Verständnis für Demokratiegeschichte als Waffe gegen Antidemokraten

Die Mitglieder des Kuratoriums für das Projekt „Festung Königstein – Ort europäischer Demokratiegeschichte“ freuten sich über den hochkarätigen Referenten aus Österreich. Von links nach rechts: Knut Günther, Christoph Schlott, Prof. Dr. Helmut Reinalter, Dr. Bärbel von Römer-Seel

Foto: Krüger

Königstein (sk) – Es war mitnichten Zufall, dass die vom Verein Terra Incognita veranstaltete Reihe „Königstein-Demokratie“ genau am Tag des Inkrafttretens unseres Grundgesetzes vor 69 Jahren stattfand. „Vielen ist es nicht mehr präsent, aber das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wurde zwar am 8. Mai 1949 unterzeichnet, trat aber erst am 23. Mai 1949 in Kraft“, erinnerte Vereinsvorsitzender Christoph Schlott.

Für dieses besondere Datum, das eigentlich ein Feiertag für die Demokratie sein könnte, so der Vereinsvorsitzende, habe man in Kooperation mit dem Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz mit Prof. Dr. Helmut Reinalter einen der führenden Historiker und Forscher zur Demokratiegeschichte Deutschlands und Europas als Referenten. Seit über 50 Jahren erforscht Prof. Reinalter die Geschichte der Neuzeit mit besonderem Schwerpunkt auf die Politische Philosophie und die Demokratieforschung. 1981 wurde er an der Universität Innsbruck Professor für Geschichte der Neuzeit und Leiter der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa“, aus der im Jahr 2000 das international anerkannte Privatinstitut für Ideengeschichte Innsbruck hervorging, das er seit seiner Emeritierung leitet. Die beachtenswerte Liste seiner Publikationen spreche für sich, so Christoph Schlott, der sich über eine zukünftig engere Zusammenarbeit mit Prof. Reinalter im Rahmen des Projektes „Festung Königstein - Ort europäischer Demokratiegeschichte“ freute.

Die frühe Demokratie in Europa

In seinem Vortrag über „die Anfänge der Demokratie“ spannte der Referent einen zeitlichen Bogen von den italienischen Stadtstaaten der Frühen Neuzeit, über die Englischen Revolutionen, die Aufklärung und die Französische Revolution bis zu den Anfängen der Demokratie in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Schwerpunkte bildeten dabei die Jakobinerforschung Mitteleuropas sowie die Demokraten im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert. Dabei betonte Prof. Reinalter, man könne nicht streng zwischen Demokratieforschung und Revolutionsforschung trennen. Wichtige Jahre im Sinne der Demokratieforschung seien beispielsweise aus den beiden englischen Revolutionen im 17. Jahrhundert hervorgegangen. Die Machtkämpfe zwischen Königshaus und Unterhaus könnten heute als Geburtsstunde des modernen Parlamentarismus verstanden werden. Wesentliche Ideen der Demokratie habe allerdings erst die Spätaufklärung hervorgebracht, wenngleich der Begriff „Demokratie“ erst im späten 18. Jahrhundert verwendet worden sei. Der Republik-Begriff der Französischen Revolution wurde laut dem Referenten von den Mainzer Jakobinern aufgegriffen im Verständnis einer Republik als Volksstaat, in dem das Volk regiere in Form einer repräsentativen Demokratie basierend auf einem gewaltenteilenden System. In der frühen ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts seien die begrifflichen Grenzen von Demokratie und Republik noch bis zur Bedeutungsgleichheit verschwommen. Erst mit der Juli-Revolution in Frankreich 1830 und dem damit verbundenen sozialen Umsturz als Voraussetzung für die politische Revolution habe sich das Republik-Verständnis weiter radikalisiert. Während der Demokratiebegriff noch die Volkssouveränität untermauerte, sei der Republikbegriff für die Umschreibung der politischen Freiheit und der sozialökonomischen Veränderungen ausschlaggebend gewesen. Nach 1850 sei die Idee der republikanischen Staatsform zurückgestellt worden zugunsten einer parlamentarischen Monarchie.

Gedankenschluss: Verständnis für die Demokratiegeschichte als Waffe gegen Antidemokraten

Im Anschluss an den Vortrag entspann sich eine rege Diskussion, in der sich der Gedanke manifestierte, dass es in den Anfängen unserer Demokratie gar keine lupenreinen Demokraten gegeben habe. Aber gerade die Lebensgeschichten der frühen Demokraten mit all ihren Brüchen und Irrungen seien für unser heutiges Demokratieverständnis besonders wichtig, da sie wichtige Momente und Weichenstellungen gegen teils massive Anti-Demokratie-Bewegungen skizzierten, die letztendlich zu unserer heutigen Demokratie geführt hätten. Heute gebe es eine kulturelle Krise der Demokratie vor dem Hintergrund der mangelnden aktiven Toleranz gegenüber kulturell Andersdenkenden, fasste Prof. Dr. Helmut Reinalter zusammen und wünschte sich ein viel intensiveres Beschäftigen mit der Demokratiegeschichte.



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