Chance zur Verbesserung der Infrastruktur nicht genutzt

Unser Leser Jürgen Menold, Am Wiesenhof, Mammolshain, kommentiert den Bau eines neuen Wohnhauses in seinem Stadtteil.

Im Ortskern von Mammolshain, in der Vorderstraße 22, lag – bis vor Kurzem – das Anwesen Schreibweis. Das dort stehende Wohnhaus war zu einer Zeit erbaut, als Kuh- und Ochsengespanne das wesentliche Transportmittel im Ort darstellten. Im Zuge der Pflasterung und späteren Asphaltierung der Vorderstraße wurde diese jeweils erweitert, so dass letztlich das Wohngebäude teils auf dem Bürgersteig stand und damit zum Verkehrshindernis wurde.

Als vor mehr als 20 Jahren der letzte ständige Bewohner namens Schreibweis verstarb, hofften die Mammolshainer, dass bei einem Verkauf der Liegenschaft die Stadt ihr Vorkaufsrecht in Anspruch nimmt, die stark sanierungsbedürftige Immobilie abreißt und die Fläche dem benachbarten Bornplatz, dem Festplatz der Mammolshainer, angliedert.

Die mindeste Erwartung war, dass bei einem Neubau die gesetzlichen Grenzabstände gesichert werden, denn eine solche Gelegenheit zur Verbesserung der heute geforderten In-frastruktur bietet sich nur einmal im Jahrhundert.

Der Verkauf und Abriss ließen mehr als 20 Jahre auf sich warten. Der Abriss erfolgte im Frühjahr – gleichzeitig zeigte eine Werbetafel den Neubau eines beachtlich großen Hauses mit fünf Eigentumswohnungen an. Bei tieferem Einblick in die Situation mussten die betroffenen Anwohner feststellen, dass der Magistrat der Stadt eine Baugenehmigung erteilt hatte für ein noch größeres Verkehrshindernis als das frühere. Grenzabstände wurden völlig ignoriert. Der Magistrat entschuldigte sich mit dem Argument, dass zum Zeitpunkt der Behandlung das Bauantrags ein rechtsgültiger Bebauungsplan nicht existiert habe, also habe man genehmigen müssen. Nun fordert der § 15 der HBO, dass „Sicherheit und Leichtigkeit“ des öffentlichen Verkehrs durch Neubauten nicht beeinträchtigt werden dürfen.

Genau da, wo der neue Baukörper den Grenzabstand mit 1,65 Metern zum öffentlichen Verkehrsraum am deutlichsten unterschreitet, befindet sich eine kritische Fahrbahnverengung der Vorderstraße auf 4,5 Meter, die schon jetzt LkW/Omnibus-Begegnungsverkehr nur im Schritttempo und per Handzeichen erlaubt – und zudem vor einer schlecht einsehbaren Kurve. Welche „Sicherheit und Leichtigkeit“ soll da ein Kinderwagen schiebender Fußgänger auf einem nur 90 Zentimeter breiten Bürgersteig in solcher Situation (quasi in der Knautschzone) empfinden ?

Mit dem Neubau hat sich der Magistrat ein Denkmal gesetzt – ein wahrlich unrühmliches, und die Bauherrschaft hat ihren Freundeskreis in Mammolshain kaum erweitert.

P.S.: Der Schreiber war einige Jahre Mitglied im Königsteiner Magistrat und erinnert sich mancher Sonntage, an denen er sich mit Bandmaß und Zollstock ausgerüstet an Ort und Stelle über den montags zu behandelnden Sachverhalt informiert hat.



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