Bundesverdienstkreuz für die Mezzosopranistin mit Herz

Reinhild Fassler wurde in der Stadthalle Kronberg das Bundesverdienstkreuz am Band verliehen. Christoph König, Landrat Ulrich Krebs und Leonhard Helm (Bürgermeister Stadt Königstein) v.l. ehrten eine sozial engagierte Frau mit Weitblick und Herz. Fotos: Scholl

Königstein (gs) - Für ihr soziales Engagement unter anderem in der Obdachlosenhilfe wurde Reinhild Fassler, Wahl-Königsteinerin und Opernsängerin, in Anerkennung der um Volk und Staat erworbenen besonderen Verdienste im September 2021 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Im Namen des Kreisausschusses des Hochtaunuskreises erfolgte im Festsaal der Stadthalle Kronberg die Überreichung der Auszeichnung durch Landrat Ulrich Krebs.

Traumberuf: Opernsängerin

Wer das Glück hat, Reinhild Fassler persönlich zu kennen, begegnet einem Menschen, der zutiefst gläubig und dem Leben offen zugewandt ist. Ihr Engagement für die Armen und Benachteiligten in unserer Gesellschaft hat seine Wurzeln in einer bewegten Familiengeschichte. Geboren als Reinhild Tomantschger in Spittal an der Drau (Österreich), lernte sie bereits in jungen Jahren, auf eigenen Füßen zu stehen und früh Verantwortung zu tragen. Ihre verwitwete Mutter sorgte nach dem Tod des Vater eigenständig für den Lebensunterhalt und nach der erneuten Heirat mit dem Witwer und Stiefvater Hermann Linder bekam Reinhild Fassler unversehens vier Stiefgeschwister, um die sie sich zu kümmern hatte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zur Musik und in ihr reifte der Wunsch, Sängerin und Schauspielerin zu werden. Begleitend zu einem Besuch der Handelsschule in Klagenfurt begann sie ihre Gesangsausbildung am dortigen Konservatorium, die von ersten kleineren Auftritten in Opern begleitet war. Für ihr späteres Studium am Mozarteum in Salzburg erhielt die talentierte Gesangsstudentin vier Stipendien und debütierte bereits als 19-Jährige bei den Salzburger Festspielen. Nach sechs Jahren Gesangsausbildung war das Ziel erreicht: Mit 25 Jahren erhielt Reinhild Fassler (damals Linder) ihr Diplom als Opernsängerin, welches noch heute einen Ehrenplatz in ihrer gemütlichen Wohnung hat.

Familienbande

Nach ihrer Heirat folgte sie ihrem Ehemann zunächst nach Wuppertal, später wurden in St. Gallen sowohl ihre Tochter als auch ihr jüngerer Sohn geboren. Im Angesicht der „steilen“ Karriere ihres sehr begabten Ehemannes, stellte sie ihr berufliches Engagement in den Hintergrund und kümmerte sich fortan verstärkt um seine Belange und die der Familie. 1982 kam die Familie nach Schloßborn, mietete ein Haus und ließ sich nieder. Hier brachte Reinhild Fassler ihr musikalisches Talent vielfach im Kindergarten und später in der Schule ihrer Kinder ein. Sie engagierte sich in der Kirche, bei Behindertenwallfahrten und sang in dieser Zeit unter anderem im Petersdom in Rom. Das Ehepaar führte ein „offenes Haus“, pflegte viele persönliche Kontakte und engagierte sich auch finanziell in verschiedenen sozialen Projekten. „Wir nahmen Geflüchtete in unser Haus auf und betreuten zwei Jahre lang ein kurdisches Pflegekind“, blickt Reinhild Fassler in diese Zeit zurück. Der schwerste Tag sollte Reinhild Fassler aber noch bevorstehen, denn im Sommer 1997 verunglückte ihr Ehemann tödlich. Fortan tat sie das, was sie schon als junger Mensch gelernt hatte – sie nahm ihr Leben selbst in die Hand und wirkte seitdem freiberuflich als Atem- und Gesangslehrerin.

