Im Auftrag des Bistums: Pfadfinder zauberten ein Riesenfest aus dem Stegreif

Vielleicht haben die hiesigen Pfadfinder tatsächlich die „AGoDiPa“ (After-Gottesdienst-Party) erfunden, aber keine Angst, das Konzept soll nicht wöchentlich wiederholt werden, auch nicht, um notorisch leere Kirchenbänke wieder zu füllen. Fotos: Friedel

Königstein (hhf) – „Für nur 72 Stunden Vorlauf sind die aber ganz schön laut“ – mehr als einmal war diese leise Kritik zu hören, aber dafür gab es eine Erklärung, denn eine Tonanlage, die nicht auf die Musik abgestimmt ist, kann Defizite am besten durch Lautstärke ausgleichen. Und auch die andere, mehrfach vernehmliche Krittelei: „Andere Vereine brauchen für so etwas ein oder zwei Jahre...“ muss relativiert werden, denn ein großes Fest innerhalb 72 Stunden (darin ist die Zeit des Feierns enthalten!) aus dem Boden zu stampfen, ist eben etwas anderes – und auch etwas einmaliges. Und mehr als anstrengend, das geben die Königsteiner Pfadfinder unumwunden zu.

Uns schickt der Himmel

Möglicherweise hat der eine oder andere Anwohner am Sonntag mit der himmlischen Herkunft des Riesenfestes auf dem Kapuzinerplatz gehadert, doch steht zumindest eines fest: Die Organisatoren sind unschuldig! Wenn auch nicht aus direkter prophetischer Erleuchtung, so handelten sie doch im klaren Auftrag des Bistums Limburg, wie vor zehn Jahren, als sie – in aller Stille – den Grillplatz am unteren Ende des Woogtals erbauten.

Möglicherweise als Dankeschön-Aktion für dieses Geschenk an die Stadt, das sich bis heute reger Beliebtheit erfreut, lautete ihre Aufgabe diesmal, ein Fest zu organisieren, für die ganze Stadt und natürlich zugunsten eines guten Zweckes, der schnell im Verein „Bürger helfen Bürger“ gefunden war.

3.300 Projekte deutschlandweit

Unter dem Motto „Uns schickt der Himmel“ fand in diesem Jahr zum dritten Mal im Bistum Limburg die „72-Stunden-Aktion“ statt, mittlerweile die größte Sozialaktion Deutschlands, an der sich 3.300 Gruppen beteiligt haben. Ausgerichtet vom Bund Deutscher Katholischer Jugend (BDKJ), dem Dachverband für die katholischen Kinder- und Jugendverbände, beteiligten sich alle 27 Diözesen, im Bistum Limburg meldeten sich über 1.500 Jugendliche in 69 Gruppen freiwillig zu diesem Abenteuer, bei dem es darum geht, mit tatkräftigem Einsatz die „Welt ein Stückchen besser zu machen“.

Das Besondere daran: Die Mehrheit der Gruppen erfährt erst 72 Stunden vor Erfüllungstermin, welche Aufgabe ihnen zugedacht worden ist. So wurden die 22 Projekte für Hochtaunus- und Main-Taunus-Kreis erst am vergangenen Donnerstagabend um 17.07 Uhr auf dem Feldbergplateau im Beisein beider Landräte und Bischof Georg Bätzings bekanntgegeben.

Geheime Genehmigungen

Für die Königsteiner „Pfadis“ hieß es also nun, ein größeres Fest zu organisieren, die besondere Schwierigkeit dabei lag darin, das Publikum zu informieren (die KöWo fällt zum Beispiel in diesem Zeitfenster aus), außerdem lag die Zeit des Feierns innerhalb der 72 Stunden, zur Organisation blieb also ein halber Tag weniger. Immerhin hatten die Jugendbeauftragten des Bistums vorab – und im Geheimen – schon die nötigen Formalitäten mit der Stadtverwaltung abgeklärt, denn ohne offizielle Genehmigung geht auch für weltverbessernde Christen nichts in Deutschland.

So abgesichert, konzentrierten sich die jungen Leute schnell auf das Programm, denn es galt ja, schnellstmöglich Werbung zu machen. In Windeseile verkündete ein schon am Samstagmorgen ausgetragenes Flugblatt: (spontan) Feiern auf dem Bürgersteig, vermutlich des Kapuzinerplatzes, sei angesagt, es gelte, Essen, Trinken und Spaß zu haben, dazu gebe es viele spontane Überraschungen – sie standen bei Drucklegung der Werbezettel einfach noch nicht fest.

