Stadtarchivarin führte durch die Königsteiner Historie am Tag des Denkmals

Beate Großmann-Hofmann (Mitte) nahm ihre Gäste mit auf einen ungewöhnlichen Exkurs hin zu unbequemen Denkmälern. Foto: Pfeifer

Königstein (pit) – Der Tag des offenen Denkmals war ein guter Anlass, einmal eine Premiere bei den Themenführungen durch Königstein zu veranstalten. Unter dem Motto „Unbequeme Denkmale“ nutzten gut 20 Teilnehmer die Gelegenheit, von Stadtarchivarin Beate Großmann-Hofmann etwas über mehr oder minder be- oder geliebte Bauwerke der Stadt zu erfahren. „Mit diesem Thema wollen wir auf eine andere Betrachtungsweise aufmerksam machen“, so Beate Großmann-Hofmann. Allgemein betrachtet seien dies zum Beispiel unrühmliche Erinnerungen, Orte, die nicht angenehm sind oder an etwas erinnern, das nicht wiederkommen sollte. Es gehe aber auch um möglicherweise nicht so reizvolle Gebäude, die jedoch für ihre Zeit stehen, so zum Beispiel vor allem um Bauten, die in den 60er, 70er und 80er Jahren entstanden sind.

Eines stellte sie anhand eines Plakates vor der Kur- und Stadtinformation vor, dem Startpunkt des etwa einstündigen Spaziergangs: das Haus der Begegnung. „Eingeweiht wurde es 1955, als Königstein für die katholische Kirche eine wichtige Rolle spielte“, so die Stadtarchivarin. Damals war es als zentraler Tagungsort und Konferenzstätte für das Hilfswerk „Kirche in Not“ errichtet worden. Als diese Kongresse überwiegend nach Bayern verlegt wurden, erwarb die Stadt vor über 20 Jahren das Gebäude. Beabsichtigt war, dass ein Investor sich um die Erhaltung des HdB kümmern sollte: „Doch er hielt sich nicht an die Auflagen und so fiel es wieder in die Hände der Stadt zurück.“ Interessanterweise hatte damals das Landesdenkmalamt keine Bedenken, das marode Bauwerk abreißen zu lassen. Allein die Königsteiner rebellierten und es kam zu einem Bürgerbegehren, bei dem sie sich für dessen Erhalt aussprachen: „Daher handelt es sich um ein unbequemes Denkmal, um das sich viele Diskussionen drehten.“

Weiter ging es über die Georg-Pingler-Straße – blau-orange stets das Kurbad vor Augen. „In den 50er und 60er Jahren war man von Seiten der Stadtregierung sehr auf die Erhaltung der Kur fixiert“, so Beate Großmann-Hofmann. Schließlich sei aufgrund Königsteins geografischer Lage schon augenfällig gewesen, dass man hier kaum auf die Ansiedlung von Industrie hoffen durfte. Für die Errichtung eines entsprechenden Kurbades seien verschiedene Standorte erläutert worden. So zum Beispiel einer zwischen dem Kurhaus und der ehemaligen Stadtgärtnerei oder neben der Villa Rothschild. Die verkehrsgünstige Lage habe jedoch für den Wiesengrund gesprochen. Mitte der 70er Jahre sei dann der Bau in Angriff genommen worden und die Hanglage sei dazu genutzt worden, das Bad auf vier Ebenen zu errichten.

Für die farbliche Gestaltung wiederum war der Künstler Otto Herbert Hajek engagiert worden, der die Farben Orange und zweierlei Blau wählte. „Das Orange soll die Sonne von außen hinein bringen und die Blautöne symbolisieren die Verbindung zwischen Himmel und Wasser“, erläuterte Beate Großmann-Hofmann. Allerdings sei damals ein Aufschrei durch die Bevölkerung gegangen. Versöhnlich zeigten sich die Königsteiner erst, als ihnen verdeutlicht wurde, dass dies auch die Farben des Herzogtums Nassau sind. Mittlerweile müssen sie sich übrigens auf lange Sicht damit abfinden, denn Hajek bestand vertraglich darauf, dass an den Farben nichts geändert wird. Als Bauwerk des „Brutalismus der 70er Jahre“ steht das Kurbad seit einigen Jahren unter Denkmalschutz. Höflicher bezeichnet wurde diese Entscheidung jedoch von einem Mitarbeiter vom Landesamts für Denkmalpflege, der es ein „außergewöhnliches Bad in Deutschland“ nannte. Kontroversen hinsichtlich dieses Bauwerks wurden darüber hinaus deutlich, als es um eine mögliche Namensgebung dessen ging. „Ein Vorschlag lautete ‚Millionengrab’“, verriet die Stadtarchivarin.

