst ohne die Tochter, die später nachkam, und über die Türkei nach Europa erleben musste. Sechs Wochen lang dauerte es, bis man sich wieder in Sicherheit wähnte und in Istanbul ankam. Nach weiteren sechs Wochen traf man in der deutschen Hauptstadt ein.

Diese Ereignisse liegen nun schon 40 Jahre zurück und die Eindrücke von damals sind zwar längst verarbeitet, aber nie vergessen. Der Sohn des Ehepaares, heute ein erfolgreicher Jungunternehmer, den sogar vor kurzem die FAZ porträtierte, wurde in Berlin geboren. Das Akademiker-Ehepaar fasste schnell Fuß in der neuen Heimat. Der Ehemann, ein Maschinenbauingenieur, fand schnell eine Anstellung, während Maryam Javaherian, selbst ausgebildete Ingenieurin, sich Zeit für die beiden Kinder nahm.

Menschen zu helfen und stets neue Wege der Kommunikation zu schaffen, selbst wenn es anfangs ein eher steiler Weg ist – das zeichnet die heute 60-Jährige aus, für die es eine Ehre war, 1998 das erste Mal Vorsitzende des Ausländerbeirates zu werden, was sie seitdem geblieben ist. Eigenlob weist sie dennoch weit von sich. Denn das habe auch sehr viel mit den Menschen zu tun, mit denen sie innerhalb dieses Gremiums hervorragend zusammenarbeite.

Über die Jahre hat Maryam Javaherian durch Taten bewiesen, dass Integration kein geflügeltes, sondern ein mit Leben zu füllendes Wort ist. So geht auch die Idee der Internationalen Kulturabende in Königstein, die viel dazu beigetragen haben, dass sich die Königsteiner auch neuen Kulturen gegenüber öffnen, auf ihre Initiative zurück.

Es folgten weitere soziale Projekte, die ihre Wirkung nicht verfehlten. Vor allem ist es dem Ausländerbeirat und seinen Mitgliedern ein Anliegen, Schulkinder mit Migrationshintergrund zu unterstützen. Seit einem Jahrzehnt sind zehn Lehrerinnen und Lehrer wie Andrea Schönberger daher im Einsatz für das Gremium, unter anderem in der Grundschule Königstein sowie in der Friedrich-Stoltze-Schule. Sie alle arbeiten für eine geringe Aufwandsentschädigung, die jedoch wiederum finanziert werden muss. Das mit Hilfe von Spendengeldern, unter anderem von den beiden Lions Clubs – Hochtaunus und aus Königstein – sowie von den Rotariern, aber auch von privater Seite. Da ist jeder Euro richtig angelegt. Auf diese Sponsoren, die das Engagement anerkennen, sei der Ausländerbeirat auch angewiesen, so Javaherian, denn man erhalte ansonsten keinerlei staatliche Zuwendungen, stehe auf eigenen Beinen.

Die Außenwirkung des Gremiums ist groß, das belegt auch die Auszeichnung des Bürgerpreises der Taunussparkasse für Javaherian, die als einer der „Helden des Alltags“ geehrt wurde und Menschen zu helfen auch weiterhin als ihre Hauptantriebsfeder sieht.

Seit drei Jahren ist die gebürtige Iranerin auch Stadtverordnete in Königstein, kam als Nachrückerin ins Parlament und engagiert sich politisch für die CDU. Bei dieser Kommunalwahl hat es nicht auf Anhieb geklappt, obwohl sie einen guten Sprung auf der Liste von Platz 17 auf 14 gemacht hat und Nachrückerin der Christdemokraten fürs Parlament wäre.

Darüber hinaus ist Javaherian auch Mitglied im Lenkungskreis des Freundeskreises Asyl, weist aber auch darauf hin, dass man als Ausländerbeirat auch zuständig sei für die vielen anderen Menschen aus anderen Ländern, die hier leben und arbeiten. Die Flüchtlinge, so glaubt sie, seien Opfer der Globalisierung und dessen, was in anderen Ländern passiert sei. In diesem Zusammenhang falle ihr ein Zitat von Voltaire ein. Dieser habe gesagt, dass man erst mal seinen eigenen Garten in Ordnung bringen solle. So könne man den Menschen mehr helfen. Zum 60. Geburtstag und darüber hinaus ist dieser Hilfsgedanke fest in ihr installiert, und so ist es Javaherians sehnlichster Wunsch, in Zukunft eine Stiftung ins Leben zu rufen, um Menschen zu helfen. Wie genau das Engagement aussehen könnte, das müsse noch konkretisiert werden.



X