Gut vernetzt ist alles

Im katholischen Gemeindezentrum sah der große Saal mittlerweile so aus, wie es aus Fernsehaufnahmen von Krisenstäben geläufig ist, zwischen Stellwänden voller Zettel türmten sich erste Tombolaspenden und Verpflegung für die Aktiven, die zum Teil sogar am Freitag schulfrei bekommen hatten. Dominiert wurde der Raum von einem nicht minder vollgepackten Tisch, an dem mehrere EinsatzleiterInnen das Geschehen koordinierten. Dazu zählte zum Beispiel auch das Abholen der Flammkuchen, die das „Valentin‘s“ dem Vorbereitungsteam spendiert hatte.

Unmöglich, alle aufzuzählen, die den Pfadfindern in ihrer selbstgewählten Notlage geholfen haben, vorneweg viele ortsansässige Lebensmittel- und Getränkehändler, aber auch Künstler aus zum Teil weiter entfernten Orten wie Comedian Michael Eller aus Mainz, der über Bekannte von der Aktion erfuhr und spontan zusagte. Aber auch die Vereine taten, was ihnen möglich war, sowie der Förderkreis der Städtepartnerschaft e.V., der das Fest per Rundbrief bekanntmachte und dabei gleich auch das Anliegen erklärte: „Die Projekte greifen politische und gesellschaftliche Themen auf, sind lebensweltorientiert und geben dem Glauben ‚Hand und Fuß‘, daher unterstützen wir die Pfadfinder...“

Nicht ohne Gottesdienst

Allein das Auslösen dieser Welle von Hilfsbereitschaft, das In-Gang-Setzen einer Lawine von Benachrichtigung, Anfrage, Gegenfrage, Angeboten und Umsetzung, das Beteiligen so vieler Menschen, die sich mehrheitlich für die Überraschung einbrachten, erfüllt das theologische Anliegen der katholischen Kirche: „... drei Tage lang haben sie in Gemeinschaft und mit Gottes Segen die Welt in ihren Gemeinden und Ortschaften ein Stück besser gemacht...“

Und natürlich wurde bei aller Aktivität auch dem Gottesdienst seine gebührende Rolle eingeräumt – mehr noch, die Pfadfinder gestalteten den Sonntagmorgen in St. Marien maßgeblich mit, als Dank an Gottes Bodenpersonal für die schöne Idee ... und man musste ja auch noch ein wenig Werbung fürs Fest machen, nicht unbedingt „ex cathedra“ aber eben mit Segen von der Kanzel. Thema war übrigens das „kleine Wir“ – ein Kinderbuch-Monster, das das schöne „Wir-Gefühl“ erzeugen kann.

Tolles Programm

Nun, wer nach der Kirche mit zum Kapuzinerplatz ging, wurde absolut nicht enttäuscht. Schon zur offiziellen Eröffnung um 12.45 lockte eine „koreanische Trommelshow“ aus Reihen der Schneidhainer Grundschule auch säumige Kirchgänger auf den Kapuzinerplatz, gefolgt von den „Turnmädels Grashüpfer“ – ein „Ableger“ der BNS-Turn AG. Danach drehten „Revolution Breakdown“ und die „Scheunenjungz“ gewaltig am musikalischen Rad, unterbrochen von Comedian Michael Eller, wie so viele mit dem Spruch „Wir haben ein Problem und Du bist die Lösung“ von Uli Stadler angeworben, der das Programm auch hervorragend moderierte.

Neben der Bühnenpräsentation lockte vor allem ein großes Kinderprogramm – Rollenrutsche und Torwand erstreckten sich bis weit in die Konrad-Adenauer-Anlage, Hüpfburg und „Menschenkicker“ befanden sich im Dauerbetrieb – und natürlich gab es reichlich zu essen und zu trinken.

Am Beispiel der Tombola-Sponsoren danken die Organisatoren Privatleuten, Geschäftsleuten, Vereinen und Stadtverwaltung gleichermaßen für die großartige Unterstützung – und dem KöWo-Beobachter ist aufgefallen, dass bei sehr vielen der Beteiligten ein nachhaltig gutes Gefühl auch über den Tag hinaus geblieben ist, gewiss ein besonderes Geschenk. Und noch etwas, für alle zur weiteren Entspannung: „Ein Termin für die nächste 72-Stunden-Aktion steht noch nicht fest. Jetzt gilt es erst einmal, das Geleistete zu feiern“, teilt das Organisationsbüro des BDKJ in seinem äußerst positiven Resümee der republikweiten Aktion mit.

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