Verkehrssicherungspflicht kostete den Burghain Falkenstein viele Bäume

Foto: Scholl

Königstein (gs) - Der westlich der Falkensteiner Straße gelegene Teil des Falkensteiner Burghains bietet momentan keinen schönen Anblick. Massive Rodungsarbeiten in den vergangenen Wochen haben den Baumbestand entlang der Straße deutlich gelichtet. Auf einer Breite von ca. fünfzehn und einer Länge von fast 400 Metern wurden direkt an der Straße nahezu alle großen Bäume abgeholzt. Wo vormals ein dichter Wald mit überhängenden Baumkronen stand, liegen nun dicke, alte Baumstämme zersägt am Hang. Das Ganze macht einen etwas unaufgeräumten Eindruck, was jedoch teilweise so gewollt ist. Sebastian Gräf von Hessen Forst erklärt dazu, dass Totholz nur dann aus dem Wald entfernt werde, wenn dieses wirtschaftlich sinnvoll sei. Mancher Falkensteiner Bürger, der täglich mehrmals die Straße befährt, trauert schon im Vorfeld des Winters dem romantisch anmutenden Winterwald nach. Denn wenn sich der Raureif auf die Äste legte oder der erste Schnee auf den Bäumen liegen blieb, bot sich beim Befahren der Straße bisher ein mehr als romantisches Bild. Die schneebedeckten Baumkronen hingen direkt über der Straße und gaben dem Betrachter das Gefühl, „vom Schnee umhüllt zu sein“. Dass es dieses Bild in den nächsten Jahren nicht mehr geben wird, dürfte jedem Betrachter klar sein, wobei sich der eine oder andere ob der Baumfällungen mehr als erschreckt zeigte. Es stellte sich vielerorts die Frage, ob dieser umfangreiche Eingriff in das bestehende Naturschutzgebiet wirklich hatte sein müssen, gefolgt von der aufgebrachten Feststellung, dass „so ein Kahlschlag“ ja wohl keine Berechtigung haben könne.

Eigentümerin der Forstflächen am Burghain Falkenstein - und damit verantwortlich für die Baumfällarbeiten - ist die Stadt Königstein. Die Stadt hatte die Flächen vor ca. zwei Jahren im Rahmen eines Geländetausches vom Land Hessen übernommen, da sie bei der Pflege des Forstes und damit auch der darin befindlichen Spazier- und Arbeitswege deutlichen Verbesserungsbedarf sah. Bei einer Begehung berichtete Sebastian Gräf, dass die Trockenheit der vergangenen drei Jahre und die letzten Frühjahrs-, Herbst- und Winterstürme den Bäumen stark zugesetzt und deren Widerstandskraft gegen Pilz- und Schädlingsbefall deutlich geschwächt haben. Darüber hinaus waren viele Bäume erkrankt. „Mit dem Eschentriebsterben und der Ahornweißrindenkrankheit haben wir es neben der Trockenheit mit zwei Baumkrankheiten zu tun, die leider viele Bäume befallen hatten und deren Herausnahme unumgänglich machten“, ergänzte Sebastian Gräf. Beim letzten Sturm passierte dann, was das Forstamt bereits befürchtet hatte: Mehrere größere Bäume stürzten um, wobei diese wiederum kleinere Bäume mit sich rissen. Das Ergebnis war, dass sich dem Spaziergänger ein Bild des Chaos auf den, mittlerweile aus Sicherheitsgründen gesperrten, Spazierwegen bot und ein Durchkommen oftmals gar nicht mehr möglich war. Im Zuge des letzten Sturmes fielen schließlich zwei große Bäume auf die Falkensteiner Straße, so dass ein Einsatz der Feuerwehr notwendig wurde, um die Bäume zu zerteilen und die Fahrbahn freizuräumen. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde deutlich, dass am Burghain Falkenstein etwas geschehen müsse, um die Bürger vor den Gefahren umstürzender Bäume zu schützen, zumal der Stadt für dieses Waldgebiet die Verkehrssicherungspflicht obliegt. Darüber hinaus wollte die Stadt ihren Bürgern diesen intensiv genutzten Naherholungsraum auch gerne erhalten und war somit bereit, umfassende Forstarbeiten in Angriff zu nehmen, um den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden zu können.

