„Plötzlich und unerwartet fand ich mich ausgeschlossen“

Königstein
(kw) – Die Schicksale von Christen jüdischer Herkunft sind bislang noch wenig erforscht. Da dieser Personenkreis nicht in den Mitgliederlisten der jüdischen Gemeinden verzeichnet war, blieben ihre Namen bei der Erforschung der Lebensgeschichten früherer jüdischer Bewohner oft unbekannt und damit vergessen.

Kein Schutz der Kirchen

Die Betroffenen haben meist jahrelang geschwiegen, aus sehr unterschiedlichen Gründen. Erst in jüngster Zeit hat die Kirche damit begonnen, dieses Kapitel der Geschichte aufzuarbeiten und nach dem Verhalten der Kirche gegenüber ihren getauften Gemeindemitgliedern jüdischer Herkunft während der Zeit des Nationalsozialismus zu fragen.

Im Hochtaunuskreis gab es eine große Zahl von Christen jüdischer Herkunft. Das Ergebnis der Volkszählung 1939 zeigt, dass der Obertaunuskreis innerhalb Hessens den höchsten Anteil von Christen mit jüdischen Vorfahren aufwies, insbesondere Oberursel.

Ihre Zugehörigkeit zur Kirche schützte die Betroffenen nicht vor dem Rassenwahn der Nationalsozialisten.

Sie wurden Opfer von Diskriminierung, Verfolgung und Ermordung. Nur allzu selten bot die Kirche ihnen Schutz. Die Quäker spielten demgegenüber eine wichtige Rolle, vor allem dabei, Christen jüdischer Herkunft zur Flucht aus Deutschland zu helfen.

Ausstellung in Stadtbücherei

Eine Ausstellung über das Schicksal getaufter Juden möchte zur Erinnerung an die verfolgten Christen jüdischer Herkunft beitragen und die Gemeinden auffordern, sich mit diesem Thema in Zukunft stärker auseinanderzusetzen. Sie wird ab der kommenden Woche, 2. Februar, in der Stadtbücherei (Wiesbadener Straße) zu den üblichen Öffnungszeiten für einen Monat zu sehen sein.

Besondere Führungen sind vorgesehen und weitere Veranstaltungen zum Schicksal getaufter Juden werden in diesem Jahr folgen. Veranstalter sind die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Hochtaunus, das Evangelisches Dekanat Kronberg, die Evangelische Immanuel-Gemeinde Königstein, die Stolperstein-Initiative Königstein sowie das Stadtarchiv Königstein.

Auftaktgottesdienst

Zum Auftakt lädt die Evangelische Immanuel-Gemeinde am kommenden Sonntag, 30. Januar, um 10 Uhr zu einem Gedenk-Gottesdienst in die Ev. Immanuelkirche am Burgweg ein.

Die Predigt hält Pfarrerin Stoodt-Neuschäfer, weitere Mitwirkende sind Steffi Mehnert, Kantor Carmenio Ferrulli (Orgel) und Jugendliche der Gemeinde. Eine Anmeldung zum Gottesdienst (3-G) ist erwünscht.

Der 1908 geborene und evangelisch getaufte Peter Kohnstamm (links) wuchs mit seinen Geschwistern Rudolf und Anneliese im Sanatorium seines Vaters in Königstein auf. 1933 emigrierte der frisch promovierte Arzt nach England, um der Verfolgung als Jude zu entgehen. Foto: Privat



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