Soziales Engagement

Ebenfalls im Jahr 1997 hatte sich Reinhild Fassler dem Behindertenkreis in Kronberg angeschlossen, in dem sie sich 17 Jahre aktiv auf Vorstandsebene engagierte und dessen Geschicke sie maßgeblich mitbestimmte - gerne erinnert sie sich noch heute an die gemeinsamen Sommerfeste im Garten ihres Schloßborner Hauses. Eine wichtige Weiche für ihren – nun unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigten - Einsatz in der Obdachlosenhilfe im Ostpark in Frankfurt stellte das erste Weihnachtsfest nach dem Tod ihres Mannes dar. Ihrer Tochter sei es zu verdanken, so Reinhild Fassler, dass die beiden Frauen das Weihnachtsfest im Jahr 1997 gemeinsam mit den Obdachlosen in den Wohncontainern am Riederwald in Frankfurt feierten. Beginnend mit jenem denkwürdigen Weihnachtsfest engagierte sich Reinhild Fassler mit viel Herz in der Obdachlosenhilfe – zunächst in der Containerunterkunft, darauffolgend für sehr viele Jahre im Franziskustreff in Frankfurt, wo sie Bruder Wendelin, Gründer des Franziskustreffs, mehr als 15 Jahre tatkräftig unterstützte. Was Reinhild Fassler einmal beginnt, führt sie mit ganzem Herzen fort und so brachte sie nicht nur regelmäßig gespendete Lebensmittel nach Frankfurt, sondern half auch gerne bei der täglichen Frühstücksausgabe an die Obdachlosen und Armen. Auch heute sammelt sie noch Kleidung und Spenden und hält regen Kontakt zum Franziskustreff. Im Rahmen ihrer sozialen Arbeit wurde sie mit dem „Freundeskreis Behinderter“ bereits mit dem Bürgerpreis der Stadt Kronberg geehrt, für ihr soziales Gesamtengagement wurde ihr vom Lions Club Vordertaunus 2014 der „Schwarze Löwe“ verliehen. Auch im Malteser Hilfsdienst war Reinhild Fassler über viele Jahre aktiv. Im Rahmen des Besuchsdienstes kümmerte sie sich um Menschen, die einsam sind und begleitete zahlreiche von ihnen bis zu deren Lebensende.

Verleihung des Bundesverdienstkreuzes

Im ehrwürdigen Ambiente der Kronberger Stadthalle wurde Reinhild Fassler das Bundesverdienstkreuz von Landrat Ulrich Krebs überreicht. Bürgermeister Christoph König zeigte sich von der Ehrung „begeistert“ und würdigte in seiner charmanten Ansprache die „produktive Unruhe“ einer Frau, die in ihrem Leben so viel „Gutes“ geleistet habe. Auch Landrat Ulrich Krebs äußerte seine große Wertschätzung für das soziale Engagement von Reinhild Fassler. Früh habe sie die versteckte Not der Menschen wahrgenommen und sich auf vielen unterschiedlichen Ebenen persönlich eingebracht. Die öffentliche Ehrung sei, so Landrat Krebs, wichtig - erinnere an ihr jahrelanges Engagement und habe einen großen Vorbildcharakter für andere ehrenamtlich Tätige. Mit einem Schmunzeln wies er darauf hin, dass sogar die österreichische Regierung diese Ehrung befürwortet habe. Seine besondere Freude über die Ehrung äußerte auch Leonhard Helm. Persönlich seit vielen Jahren mit Reinhhild Fassler bekannt, war er auch in seiner Eigenschaft als Bürgermeister der Stadt Königstein stolz, sie als Bürgerin in „seiner“ Stadt zu haben und zeigte sich beeindruckt von ihrem „fast grenzenlosen“ Engagement.

Reinhild Fassler selbst war an ihrem Ehrentag herzerfrischend aufgeregt, berichtete in ihrer Dankesrede über ihr vielschichtiges Engagement und ließ ihre Gäste dabei an vielen kleinen – heiteren, wie andächtigen – Anekdoten aus ihrer Arbeit teilhaben. Sie dankte den Menschen, die sie auf ihrem Weg begleiteten und nach Kräften noch heute unterstützen. Mit ihrem unglaublichen Esprit und ihrem unverwechselbaren Charme zauberte sie ihren Gästen ein Lächeln ins Gesicht und warb mit ihrer warmen Herzlichkeit einmal mehr um Unterstützung für ihre Projekte.

„Wer rastet, der rostet“

Aktuell ist Reinhild Fassler mit der Planung ihrer alljährlichen „Weihnachtsaktion“ beschäftigt. „Im Rahmen dieser Aktion sammeln wir für die Armen, Obdachlosen und Ausgegrenzten in unserer Region und im Franziskustreff“, beschreibt Fassler ihr Engagement. Es müssen Plakate gestaltet, Flyer gedruckt und natürlich die Pressearbeit koordiniert werden. Über die vielen Jahre konnte Reinhild Fassler zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer gewinnen, die in der Weihnachtszeit Geld, Gebäck und Nikoläuse spenden, um den betroffenen Menschen ein schöneres und vor allem würdiges Weihnachtsfest zu ermöglichen.

Die Würde der bedürftigen Menschen liegt ihr ganz besonders am Herzen, denn Reinhild Fassler ist ein Mensch, in dessen Leben der Glaube einen wichtigen Platz einnimmt. „Ich lebe gerne“ – mit diesen knappen Worten beschreibt sie ihre durchweg positive Lebenseinstellung. Gerne würde Reinhild Fassler etwas Kürzer treten und mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen – wenn da nicht die Weihnachtsaktion vor der Tür stünde. Außerdem ist ein Chorprojekt im Franziskustreff im Gespräch, auf dessen Umsetzung im nächsten Jahr sie sich ganz besonders freut.

„Ich denke, wir Menschen sind nicht arm und reich – in der menschlichen Natur ist einfach alles drin: Liebe und Abneigung, Großherzigkeit und Gedankenlosigkeit. Im Grunde genommen sind wir alle gleich: nämlich arm und in irgendeinem Sinne bedürftig.“ Reinhild Fassler

Josephine Bastian und Sanami Akizuki sorgten für einen ehrwürdigen musikalischen Rahmen der Veranstaltung.

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