Der Heilige Nepomuk und sein Weg auf die Brücke über den Rombach

Ein frühes Foto des berühmten Frankfurter Fotopioniers Mylius zeigt Nepomuk um 1850 auf dem Höchster Schlossplatz, wo er an der nordöstlichen Ecke der äußeren Burggrabenmauer für einhundert Jahre eine Bleibe fand. Repro: Jung

Königstein – Wie dem Bericht der KöWo Anfang Oktober zu entnehmen war, wurde der Kopf der Nepomuk-Skulptur auf der Brückenmauer über dem Rombach im Ölmühlweg abgeschlagen. Dieser Umstand ließ im Verein Denkmalpflege Königstein e. V. die Frage aufkommen, wie, wann und unter welchen Umständen diese Skulptur eigentlich nach Königstein gekommen ist. Dazu konnten schließlich die Stadtverwaltung sowie Dr. W. Metternich, Vorsitzender des Geschichts- und Altertumvereins Höchst, einige Auskünfte erteilen.

Im Gegensatz zu den normalen Sterblichen haben Heilige, Märtyrer zumal, offensichtlich doch mehr als nur ein Leben. Wer einmal zur Ehre der Altäre erhoben wurde, seinen Platz auf ehrenden Sockeln und Postamenten gefunden hat, den bekommt man so leicht nicht wieder herunter. Reformationen und Glaubenswechsel können solchen Gestalten ebenso wenig anhaben wie ein Wechsel der Mode und des Geschmacks oder gar denkmalpflegerische Maßnahmen. Da muss Beistand von höherer Stelle im Spiel sein.

Prager Brückenheiliger

Was allen Heiligen recht ist, sollte für einen alten Höchster Kollegen nur billig sein. Da kann es keine Rolle spielen, dass er längst vergessen ist und nur ältere Einwohner der Stadt sich erinnern, dass da mal etwas war. Was war da? Niemand geringerer als der weithin bekannte Brückenheilige Nepomuk – mit vollem Namen Johannes von Nepomuk – hat sich zum Höchster Schlossfest 1999 an zentraler und fast alter Stelle wieder unter die Bevölkerung von Höchst gemischt. Rechtzeitig zu seinem 659. Geburtstag um den 16. Mai 1350 nahm er seinen Platz auf der Schlossbrücke von Höchst wieder ein.

Zum Brückenheiligen wurde der Generalvikar des Erzbistums Prag im Jahr 1393 durch seine tapfere Verteidigung des Beichtgeheimnisses gegenüber dem böhmischen und deutschen König Wenzel (genannt „der Faule“), der aus Zorn über den widerborstigen Kleriker diesen von der Moldaubrücke in Prag in den Fluss stoßen ließ.

Das bekam weder dem standhaften Priester noch dem sündigen König sonderlich gut. Zwar fanden beide in kirchlicher Umgebung ihr Grab, aber nur Nepomuk wurde dauerhafte Verehrung zuteil, während der schlimme König sich mit seinem wenig ehrenvollen Beinamen begnügen musste. 1729 wurde Nepomuk von Papst Benedikt XIII. heiliggesprochen und avancierte zu einem der beliebtesten Volksheiligen in Mitteleuropa.

Mainzer Sandsteinstatue

So dachte man auch in Höchst, schließlich war man Amtsstadt in einem erzbischöflichen Staat. Das Mainzer Bistum bevorzugte für seine Bauten zwei Sandsteingruben, eine mit weicherem Sandstein sowie mit härterem Sandstein aus dem Raum Miltenberg. Also bekam das neu gefertigte Standbild des Brückenheiligen Nepomuk schon bald nach der Heiligsprechung seinen ihm zustehenden Platz auf einer Höchster Brücke, aber noch nicht der Schlossbrücke. Die Wahl fiel auf die Brücke über dem Stadtgraben vor dem Frankfurter Tor, wo er denn auch in voller Lebensgröße auf einem Stadtplan von etwa 1780 zu sehen ist.

Mehrere Standortwechsel

Lange sollte er dort allerdings nicht verbleiben. 1816 wurden die alten Stadttore abgerissen, die davor liegenden Gräben zugeschüttet und die Brücken verschwanden im Untergrund, wo sie noch heute ruhen. Nepomuk wurde nicht mitbegraben, sondern zog um zum Höchster Schlossplatz, wo er – wie ein frühes Foto des berühmten Frankfurter Fotopioniers Mylius um 1850 zeigt – an der nordöstlichen Ecke der äußeren Burggrabenmauer für einhundert Jahre eine Bleibe fand.

Doch schon am Anfang des 20. Jahrhunderts musste er wieder weichen. Zu Recht – der Höchster Schlossplatz ist einfach kein Standort für einen Brückenheiligen. Aber mit Brücken war man nun etwas knapp, also wanderte Nepomuk auf das einzig verbliebene Bauwerk dieser Art: die Höchster Schlossbrücke. An diesem idyllischen Plätzchen hatte er nun eine weitere Verschnaufpause.

1907 erwarb die Witwe von Adolf von Brüning (Farbwerke Höchst), Clara, das verfallene Schloss mit den dazugehörigen Gärten, Befestigungsanlagen und der Schlossbrücke samt dem darauf befindlichen Hl. Nepomuk. Sie ließ alles historisch korrekt wieder herstellen und öffnete das Anwesen für die Bevölkerung. Kurz nach Ende des II. Weltkrieges aber sorgte die Familie dafür, dass die Skulptur – gemeinsam mit einem Sandsteinrelief des Hl. Martin – wegen der Besetzung des Höchster Schlosses durch die Amerikaner auf ihren Wohnsitz in Königstein zur Verwahrung gebracht wurden. Ob das barocke Original die amerikanische Besatzung im Schloss, den AFN, überlebt hätte, muss offen bleiben.

Als Abguss zurück

Herr von Brüning schenkte sodann unserer Stadt den Hl. Nepomuk mit der Forderung, dass das Original in Ehrung des Vermächtnisses seines Vaters auf der Brücke über den Rombach in Königstein aufgestellt wird. 1982 wurde ein hervorragender Abguss der Skulptur für Höchst gefertigt, doch leider nicht wieder auf der Brücke aufgestellt. Aber die Höchster Schlossbrücke so ganz ohne einen Schutzpatron?

Was am Anfang noch bedauert wurde, war jedoch bald vergessen. Nepomuk war aus dem Gedächtnis der Höchster getilgt. Erst als 1996 Renovierungsarbeiten am Schloss begonnen wurden, entsann man sich des Heiligen und so stand Nepomuk zu seinem Geburtstag wieder an seinem Platz. Seither sind zwanzig Jahre vergangen – und für die nächsten einhundert Jahre sollte das mindestens auch so bleiben.
Ellengard Jung



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