Welche Bedeutung hat die europäische Union für Hessen?

Henning Groskreutz (SPD), Patricia Peveling (Bündnis90/Die Grünen), Holger Gruppe (FDP) und Jürgen Banzer (CDU – von links nach rechts)) diskutierten mit der Kreisvorsitzenden der Europa-Union Hochtaunus, Hildegard Klär, über die Bedeutung eines starken Europas für die Zukunft Hessens.
Foto: Krüger

Schneidhain (sk) – Das Motto der Europäischen Union (EU) lautet „In Vielfalt vereint“. Ähnlich harmonisch verlief die Podiumsdiskussion im Schneidhainer Gemeinschaftshaus zum Thema „Europa in der Region“. Von Europaskepsis war nichts zu spüren. Im Gegenteil. Lebhaft und offen diskutierte die Kreisvorsitzende der Europa-Union Hochtaunus, Hildegard Klär, mit Vertretern von vier Parteien, die im Hochtaunus-Wahlkreis zur Landtagswahl in Hessen am 28. Oktober antreten.

Jürgen Banzer (CDU), Henning Groskreutz (SPD), Patricia Peveling (Bündnis 90/Die Grünen) und Holger Gruppe (FDP), der den verhinderten Dr. Stefan Naas vertrat, waren sich alle einig, dass Frieden, Stabilität und Wohlstand zu den wichtigsten Errungenschaften der EU zählten. Außerdem benannten alle Kandidaten das Wertesystem der EU übereinstimmend als wesentliche Grundlage für eine völkerübergreifende wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit. Daneben bestand Konsens, dass die Reisefreiheit durch die Abschaffung der Grenzkontrollen, die Vereinfachung des Handels und der Binnenmarkt als größter Wirtschaftsmotor anzuerkennende Verdienste der EU seien.

Den Menschen näherbringen

Kernfrage der Veranstaltung war, was man tun kann, um Europa den Menschen näher zu bringen. Dazu wollte Hildegard Klär von den Podiumsteilnehmern wissen, an welcher Stelle die EU sie persönlich in ihrem Alltagsleben berühre. Patricia Peveling als Fachanwältin für Familien- und Arbeitsrecht verwies auf die enorme Bedeutung europäischer Rechtsvorschriften, die ihren Arbeitsalltag prägten. Der Betriebswirt Holger Gruppe benannte die Regulierung des Finanzwesens und den Brexit als wesentlichen Berührungspunkt. Für Jürgen Banzer habe die multikulturelle Struktur der EU mit ihrer Mehrsprachigkeit und Vielfalt insbesondere auf junge Menschen einen prägenden Einfluss. Der Jurist Henning Groskreutz verwies auf die erst kürzlich in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung mit ihren Auswirkungen auf fast alle Lebensbereiche, privat wie beruflich, und erntete dafür ein zustimmendes Schmunzeln der Zuhörer im Saal. Er kritisierte aber auch das Fehlen von harmonisierten Sozialsystemen und betonte in diesem Zusammenhang die Probleme bei der Entsendung von Arbeitnehmern innerhalb der EU.

Solidarität mit ärmeren Ländern

Hildegard Klär informierte, dass aktuell aus dem EU-Regionalfonds und dem EU-Sozialfonds etwa 413 Millionen Euro in zahlreiche Projekte in Hessen fließen und bat um Einschätzung, ob Hessen als reiche Region Solidarität mit ärmeren Regionen zeigen müsse und ob die Mittel beispielsweise nach Ost-Europa geleitet werden sollten. Nach Ansicht von Holger Gruppe müssten die Umverteilungsmechanismen zunächst geprüft werden. Er sehe Hessen als starken wirtschaftlichen Motor, der nicht durch eine überproportionale Abgabe beeinträchtigt werden dürfe. „Solidarität bedeutet nicht nur, Arme reicher zu machen“, warf Jürgen Banzer ein und sprach sich für die Förderung europarechtlicher Interessen aus. Ohne Förderung, kein Fortschritt, lautete sein Statement. Förderprogramme seien sehr wichtig, stimmte Henning Groskreutz zu. Solidarität bedeute für ihn aber auch, dass man voneinander lernen könne, um Fördermittel sinnbringend einzusetzen. Die EU sei aber nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern vornehmlich eine Wertegemeinschaft, erinnerte Patricia Peveling. Es ginge in erster Linie um Teilhabe, aber man müsse dabei alle mitnehmen. Das sei eine der gestalterischen Aufgaben einer solidarischen Union.

Mitentscheidung der Kommunen

Hildegard Klär bemängelte, dass die Kommunen in den Institutionen der EU im Abseits stünden, obgleich die europäische Rechtssetzung massive Auswirkungen auf die Möglichkeiten und Grenzen des kommunalen Handelns habe. „Wie können sich die Kommunen mehr Gehör in der EU verschaffen“, fragte sie die Kommunalpolitiker. Es bestand Konsens darüber, dass der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) als beratende Einrichtung der EU den Kommunen ein förmliches Mitspracherecht bei der Gesetzgebung in Europa verschaffe, wodurch die Anliegen von regionalen und lokalen Behörden respektiert würden. Der Ausschuss ermögliche es den Kommunen außerdem, sich gemeinsam in EU-Debatten zu Fragen wie Wachstum und Beschäftigung, Klimawandel, grenzübergreifende Zusammenarbeit, Entwicklung und Subsidiarität einzubringen.

40 Städtepartnerschaften

„Was kann Hessen tun, um diese Städtepartnerschaften zu unterstützen“, erkundigte sich Hildegard Klär. „Städtepartnerschaften stärken den europäischen Grundgedanken“, antwortete Henning Groskreutz und befürwortete eine Stärkung der Erasmusprogramme. Entsprechend des Wahlprogrammes von Bündnis 90/Die Grünen sprach sich Patricia Peveling für die Förderung der Städtepartnerschaften aus, die einen Beitrag zum europäischen Integrationsprozess leisten. Holger Gruppe und Jürgen Banzer stimmten dem zu, betonten aber, dass es dabei in erster Linie auf die persönlichen Beziehungen ankomme und nicht nur um die finanzielle Abfederung von Reisekosten. Alle Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass es in erster Linie darum gehe, Menschen zu motivieren, sich für Demokratie, Stabilität, Sicherheit, Solidarität und interkulturelle Verständigung einzusetzen.

Europaministerium in Hessen?

Das sei nicht zwingend erforderlich, waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig, so lange die Hessische Landesvertretung in Brüssel hessische Interessen angemessen vertrete und diese in den EU-Entscheidungsprozess mit einbringe. Verantwortlich dafür sei Lucia Puttrich, die hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Bevollmächtigte des Landes Hessen beim Bund.



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