Die COVID-19-Pandemie und ihre täglichen Herausforderungen

So einsam und verlassen das Rathaus mangels Publikumsverkehr aktuell auch scheinen mag, der Krisenstab der Stadtverwaltung ist fast rund um die Uhr gefordert. Foto: Puck

Königstein (pu) – Die Entwicklung der letzten Wochen liest sich wie das Drehbuch eines Katastrophenfilms, ist jedoch harte Realität. Vor gerade einmal fünf Wochen feierten viele noch schunkelnd und sich fröhlich herzend Fassenacht. Die Nachrichten eines bis dahin unbekannten Coronavirus SARS-CoV-2, das erstmals Ende Dezember letzten Jahres in der Millionenstadt Wuhan der chinesischen Provinz Hubei neuartige Atemwegserkrankungen auslöste, das schon am 27. Januar mit dem ersten bestätigten Fall in Deutschland angekommen war, ließen zwar aufhorchen; in der breiten Bevölkerung überwog zu diesem Zeitpunkt jedoch noch die feste Überzeugung, aller gegenteiligen Befürchtungen der Experten zum Trotz, könne eine weitere Ausbreitung der Erkrankung verhindert werden. Ein Trugschluss! Sämtliche Bemühungen der raschen Eindämmung blieben erfolglos.

Seit 11. März offiziell Pandemie

Nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 30. Januar die internationale Gesundheitsnotlage ausgerufen hatte, ist seit 11. März offiziell die Rede von der COVID-19-Pandemie. Inzwischen sind weltweit immer mehr Länder betroffen, in vielen, darunter in Deutschland, rangen sich die Entscheidungsträger auf Rat der virologischen Experten teils früher, teils später zu Kontaktverboten und Ausgangsbeschränkungen durch, um den exponentiellen Anstieg der Neuinfektionen in den Griff zu kriegen. Nach aktuellem Stand der Dinge will man die Lage nach Ostern neu bewerten.

Jeder Einzelne betroffen

Mit den daraus resultierenden tagtäglichen Herausforderungen des notgedrungenen Herunterfahrens des öffentlichen Lebens ist inzwischen jeder Einzelne konfrontiert. Angefangen von der Stadtverwaltung und den politischen Gremien, die in dieser schwierigen Lage teils nahezu rund um die Uhr gefordert sind, um Entscheidungen zu treffen und Notfallpläne zu erarbeiten. Nicht minder belastend ist die aktuelle Lage für Gewerbetreibende, denn entweder mussten sie ihre Läden schließen, was je nach Andauer teils ihre Existenz bedroht, andere wie etwa Supermärkte sahen sich infolge der plötzlich an Fahrt aufnehmenden Dynamik anfangs mit Hamsterkäufen und daraus resultierend leer gefegten Regalen konfrontiert. Kurzarbeit, eilends geschaffene Homeoffice-Plätze und damit verbundene notwendige Umstellungen bisher üblicher Abläufe halten ebenfalls viele Betriebe in Atem.

Viele offene Fragen

Dazu kommen weitere aufgetretene Schwierigkeiten, denn so klar auf den ersten Blick die von Bund und Ländern verkündeten Regelungen auch sein mögen, die tägliche Praxis ist von aufkommenenden offenen Fragen, Missverständnissen und Irritationen geprägt. So berichtet der Zahnarzt Dr. Sebastian Manns im Namen seiner Kollegen: „Corona bedeutet für uns neben einer neuen Herausforderung auch die Umstellung der Praxisabläufe und die Erhöhung der Sicherheitsmaßnahmen. In unserer Branche müssen wir derzeit noch mehr als sonst versuchen, den Spagat zwischen Social Distancing und der sehr nahen Arbeit im offenen Mund des Patienten zu schlagen und dabei uns und unsere Patienten bestmöglich zu schützen.“ Des Weiteren würden beispielsweise seitens der Patienten Fragen zu Behandlungseinschränkungen, der Bezugsthematik von Schutzmaterialien, Veränderungen für Patienten, warum die Praxis geöffnet bleibt, Umgang der Patienten mit der Situation, Angst des Zahnarztes vor Ansteckung, Tipps für Patienten mit Zahnschmerzen, herangetragen. Ähnlich geht es den Physiotherapeuten, örtlichen Pflegediensten oder Königsteiner Arztpraxen. Zwar sollen Patienten mit Grippesymptomen von einem Besuch absehen und telefonisch Kontakt aufnehmen, nichtsdestotrotz gibt es auch in Zeiten von Corona andere Erkrankungen oder Verletzungen, die eine unverzügliche Behandlung unabdingbar machen. Auch die Apotheker sind häufig gesuchte Ansprechpartner, in Reaktion auf die viel beschriebenen Lieferengpässe stellt beispielsweise die Burg-Apotheke selbst Desinfektionsmittel her. Für Pflegeeinrichtungen wie Seniorenheime und Krankenhäuser gilt ein weitreichendes Besuchsverbot mit wenigen Ausnahmen.

