Stadtgeschichte muss nicht immer statisch sein

Oben auf der Burg angekommen, reihten sich die handelnden Figuren der lebendigen Stadtführung noch einmal für die Fotografen auf. Eine chronologische Zuordnung spielte dabei keine Rolle.

Königstein (el) – Wie lebendig und höchst interessant die Königsteiner Stadtgeschichte sein kann, das durften an verschiedenen Stationen an die 300 Teilnehmer des jüngsten Historischen Stadtspaziergangs feststellen. Ursprünglich hatten Stadtarchivarin Beate Großmann-Hofmann und das ehemalige Burgfräulein Marijke Wesser die Idee für diese szenische Darstellung von wahren Begebenheiten aus der Historie der Kurstadt. In den Mittelpunkt stellten sie – wie auch in den zwei Jahren zuvor – wieder einmal bedeutsame Figuren und Charaktere, die Stadtgeschichte geschrieben haben. Interessanterweise wurde die Geschichte an den verschiedenen auserwählten Standorten in Königstein – Altstadt, Kurpark und Burg zählten dazu – gerade von Menschen veranschaulicht bzw. schauspielerisch dargestellt, die ihrerseits gerade dabei sind, die Geschichte der Kurstadt fortzuschreiben.

So ging es gleich an der ersten Station, am Alten Rathaus, sowie in der Kugelherrnstraße um die Errichtung der Stiftung der Kugelherren durch Eberhard III. von Eppstein-Münzenberg am 3. Februar 1465. „Die Errichtung des Klosters bedurfte der Genehmigung des zuständigen Bischofs. Der Mainzer Erzbischof Apdolph II. von Nassau (Eberhard hatte seine Schwester geheiratet und war daher sein Schwager) erteilte diese Genehmigung mit der Urkunde vom 23. August 1466. Die Pfarrkirche St. Marien in Königstein wurde dem Kloster inkorporiert. Damit stand auch der Pfarrfonds sowie sieben Altarstiftungen dem Kloster zur Verfügung. Das Patronatsrecht sollte bei Graf Eberhard bzw. seinen Erben liegen. Bereits am 20. März hatte Papst Paul II. in einer Bulle der Klostergründung zugestimmt.

In Höhe des Hauses Nr. 17 in der Kugelherrnstraße verlas ein „guter alter Bekannter“ eine Urkunde, die in Zusammenhang mit der Reformation angefertigt wurde. Verkündet wurde der Urkundentext von keinem Geringeren als dem Rathauschef Leonhard Helm persönlich, der schon bei so manchem Burgfest würdevoll das Schultheiß-Gewand aus dem Mittelalter getragen hat. An seiner Seite: Gottfried Kehrer als der erste lutherische Pfarrer in Königstein.

Am Wegkreuz vor dem Alten Rathaus gegenüber den Ratsstuben gab es eine weitere Begegnung – diesmal mit einem Abgesandten des Fürst-Erzbischofs von Mainz, der von Manfred Colloseus gespielt wurde. Die Urkunde war eigentlich vielmehr eine Anweisung aus dem Jahr 1581, wonach die protestantischen Stolberger (Stadtverordnetenvorsteher Alexander Freiherrr von Bethmann als Graf Albrecht von Stolberg – angeblich das „schwarze Schaf der Stolberger“) Burg und Stadt Königstein an Mainz übergeben sollten. Nach einigen Verhandlungen und viertägiger Belagerung gaben die Stolberger nach und Königstein wurde mainzisch.

In der Hauptstraße am Durchgang zum Kurpark berichtete Stadtarchivarin Großmann-Hoffmann darüber, dass an eben dieser Stelle, an der sich jetzt das Haus samt eines Juwelier-Geschäftes befindet, ehemals das Gasthaus „Zum Grünen Baum“ gestanden hat. In genau diesem Gebäude habe laut Großmann-Hofmann der Generalfeldmarschall Blücher nach der Völkerschlacht von Leipzig in Verfolgung der Armee Napoleons einige Tage genächtigt und sein Hauptquartier aufgeschlagen.

Von da an führte er seine preußischen Truppen bei Bingen über den Rhein, um schließlich gemeinsam mit Wellington in Waterloo Napoleon endgültig zu besiegen.

Auch der Kurpark am Brunnen vor der Villa Borgnis wurde als Hintergrundkulisse eingebunden, um hier die Bedeutung des Kurwesens für die Kurstadt zu demonstrieren. Eine sehr schöne Einführung in die Blüte der Kur und einen Bericht über die Gründung der Wasserheilanstalt gab es von einem, der es eigentlich am besten wissen müsste: Kurarzt Dr. Pingler alias Hermann Groß.

Was folgte, war eine köstliche Ausführung über die segensreichen Wirkungen des Wassers und der Taunusluft auf die Gesundheit der Kurgäste. Es wurden kalte und warme Umschläge empfohlen für alle kleineren und größeren Wehwehchen. Dies wurde szenisch sehr schön von Constanze Schleicher und Hermann Groß zum Amusement des zahlreichen Publikums dargestellt. Vor der Villa Borgnis gab es weitere Ausführungen von Christian Bandy sowie auf dem Weg hoch zur Burg von Beate Großmann-Hofmann. Vor dem Burgtor gab es eine szenische Darstellung der Verbringung von Gefangenen (Dr. Michael Hesse) durch Gardisten in das Gefängnis auf der Burg. Auf der Burg selbst machten die Teilnehmer der Führung Bekanntschaft mit einer Ära, zu der es üblich war, dass Damen Flöten spielend am Spinnrad saßen und sich die Herren im Bogenschießen übten (Thomas Wickerath). Außerdem beklagte sich ein Burgfräulein bei den Besuchern bzw. fühlte sich von den „Besuchern“ belästigt, die darüber lachten und lästerten, dass sie, wie wohl damals üblich, ihr Badewasser ins Freie kippen wollte. Sie drohte an, die Lästerer „in den Turm werfen zu lassen“.



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