Ortsbegehung mit Naturschutzbehörde

Unter diesem Eindruck fand bereits im September eine Ortsbegehung mit Jochen Raus, zuständiger Revierleiter Forstamt Königstein und Gunter Schöcker, Leiter der Oberen Naturschutzbehörde (ONB) im Regierungspräsidium Darmstadt, statt. Im Zuge der Begehung wurde über die Maßnahmen zur Verkehrssicherung und Erhaltung des Naherholungsraumes beraten, wobei hierbei immer die Verkehrssicherungspflicht der Stadt Königstein im Vordergrund stand. Diese besagt, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die Pflicht hat, alle notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen (Sicherungsmaßnahmen) zu treffen, um Schäden Dritter zu verhindern. Bürgermeister Leonhard Helm zeigte sich im Gespräch in diesem Zusammenhang entsetzt über den Gedanken, dass Personen durch umfallende Bäume zu Schaden kommen oder einen Vermögensschaden (z.B. Schaden am Fahrzeug) erleiden könnten. „Mir tut es persönlich auch um jeden Baum leid, der gefällt wurde“, merkte Helm an. „Menschenleben sind jedoch noch immer wertvoller als ein Baum“ lautete sein Fazit zur Erklärung der nun vorgenommenen Baumfällungen. Dabei ist die Rechtslage und die damit einhergehende Rechtsprechung nicht ganz einfach und erfordert für verschiedene Gegebenheiten unterschiedliche Herangehensweisen – welche sich dann in der Ausführung auch gegenseitig bedingen können.

Öffentliche Straßen

Für Baumbestand an öffentlichen Straßen gilt für die Stadt Königstein die Verkehrssicherungspflicht. Dies bedeutet, dass die Stadt, sobald sie von einer Gefahr durch umstürzende Bäume Kenntnis erlangt und nichts dagegen unternimmt, schadenersatzpflichtig wird. Um diesen Fall auszuschließen, erfolgen regelmäßige Kontrollen der entsprechenden Waldgebiete durch das zuständige Forstamt.

Bei der Begehung des Burghains zeigte sich, dass eine Vielzahl der direkt an der Falkensteiner Straße wachsenden Bäume vorgeschädigt und nicht mehr zu retten war. Die Schädigungen durch Weißfäule oder Pilzbefall waren teilweise derart ausgeprägt, dass über die Straße hängende Bäume beim nächsten Sturm ebenfalls umzustürzen drohten und so aus Verkehrssicherungsgründen gefällt werden mussten.

Spazierwege

Etwas anders verhält es sich bei den Bäumen entlang der Spazier- und Wanderwege. Für gekennzeichnete Fußwege ist nach rechtlicher Maßgabe keine besondere Verkehrssicherung notwendig. Hier müssen Fußgänger mit „waldtypischen“ Gefahren (z.B. herabfallende Äste bei Sturm) rechnen. Allerdings hat die Stadt auch hier eine Sorgfaltspflicht und muss offensichtliche Gefahrenpunkte beseitigen, was bedeutet, dass angebrochene Äste abgeschnitten und offensichtlich vorgeschädigte Bäume ebenfalls gefällt werden müssen.

Bänke und Aussichtspunkte

Wieder anders verhält es sich an sogenannten „Verweilorten“, womit z.B. Aussichtspunkte und Ruhebänke gemeint sind. An diesen Plätzen muss ebenfalls eine Verkehrssicherung erfolgen, wobei morsche Bäume auch hier aus Sicherheitsgründen gefällt und Äste geschnitten werden müssen.

Nun passiert es natürlich, dass sich bei der Rodung eines großen, umgefallenen Baumes herausstellt, dass dieser beim Umknicken einen oder mehrere Bäume mitgerissen oder anderweitig beschädigt oder destabilisiert hat. Es passiert auch, dass sich Bäume aneinander „anlehnen“. Muss einer der beiden Bäume z.B. wegen Pilzbefalls gefällt werden, so kann der andere Baum wegen seiner Neigung kaum alleine am Hang stehen und droht deshalb umzufallen. Auch dieser Baum müsste dann, obwohl er „gesund“ ist, gefällt werden.

Mildere Variante möglich?

