Wenn der Dialog an seine Grenzen stößt, weil der Mut zum Handeln fehlt

Dr. Stefan Bergheim (mit Headset) im Gespräch mit seinen Gästen.
Foto: Scholl

Schneidhain (gs) – Die Digitalisierung ist ein in der Bevölkerung sehr kontrovers diskutiertes Thema. Während die einen permanent auf die drohenden Gefahren (beispielsweise Missbrauch persönlicher Daten, „Überwachungsstaat“, Wegfall von Arbeitsplätzen) hinweisen, sehen andere in der Digitalisierung eine große Chance, das Leben von einfachen, sich wiederholenden Tätigkeiten zu entlasten und Platz – und damit Zeit – für wichtigere und komplexere Aufgaben zu schaffen.

Mitunter stehen sich diese beiden Gruppen unversöhnlich gegenüber, dabei bedürfte es in manchen Fällen einfach nur eines vernünftigen Dialoges, um beide Seiten gleichberechtigt zu beleuchten und einen Weg zu finden, der beiden Seiten gerecht wird. Dieser oft fehlende Dialog ist es, den Dr. Stefan Bergheim, Leiter des Zentrums für gesellschaftlichen Fortschritt e.V. in Frankfurt anstoßen möchte. Das Zentrum hat es sich zur Aufgabe gemacht, neue Wege und Methoden zu erarbeiten, mit denen die Lebensqualität in Deutschland verbessert werden kann. Bergheim, von Haus aus Volkswirt und vormals unter anderem bei der Deutschen Bank AG in Frankfurt beschäftigt, war darüber hinaus maßgeblich an der Entwicklung des „Fortschrittindex“ beteiligt, der eine Messung der Lebensqualität jenseits des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ermöglicht. Das Besondere an Bergheims „Vortrag“, der im Offenen Treff Schneidhain im Rahmen der Vortragsreihe „Fluch oder Segen? – Wie die Digitalisierung unser Leben beeinflusst!“ zu hören war, war, dass es sich nicht um einen Vortrag im klassischen Sinne handelte. Vielmehr forderte Bergheim seine Zuhörer auf, in einen Dialog einzutreten, in dem das Thema Digitalisierung und die Frage nach deren Bedeutung für unsere Lebensqualität zentrales Thema war. Die anfängliche Diskussion drehte sich zunächst um die Frage, welche positiven wie auch negativen Einflüsse die Digitalisierung überhaupt auf unser Leben hat.

Pro und contra

Nach anfänglichem Zögern fanden sich zunächst einige positiv bewertete Aspekte wie: Informationen stehen schnell und umfangreich für Jedermann zur Verfügung oder die Möglichkeit der kostengünstigen weltweiten Kommunikation, ein umfangreicheres Warenangebot und die Nutzung von Navigations-Apps.

Trotzdem fanden sich auch zahlreiche negative Aspekte der Digitalisierung, wie beispielsweise der Zwang zu deren Nutzung, sich wandelnde Bildungsangebote oder der Verlust von Individualität durch normierte Prozesse. Dies alles waren Fragestellungen, die den Zuhörern auf „den Nägeln“ brannten und die eine spannende Diskussion folgen ließen. Somit gelang es Bergheim nahezu mühelos, seine Gäste in den erwünschten Dialog eintreten zu lassen. Nun definiert sich ein Dialog, oft auch als Gegenrede bezeichnet, darüber, dass Menschen mit unterschiedlichen Sichtweisen sachlich diskutieren, wofür zunächst einheitliche Dialogthemen vorhanden sein mussten. Bergheim hatte zu diesem Zweck mehrere Infotafeln im Raum angebracht, die sich mit unterschiedlichen Themen und deren Bezug zur Digitalisierung beschäftigten. Hier fanden sich als Themenfelder unter anderem Zusammenleben, Bildung, Sicherheit, Gesundheit und Wirtschaft. Die Gäste waren angehalten, sich mit einzelnen Themen ihrer Wahl näher zu beschäftigen. Ein interessantes und sehr kommunikatives Konzept, was zu vielen Gesprächen miteinander führte. Der anschließende Dialog folgte vier Kernpunkten: Der Fokus des Gesprächs lag auf dem jeweiligen, gemeinsamen Thema, wobei die Gesprächsergebnisse zur Formulierung von Wünschen und Visionen führen sollten. Dazu gehört auch die Betrachtung, welche Indikatoren (Hinweise auf eine bestimmte Entwicklung) hilfreich sein könnten, um die angestrebten Ziele zu erreichen und letztendlich ging es darum, konkrete Handlungsansätze zu formulieren.

Beim spannenden und vielschichtigen Dialog ging es weniger um die Ergebnisse an sich, denn dafür war das Zeitfenster vielleicht zu klein, sondern um den Dialog selbst. So wurde unter den Gästen das eine oder andere Thema eingehend diskutiert, wobei auch die Formulierung von Zielen und Wünschen, was in welcher Form verbessert werden könnte, noch relativ leicht umsetzbar war. Interessant wurde es, als von den Gästen konkrete Handlungsansätze zur Verbesserung formuliert werden sollten.

Ratlosigkeit

Die Ratlosigkeit darüber machte die Gäste etwas betroffen und zeigte deutlich, wie schwer der Weg von der Idee zur Umsetzung von Veränderungen doch ist. Es zeigte sich, dass die Formulierung von Veränderungswünschen nur ein Teil des Dialogprozesses sein kann und dass für ein tatsächliches Handeln oft einfach die umsetzbaren Ideen fehlen.

Vielleicht ist dieses ein Grund dafür, dass sich viele Mitbürger den Folgen der Digitalisierung „ausgeliefert“ fühlen. Dr. Stefan Bergheim hat mit seinem Dialogkonzept an diesem Abend sicher den einen oder anderen zum Nachdenken angeregt, ob der empfundenen „Machtlosigkeit“ vielleicht nur gemeinsam, in einem beständigen Dialog, begegnet werden kann.



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