Aus den Reihen der Führungsteilnehmer gab es allerdings auch auf Positives hinzuweisen. Zum Beispiel wurde die einmalig schöne Lage gelobt und Beate Großmann-Hofmann fügte ihre ganz persönliche Meinung hinzu: „Man muss bedenken, dass das Gebäude in einer Zeit entstand, in der schon genügend Funktionsbauten in Betongrau errichtet wurden.“ Ein nächster Haltepunkt war dann die Altkönigstraße, in der 1902 die Jugendstilvilla Stephanie als Pensionshaus gebaut wurde: „Es ist die einzige Villa dieses Stils in Königstein, alle anderen haben nur wenige Verzierungen dieser Art.“ Ein Hinweis noch auf die benachbarte Villa Stella, die etwas bescheidener daherkommt. „Sie gehörte einst einer Engländerin, die die Wohnungen an Kurgäste vermietete und damals mit dem Hinweis auf das ‚electric light’ in der Zeitung inserierte“, wusste Beate Großmann-Hofmann zu berichten. Nächster Stopp: die Hubert-Fassbender Anlage als kleine innerstädtische Anlage, in der nun ein Denkmal für Gefallene der Weltkriege steht, und dann weiter die Gerichtsstraße hinauf, die vom 13. bis zum 15. Jahrhundert die erste Durchgangsstraße Königsteins war.

Wissenswertes gab es auch über die St. Angela-Schule zu erfahren, die 1884 gegründet wurde und 1918 ein staatlich anerkanntes Lyceum wurde: „Damit ging einher, dass sie erweitert werden musste.“ Somit entstand die halbrunde Kapelle mit dem vorgelagerten gelben Klassentrakt. Sehr individuell übrigens die Lösung, dass die Kapelle im unteren Bereich als Turnraum und lediglich in dem darüber liegenden Stockwerk tatsächlich als Kapelle diente. Die Ursulinen mussten jedoch heftiger Kritik ausgeliefert gewesen sein, denn überliefert ist ein Glückwunsch von Bürgermeister Gustav Böhm, der ihre Standfestigkeit hinsichtlich der Architektur entgegen vieler damaliger Stimmen lobte.

Schlusspunkt der ebenso abwechslungs- wie lehrreichen Führung war schließlich das Haus mit der Nummer 15 in der Gerichtsstraße, das einst auf dem Standort des früheren Untertores der Stadt errichtet wurde. „Dies ist auch eine Station bei der Führung über jüdische Stätten Königsteins“, verriet die Stadtarchivarin. Denn mittlerweile gebe es schon drei Geschichten, die mit dem kleinen Haus einhergehen. So markiert es nicht nur die Stelle des einstigen Stadttores, sondern wurde 1837 von der israelitischen Gemeinde erworben, die ein Ritualbad brauchte. Damals sei der Höhenbach noch unter dem Haus durchgeflossen und daher war es als geeignet betrachtet worden. Später ging es an eine vierköpfige Familie, die es dann an die Stadt verkaufte. „Als dann der Autoverkehr zunahm, wollte man das Haus abreißen, damit er besser fließen kann“, erläuterte Beate Großmann-Hofmann. Doch in diesem Zusammenhang sei man auf das Gebäude als früheres jüdisches Ritualbad aufmerksam geworden, das Denkmalamt bekundete Interesse und aufgrund weiterer Diskussionen war ein Abriss schließlich ausgeschlossen. 1991 sei es von einem Privatmann erworben worden, der es wieder instandsetzte: „Und daher gehört dieses kleine Haus ebenfalls zu den unbequemen Denkmälern – es steht sehr weit in die Straße hinein und es wurde sehr kontrovers darüber diskutiert“, spannte Beate Großmann-Hofmann den Bogen zu dem Titel dieser interessanten Stadtführung.



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