Verlust des öffentlichen Raumes durch Bebauung und Versiegelung

Prof. Dr. Markus Pfenninger wohnt in der Hinteren Schloßgasse und ist im Arbeitsbereich Biodiversität und Klima tätig. Als korrekter Wissenschaftler belegt er sogar die Quellen seiner Expertise:

Zu der kontroversen Diskussion um zwei Bauprojekte in Königsteiner Parks, der Errichtung eines Parkdecks in der Konrad-Adenauer-Anlage und dem Bau von Wohnungen in der Hubert-Fassbender-Anlage, möchte ich folgenden Beitrag leisten:

Beide Maßnahmen gehen unweigerlich mit der Versiegelung von innerstädtischen Grünflächen einher. Die Beseitigung von Bäumen und die Versiegelung von Grünanlagen (auch ein begrüntes Parkdeck wird drainiert werden müssen, wo bisher Niederschläge noch ungehindert ins Grundwasser versickern können) widerspricht allen Empfehlungen zur gesundheitserhaltenden Stadtplanung in Zeiten des Klimawandels aller relevanter Stellen und Organisationen, von der EU [1], über das Umweltbundesamt [2] und Bundesamt für Naturschutz [3] bis zum Fachzentrum Klimawandel des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie [4, 5]. Alleine schon aus Gründen der notwendigen Anpassung Königsteins an den Klimawandel sollten sich beide Projekte deshalb verbieten.

Noch gravierender ist in meinen Augen die damit einhergehende schleichende Aufgabe öffentlichen Raumes in Königstein. Der öffentliche Raum ist das konstituierende Element unserer Städte und in ihrer Funktion der Ermöglichung des unbeschränkten sozialen Austausches die Grundlage unserer Gesellschaft und Demokratie [6]. Die Überwachung des Erhalts öffentlichen Raumes ist daher eine essenzielle gesellschaftliche Aufgabe der Bürger. In Königstein wurden im Laufe der Jahre schon viele ursprünglich öffentlich zugängliche Flächen durch Bebauung der öffentlichen Nutzung entzogen, immer mit der Begründung, dass „dieses kleine Stück“ ja nicht viel ausmacht. Wie viele Studien zeigen, senkt die stetige Verkleinerung öffentlicher Flächen aber nachweislich die Lebensqualität [7] und führt letztendlich zur gesellschaftlichen Segregation [8]. Wenn es immer weniger Platz gibt, an dem wir uns alle gleichberechtigt auf Augenhöhe begegnen können, wird sich unsere Gesellschaft zum Schlechteren verändern.

Dabei ist es unerheblich, ob das in Frage kommende Gelände momentan nach der subjektiven Meinung einiger ausreichend oder angemessen genutzt wird: Prioritäten können sich ändern; so können z. B. gerade als dunkle, schattige Ecken empfundene Parkteile in den zukünftig vermehrt zu erwartenden Hitzeperioden besonders attraktiv werden. Auch die Nutzung durch von Einigen als „zwielichtige Gestalten“ empfundenen Personen ist kein Argument für eine Aufgabe öffentlichen Raumes: wenn es Hinweise auf ordnungswidriges bzw. kriminelles Verhalten gibt, muss dem durch entschlossenes (ordnungs-)polizeiliches Handeln entgegengetreten werden. Wenn nicht, ist die Nutzung von öffentlichem Raum durch Jedermann ein nicht zu beschneidendes Menschenrecht und von der Gesellschaft zu akzeptieren.

Da es sich bei der Park- und Wohnsituation durchaus um wichtige Probleme handelt, möchte ich auch konstruktive Alternativvorschläge machen:

Alleine von den projektierten Baukosten für das Parkdeck von 2.000.000 Euro [9] ließe sich die entsprechende Zahl an geplanten Parkplätzen (74) zu den momentan gültigen Preisen (15 Euro Tageshöchstsatz [10]) in der Stadtgalerie für rund fünf Jahre mieten; bei entsprechenden Verhandlungen sicher auch sehr viel länger. Das schließt noch nicht die zusätzlich anfallenden Unterhaltskosten, soweit sie nicht durch Parkgebühren gedeckt werden, ein. Ob in fünf oder mehr Jahren die zusätzlichen Parkplätze im Rahmen der sich wandelnden Mobilität noch gebraucht werden, ist momentan völlig unklar. Der Bau aber würde unwiderruflich Fakten schaffen.

Anstatt einen öffentlichen Park in (sehr wenig) Wohnraum umzuwandeln, sollte sich der Blick bei der Suche nach Baugrundstücken innerhalb der momentanen Bebauungsgrenzen besser auf die großen, gut erschlossenen Flächen an der B8 im Bereich Marnet/Bischof Neumann Schule richten, die momentan lediglich zur Lagerung von Autos genutzt werden.

Gebäude sind schnell errichtet, aber einmal aufgegebener öffentlicher Raum und versiegelte Fläche sind zumeist für immer verloren.

Quellennachweise:

1. Cities and towns [https://climate-adapt.eea.europa.eu/countries-regions/cities]

2. Wittig S, Schuchardt B: Anpassung an den Klimawandel: Natur in der Stadt - Städtische Grünflächen und -räume. In.: Umweltbundesamt; 2013: 8.

3. Rittel K, Bredow L, Wanka ER, Hokema D, Schuppe G, Wilke T, Nowak D, Heiland S: Grün, natürlich, gesund: Die Potenziale multifunktionaler städtischer Räume: Bundesamt für Naturschutz Bonn Bad-Godesberg; 2014.

4. Hessisches Landesamt für Naturschutz UuG, Fachzentrum Klimawandel Hessen: Hitze in der Stadt und kommunale Planung. In., April 2017 edn. Wiesbaden: Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie; 2017: 24.

5. Hessisches Landesamt für Naturschutz UuG, Fachzentrum Klimawandel Hessen: Handlungsleitfaden zur kommunalen Klimaanpassung in Hessen – Hitze und Gesundheit –. In. Edited by Anpassung FKu, 2019 edn. Darmstadt: Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie; 2019: 180.

6. Thompson CW: Urban open space in the 21st century. Landscape and urban planning 2002, 60(2):59-72.

7. Nasution AD, Zahrah W: Public Open Space’s Contribution to Quality of Life: Does privatisation matters? Asian Journal of Environment-Behaviour Studies 2017, 2(5):71-83.

8. Kohn M: Brave new neighborhoods: The privatization of public space: Routledge; 2004.

9. Königstein S: Die neue Stadtmitte - vom Parkplatz zum Platz im Park. In.: 2019.

10. Anschlag des Betreibers an der Einfahrt zur Tiefgarage am 16.10 2019.



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