Achtung vor Betrügern

Unseligerweise nutzen unverfrorene Menschen die Unsicherheit der Bevölkerung schamlos aus, sei es durch die von der Polizei bundesweit registrierten modifizierten Enkeltrickbetrüge oder vor der Haustür stehende angebliche Mitarbeiter des Gesundheitsamtes, die vorgeben, die Wohnung desinfizieren zu wollen oder die Betroffenen dringend zu Hause testen müssten. Ein Hilferuf erreichte die Redaktion der Königsteiner Woche aus dem Hotel Könighof, nachdem Unbekannte das Gerücht in die Welt setzten, dort grassiere das Virus. Dies ist, so versichert die Hotelleitung, nicht der Fall.

Leere öffentliche Plätze

Des Weiteren stellt das seit 23. März deutschlandweit geltende umfassende Kontaktverbot samt Versammlungsverboten auf öffentlichen Plätzen den bisher gekannten Alltag komplett auf den Kopf. In diesem Zusammenhang ist auch der tägliche Spagat der Eltern zu erwähnen, die seit zwei Wochen ihre Sprösslinge bei den per E-Mail ins Haus schneienden Hausarbeiten unterstützen dürfen, sie ansonsten bei Laune halten und ganz nebenbei noch ihren beruflichen Pflichten und dem Haushalt gerecht werden sollen.

Alle in einem Boot

Zum aktuellen Zeitpunkt ist es laut den Entscheidungsträgern von Bund, Land, Kreis oder Kommunen schwer prognostizierbar, wie lange die beschlossenen Maßnahmen aufrechterhalten werden müssen. Selten war das Bild passender, dass alle in einem Boot sitzen und an einem Strang ziehen müssen, um dramatische Folgen für jeden Einzelnen so gering wie möglich zu halten. Parallelen drängen sich auf. Ein Börsencrash im Oktober 1929 beendete abrupt die sogenannten „Goldenen 20er Jahre“, eine Weltwirtschaftskrise und damit verknüpft für viele Familien bittere Not waren die verhängnisvolle Konsequenz. Die Wiederholung einer Krise derart dramatischen Ausmaßes schien für den Großteil der deutschen Bevölkerung noch vor wenigen Wochen nahezu utopisch, einzig durch einen dritten Weltkrieg oder eine Naturkatastrophe denkbares Szenario.

Chance

Bei aller Schwierigkeit, diese durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Herausforderungen lösen zu müssen, sehen Viele darin auch eine Chance. Mit geschärftem Blick gilt es, schwerwiegende Versäumnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten, die nunmehr offenkundig wurden, sei es, im Gesundheitswesen oder beim zuvor eher schleppenden Vorantreiben der Digitalisierung, um nur Erstes zu nennen. Des Weiteren wäre es für alle ein Gewinn, wenn der momentan vielfach gepflegte sensiblere Umgang miteinander die Krise überdauern würde, nachdem in aller Deutlichkeit vor Augen geführt wurde, wie schnell man aufeinander angewiesen sein kann.



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