Es steht nun zu Recht die Frage im Raum, ob die ausgeführten Arbeiten in dieser Ausprägung wirklich notwendig gewesen sind oder ob es nicht eine schonendere Variante gegeben hätte. Bürgermeister Leonhard Helm hat zu dieser Frage eine klare Meinung: „Wir haben die Ortsbegehung aufgrund der im Jahr 2001 erfolgten Einstufung des Gebietes als „Naturschutzgebiet hoher Kategorie / FFH -Gebiet“ mit dem Leiter der Oberen Naturschutzbehörde (ONB) vorgenommen. Herr Schöcker ist ein kompetenter Fachmann, auf dessen fachliches Urteil wir uns verlassen konnten. Jeder einzelne Baum wurde begutachtet und gekennzeichnet.“ Helm führte darüber hinaus an, dass eine renommierte Firma mit der Ausführung beauftragt wurde. „Die Firma ist dafür bekannt, dass sie versucht, jeden Baum zu retten, der noch zu retten ist. Die Mitarbeiter sind sehr fachkundig und genießen unser Vertrauen“. Letztendlich, so Helm, muss man das Ganze realistisch betrachten. „Alle Bäume sind schön und schützenswert, aber Menschenleben sind immer noch wichtiger.“

Diesen Anspruch möchte natürlich auch Cordula Jacubowsky, Vereinsvorsitzende des BUND Königstein-Glashütten, nicht in Abrede stellen, jedoch vertritt sie die Meinung, dass hier das Augenmaß bei den Forstarbeiten fehlte. Bei der Naturschutzorganisation genießt der an dieser Stelle vorgenommene Eingriff in den Baumbestand eine sehr hohe Priorität. Um ihren Widerstand zum Ausdruck zu bringen, entschloss sich Jacubowsky Ende September während der Baumfällungen zu einer Protestaktion, welche die Baumfällungen jedoch nicht stoppen konnte. „Die Aktion sollte zeigen, wie wichtig wir das Thema finden und wie ernst wir den Eingriff einstufen.“ Der BUND vertritt die Ansicht, dass durch vermehrte Kronenreduzierungen, Entfernung von Totholz und Herausnahme einzelner erkrankter Exemplare viele der nun gerodeten Bäume hätten gerettet werden können. „Ein schonender Umgang mit der Natur, gerade in einem Naturschutzgebiet, sieht anders aus“, merkte Jakubowsky an. Sie sieht auch die Gefahr, dass durch die Öffnung den weiter hinten liegenden Bäumen der Windschutz genommen wurde, so dass diese den Herbst- und Winterstürmen nun noch schutzloser ausgeliefert seien. Der Habitatschutz für Klein- und Bodenlebewesen wie auch für Fledermäuse sei, so die Feststellung vom BUND, ebenfalls nicht ausreichend gewürdigt worden. Der BUND stellte darüber hinaus fest, dass „die Stadt als Auftraggeber durchaus hätte engere Regeln aufstellen und abwarten können“ und behält sich deshalb weitere rechtliche Schritte vor.

Veränderung schafft Neues

Dass Bürger und Naturschutzverbände über das Ausmaß der Rodungen unglücklich seien, kann Bürgermeister Helm durchaus nachvollziehen, jedoch merkt er auch an, dass der etwas „kahle“ Eindruck nur von kurzer Dauer sein wird. „Aus neuen Bäumen werden alte Bäume“, waren seine Worte, gepaart mit dem Hinweis, dass die jungen Bäume, die nun mehr Licht und Luft bekämen, dynamischer wachsen würden und der Hang sich wieder mit jungen Bäumen füllen würde. Schon jetzt zeigen sich viele kleine Baum-Exemplare, die sich anschicken, den Wald für sich zu erobern, z.B. Esche, Berg-Ahorn, Hainbuche und Traubeneiche, um nur einige zu nennen. Viele Bürger nähmen das Gebiet nun auch sehr viel heller und luftiger wahr, ihnen waren die überhängenden Bäume teilweise zu mächtig und wurden als fast „erdrückend“ wahrgenommen. Darüber hinaus hat die Rodungsaktion auch einen schönen Begleitaspekt. Geht man den Spazierweg von der Villa Rothschild entlang der Straße in Richtung Falkenstein, so eröffnet sich in Richtung Kronberg und Frankfurt neuerdings ein wunderschöner Blick in die Ebene und auf die Kronberger Burg. An manchen Stellen stehen auf dem Weg schon seit vielen Jahren Bänke. Diese wurden zu einer Zeit aufgestellt, als der heute für uns „neue“ Blick nach Frankfurt bereits in früheren Jahren für Wanderer und Spaziergänger sichtbar war, was darauf schließen lässt, dass der Baumbewuchs früher erheblich lichter und niedriger war. Auf Nachfrage, ob die Stadt diesen Blick denn auch für die Wanderer erhalten möchte, reagierte Bürgermeister Helm mit dem wohlwollenden Satz: „Wenn wir es möglich machen können, tun wir es gerne. Jedoch wird auch in der Zukunft unser Hauptaugenmerk auf der Sicherheit unserer Bürger und der Waldbesucher liegen.“



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