Lars Reichow auf Tour im „Maybach unter den Taunus-Bergdörfern“

Lars Reichow unterhielt sein Publikum bestens. Foto: Weber-Grupe

Königstein (wg) – Der preisgekrönte Mainzer Musikkabarettist Lars Reichow war im Königsteiner Haus der Begegnung zu Gast und setzte mit diesem automobilen Vergleich direkt ein Eingangsstatement.

Eingeladen zur Veranstaltung hatte die „Königsteiner Kulturgesellschaft“, und der vollbesetzte Saal lieferte den Beweis, dass der ambitionierte Verein unter der Vorsitzenden Almut Boller den Geschmack des Königsteiner Publikums genau getroffen hatte.

Multitalent Lars Reichow, bekannt aus TV Formaten wie „Reichows Welt“, „Mitternachtsspitzen“, aber auch „Mainz bleibt Mainz wie es singt und lacht“, lud zu seinem Programm „Wunschkonzert“ und machte dem Publikum bereits im Intro klar, dass die anwesenden Gäste sich an diesem Abend gar nichts wünschen dürften. Enttäuscht musste dennoch niemand nach Hause gehen, denn der Kabarettist las sich in den folgenden 150 Minuten nicht nur alle Wünsche von den eigenen Lippen ab, sondern ließ auch die Anwesenden ziemlich wunschlos zurück.

Synthesizer, Rednerpult oder Flügel – der Mainzer switchte auf der Bühne zwischen den verschiedenen Stationen hin und her, hopste munter in den unterschiedlichsten Genres herum und nahm die atemlos Zuschauenden mit zu einem Parforceritt durch Themen und Emotionen.

Lars Reichow ist ein durch und durch politischer Mensch, das wollte er zum Glück auch seinem Königsteiner Publikum nicht ersparen. Eloquent bohrte er im Versagen einiger Parlamentarier, analysierte Regierungsmitglieder wie Karl Lauterbach – „der einzige Abgeordnete, der über ein Talkshow-Direktmandat in den Bundestag eingezogen ist“ – oder legte den Finger in die Wunde organisierter Korruption, wie bei seinem Lied über die Fußball-WM in Quatar – da konnte einem das Lachen schon mal im Hals stecken bleiben.

Der Kabarettist zeichnet sich aber auch dadurch aus, dass er nicht einfach sein Programm abspult, sondern sich sehr genau auf die Orte seiner Auftritte vorbereitet. Im Haus der Begegnung lobte er den Bau mit seiner 50er-Jahre-Architektur, der sich „alt, aber immer noch richtig anfühle“. Nach dieser Schmeichelei kam Reichow jedoch auch auf die jüngste Nutzung der Halle durch die AfD zu sprechen und wiederholte mit offensichtlichem Vergnügen an diesem Ort noch einmal seine bekannte „Laudatio“, die bereits vor einigen Wochen im Mainz für Aufsehen gesorgt hatte und dem bekennenden AfD-Gegner einige laufende Anzeigen eingebracht hat.

Alsdann gab es ein buntes Potpourri an Themen, bei denen sich der Künstler selbst immer weiter aufpeitschte. Wenn Lars Reichow sich in Rage redet und mit exaltierter Lust fabuliert, dann wird Unglaubliches plötzlich unglaublich glaubhaft, wie seine von ihm angeblich gegründete „Organisation für Hunde, die vom Brexit betroffen sind.“ Überhaupt – Großbritannien und sein Verlassen der EU, ein Thema, das den Mann auf der Bühne sehr bewegt und bei dem er gern die Politik wie auch die gekrönten Häupter der Insel aufs Korn nimmt.

Das Königsteiner Publikum feierte das Feuerwerk von Pointen mit donnerndem Applaus, aber Lars Reichow wäre nicht er selbst, wenn er die gute Laune nicht sogleich wieder ironisch brechen würde, etwa wenn er am Flügel ein Lied über das Älterwerden singt. Das Klavierspiel perlt passend zu Reichows Wortperlen, die er beim Song „das Ende eines Lebens“ scheinbar mühelos melancholisch hintupft. Mit seinem Statement, Königstein sei doch „auch eine tolle Endstation“, macht er sich allerdings wenig Freunde im lautstark protestierenden Haus.

Da ist es sichereres Terrain, über den Wohnmobilurlaub mit der Familie in Norwegen zu berichten und mit rasanter Eloquenz das Publikum immer wieder zu Lachsalven zu reizen.

Lars Reichow kann ganz schön viel: auf den Tasten einen richtigen Blues anschlagen, rockig und raumgreifend singen, beim Lied über „die Routine“ poetisch leise Töne anschlagen und sich selbst verletzlich zeigen. Immer wieder aber appelliert er dabei in seinen Stücken, egal wie sie daherkommen, an das Publikum, das zu leben, was ihm wichtig ist – nämlich Bürgerpartizipation und Zivilcourage.

Und so findet der Künstler in seiner Zugabe schließlich sehr klare Worte den Ukraine-Krieg betreffend, der gerade seinen ersten Jahrestag hatte. Er mahnt, nicht „aus Bequemlichkeit“ zu vergessen, wer Täter und wer Opfer in diesem Konflikt sei und ruft die Gäste des Abends auf, den „kriegerischen Überfall auf die Ukraine nicht als Normalität zu empfinden, nur weil er schon zwölf Monate dauert.“

Kabarettist Lars Reichow entlässt sein Publikum gut gelaunt, aber auch nachdenklich in die friedliche Königsteiner Nacht.



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